Gemmotherapie
Folgende Themen werden in diesem Artikel behandelt
- 1. Definition
- 2. Philosophie
- 3. Plausibilität des Konzepts
- 4. Belege für die Wirksamkeit
- 5. Anwendung
- Ficus carica (Feigenbaum)
- Fraxinus excelsior (Gewöhnliche Esche)
- Juniperus communis (Wacholder)
- Ribes nigrum (Schwarze Johannisbeere)
- Rosa canina (Hagebutte)
- Rosmarinus officinalis (Rosmarin)
- Rubus idaeus (Himbeere)
- Tilia tomentosa (Silberlinde)
- Vaccinium vitis-idaea (Preiselbeere)
- 6. Selbstbehandlung
- 7. Anwender und ihre Ausbildung
- 8. Behandlung und Ablauf
- 9. Grenzen und Risiken
- 10. Praxistipps
- 11. Zahlt die Krankenkasse?
1. Definition
Die Gemmotherapie ist eine spezialisierte, sanfte Form der Phytotherapie, bei der ausschliesslich Knospen (lateinisch = gemma), Triebspitzen, junge Schösslinge und im Wachstum befindliche Wurzelfasern verwendet werden. Gemmotherapeutika unterstützen den Körper in Regenerations- und Heilungsprozessen bei verschiedenen Funktionsstörungen.
2. Philosophie
Die Wachstumskräfte von Pflanzen werden mit der Gemmotherapie für den Menschen nutzbar gemacht. In Knospen oder jungen Trieben, also in den Embryonalgeweben, steckt die meiste Energie und Vitalität einer Pflanze. Später nimmt die Wachstumsaktivität ab. Zur Veranschaulichung: Pflanzenwurzeln können in der Wachstumsphase eine Asphaltschicht sprengen.
Der belgische Arzt Pol Henry befasste sich in den 1960er-Jahren als erster mit der Nutzung der Wachstumskräfte von Knospen und Sprossen. Sein Konzept wurde weiterentwickelt und später vor allem in Frankreich bekannt gemacht und verbreitet. Die Grundlage für die Herstellung von Gemmotherapeutika ist heute noch die französische Pharmabibel «Pharmacopée francaise» von 1965.
Als Pol 1970 seine Forschungsergebnisse veröffentlichte, nannte er diese neue Therapie «Phyto-Embryotherapie». Diese Disziplin wurde später von Dr. Max Tétau, einem französischen Homöopathen, wieder aufgenommen, weiter entwickelt und unter dem Namen «Gemmotherapie» bekannt. Zu erwähnen sind auch die Arbeiten von Professor Mallein vom Lehr- und Forschungsinstitut Lyon/F. Er entdeckte die Wirkung der Johannisbeerknospe (Ribes nigrum), die die Bezeichnung «sanftes, pflanzliches Kortison» erhielt und das bekannteste Mittel in der Gemmotherapie ist.
3. Plausibilität des Konzepts
Bei der Herstellung von Gemmotherapeutika wird nicht versucht – wie im spagyrischen oder homöopathischen Verfahren – die Kräfte einer Pflanze auf besondere Weise aufzuschliessen und zu potenzieren. Gemmotherapie heisst einfach, Arzneien aus dem «Lebendigsten» der Pflanzen herzustellen. Dazu werden frische, einheimische Pflanzenknospen aus biologischem Anbau oder Wildwuchs in einer Alkohol-Glycerin-Lösung mazeriert (eingelegt). Diese Mazerate (Kaltwasserauszug) werden gefiltert und im Verhältnis 1:9 mit einer Alkohol-Glycerin-Lösung verdünnt. Die Knospenmazerate werden ausschliesslich in dieser Arzneiform, nie in höherer Verdünnung und immer als Einzelmittel, verordnet.
4. Belege für die Wirksamkeit
Ein Gemmotherapeutikum wirkt reinigend und ausleitend oder auch regulierend. Die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen zur Wirksamkeit gehen auf die 1950er-Jahre zurück. Seither haben eine Vielzahl pharmakologischer und analytischer Studien die Resultate aus klinischen Experimenten untermauert.
Eine Behandlung ist zum Beispiel angezeigt nach einer Infektion oder einer Antibiotikatherapie. Die Mittel regen die Bildung einer bestimmten Zellenart, der Makrophagen, an. Diese Makrophagen praktizieren die Phagozytose, das heisst, sie nehmen Fremdpartikel wie etwa Bakterien auf und bauen diese ab. Dieser Wirkmechanismus ist bereits in den 50er Jahren wissenschaftlich untersucht und belegt worden. Weitere pharmakologische und analytische Studien beispielsweise der Forscher Rolland, Binsard, Raynaud und Tetau zur Wirksamkeit der Gemmotherapie schlossen sich an.
Eine weitere nützliche Entscheidungshilfe bei der Wahl der richtigen Therapieform finden Sie in einem Leitfaden des Dachverbandes für Komplementärmedizin (Dakomed).
Dakomed-Leitfaden zum Download [433.85 KB]
5. Anwendung
Bei vielen Funktionsstörungen wie Menstruations- und Wechseljahrbeschwerden, Schlafstörungen, Magenbrennen, Allergien respektive Heuschnupfen bewirken Gemmotherapeutika eine Harmonisierung im Körper und lindern damit die Beschwerden. Sie können sowohl als Mono- wie auch als Begleittherapie eingesetzt werden und werden oft als sogenannte Booster oder Beschleuniger eingesetzt.
Die meistverwendeten Gemmotherapeutikas und gegen welche Beschwerden sie eingesetzt werden können:
- Ficus carica (Feigenbaum)
Anwendung: Magenbrennen, Warzen, depressive Verstimmung, Gastritis (Magenschleimhautentzündung), Gewichtsreduktion
- Fraxinus excelsior (Gewöhnliche Esche)
Anwendung: Gewichtsregulierung, Gicht, Verdauungsbeschwerden
- Juniperus communis (Wacholder)
- Ribes nigrum (Schwarze Johannisbeere)
Anwendung: Arthrose, Akne, Allergien, chronische Bronchitis, Migräne, Gastritis, Asthma, Ekzeme, Entzündungen, Nesselfieber, Polyarthritis (mehrere Gelenke betroffen), Prostatabeschwerden
- Rosa canina (Hagebutte)
Anwendung: Herpes (Bläschenausschlag), Arthrose, Polyarthritis, Rhinopharyngitiden bei Kindern (Entzündung des Nasenrachens)
- Rosmarinus officinalis (Rosmarin)
Anwendung: Ausleitung Leber, Gewichtsreduktion
- Rubus idaeus (Himbeere)
Anwendung: Dysmenorrhoe (Menstruationsschmerzen), Osteoporose, Wechseljahrbeschwerden
- Tilia tomentosa (Silberlinde)
Anwendung: Akne, Gastritis, Einschlafstörungen bei Kindern
- Vaccinium vitis-idaea (Preiselbeere)
Anwendung: Blasenentzündung, Wechseljahrbeschwerden, Hüftgelenkarthrose, Durchfall, Osteoporose
6. Selbstbehandlung
Gemmotherapeutika werden oft begleitend mit einer Phytotherapie oder klassischen homöopathischen Behandlung verwendet. Ein häufig angewendetes Mittel ist zum Beispiel Ribes nigrum (Schwarze Johannisbeere), welches als pflanzliches Cortison rasche Linderung bringen kann. Bei einer Blasenentzündung macht die Einnahme von Vaccinium vitis-idaea (Preiselbeere) als Ergänzung zur Tablettentherapie Sinn.
Gemmotherapeutika werden als Spray abgegeben. Sie werden vor den Mahlzeiten direkt auf die Mundschleimhaut gesprüht, schmecken angenehm süsslich und werden auch von Kindern gut toleriert. Kinder nehmen täglich drei mal ein bis zwei Sprühstösse, Erwachsene täglich drei Mal zwei bis drei Sprühstösse (im akuten Fall halbstündlich oder stündlich ein Sprühstoss). Die Mittel können in Ausnahmen kombiniert werden, es sollte jedoch immer nur ein Mittel auf einmal zur Anwendung kommen, also morgens ein anderes als mittags bzw. abends.
7. Anwender und ihre Ausbildung
Diplomierte Drogistinnen und Drogisten kennen die Wirkung der Gemmotherapeutika und deren therapeutische Anwendung. Sie wissen über Heilpflanzen Bescheid und können Sie bezüglich Inhaltsstoffe, Indikationen und allfälligen Kontraindikationen beraten.
8. Behandlung und Ablauf
In einem Diagnosegespräch ermittelt der Experte bzw. die Expertin, welches Gemmotherapeutikum gute Heilungschancen verspricht oder die gewünschte unterstützende Initialzündung für die Heilung auslösen kann. Der ausgewählte Spray wird, wie in der Spagyrik, während einem bis maximal drei Monaten eingenommen.
9. Grenzen und Risiken
Gemmotherapeutika haben Ähnlichkeit mit spagyrischen Heilmitteln und der traditionellen Phytotherapie. Man geht aber davon aus, dass Gemmotherapeutika auf Körper und Geist wirken. Die Auswahl einer Naturheilmethode basiert oft auf der persönlichen Vorliebe des Ratsuchenden. Um jedoch die Kombination verschiedener Methoden richtig abstimmen zu können, bedarf es fachlicher Beratung, weil phytotherapeutische Mittel Nebenwirkungen haben können. In Studien belegt ist jedoch die erhöhte Phagozytoseaktivität (Aktivität der Fresszellen) dank Gemmotherapeutika und in der Folge eine schnellere Ausscheidung von Beschwerden- und Krankheitserregern. Klinische Studien zeigten zudem, dass die Knospenmazerate die Blutproteinkonzentration beeinflussen können.
10. Praxistipps
Mit der Gemmotherapie erschliesst sich neben der Spagyrik, Phyto- respektive Frischpflanzentherapie und Homöopathie ein weiteres Feld von Hilfestellungen in der Behandlung hartnäckiger Beschwerden. Hilfreiche Knospen (siehe auch unter Punkt 5):
Mammutbaumknospe (Sequoia gigantea) als pflanzlicher Tranquilizer bei sämtlichen nervlichen, psychischen Störungen sowie bei Schwäche- und Altersbeschwerden. Wirkt stärkend und stressadaptierend.
Lindenblütenknospe (Tilia cordata/platyphyllos) als Ausgleichsmittel bei Schlafstörungen, Angstzuständen und überraschend eintretenden Ereignissen. Ist speziell gut geeignet für Kinder mit Unruhe und Alpträumen.
Olivenbaumknospe (Olivae europea) als Blutdruck- und Gefässmittel bei Bluthochdruck, schlechter Durchblutung und schwachen Gefässen. Kann unterstützend zu synthetischen Blutdruckmedikamenten eingenommen werden.
11. Zahlt die Krankenkasse?
Viele Krankenkassen leisten einen Beitrag an die Behandlungskosten im Rahmen ihrer Zusatzversicherungen, sofern die verschreibenden Therapeuten anerkannt sind. Nähere Informationen erhalten Sie direkt bei Ihrer Krankenkasse.
Redaktion: Nadja Mühlemann, Katharina Rederer
- Quellen
Spagyros AG Gümligen
Hans-Martin Steingassner: «Gemmotherapie-Phytotherapie-Mineralientherapie», Maudrich Verlag, 2005
Rottal Drogerie Rüegg, Ruswil (LU)