Phytotherapie
Folgende Themen werden in diesem Artikel behandelt
- 1. Definition
- 2. Philosophie
- Tausendgüldenkraut, Enzian
- Thymian, Rosmarin, Pfefferminz
- Tollkirsche, Mohn, Chinarinde
- Frauenmantel, Schwarztee, Heidelbeere
- Roter Fingerhut
- Schlüsselblume, Birkenblätter
- Königskerze, Eibisch
- 3. Plausibilität des Konzepts
- 4. Belege für die Wirksamkeit
- 5. Praktische Anwendung
- 6. Selbstbehandlung
- 7. Anwender und ihre Ausbildung
- 8. Behandlung und Ablauf
- 9. Grenzen und Risiken
- 10. Zahlt die Krankenkasse?
1. Definition
Bei der Phytotherapie (griechisch: Phyto = Pflanze, pflanzlich) handelt es sich um eine Therapie mit Heilpflanzen bei körperlichen oder seelischen Beschwerden. Die Pflanzenheilkunde ist ein wichtiger Bestandteil aller traditionellen medizinischen Anwendungen.
Die Phytotherapie ist eine der ältesten Heilmethoden überhaupt. Ihre Geschichte reicht bis in die Steinzeit zurück. Die klassische Phytotherapie wird manchmal auch als Klostermedizin bezeichnet, da im Mittelalter die Klöster pflanzenheilkundliches Wissen über Generationen weitergegeben haben. Eine alte, noch heute lebendige Tradition hat die Phytotherapie in der traditionellen chinesischen und ayurvedischen Medizin. Im europäischen Raum war es Hippokrates, der eine grosse Anzahl von Heilpflanzen kannte und beschrieb. Weitere Pioniere der historischen Pflanzenheilkunde sind unter anderen Hildegard von Bingen (um 1100) oder Paracelsus (1493–1541). Die westliche Phytotherapie entwickelte sich im Laufe der vergangenen Jahre zu einer wissenschaftlich fundierten Medizinrichtung, die von Ärzten genauso wie von Phytotherapeuten und Drogisten eingesetzt wird.
2. Philosophie
Alle Pflanzen produzieren verschiedenste (Wirk-)Stoffe in unterschiedlicher Zahl. Diese finden sich von den Wurzeln bis zu den Blüten in allen Teilen der Pflanze. Haben diese Substanzen einzeln oder in Kombination mit anderen Stoffen eine Heilwirkung auf den Menschen, so spricht man in der Fachsprache von Wirkstoffen und Wirkstoffgruppen.
Phytotherapeuten gehen davon aus, dass Wirkstoffe, die sich natürlicherweise ergänzend, eine Gesamtwirkung erzielen, die den Heilungsprozess stärker begünstigt als die Anwendung von Einzelwirkstoffen. Um eine bestimmte Mindestqualität und -konzentration zu garantieren, werden Heilpflanzen für den Handel häufig in kontrollierter Umgebung unter immer gleichen Bedingungen angebaut. Die als Heilmittel verwendeten Pflanzenteile heissen Drogen oder Teedrogen. Die Palette reicht von milden Mitteln wie Pfefferminze oder Kamille bis zu stark wirkenden, zum Teil giftigen Heilpflanzen, die nur nach Absprache mit einer medizinischen Fachperson eingenommen werden dürfen.
Die Phytotherapie arbeitet unter anderem mit industriell hergestellten (vom Schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic geprüften) Fertigarzneimitteln – den sogenannten Phytopharmaka. Um diese herzustellen, werden die Heilpflanzen-Wirkstoffe je nach Verfahren durch Einlegen in Wasser, Alkohol oder anderen Lösungsmitteln extrahiert, teilweise konzentriert, getrocknet oder anderweitig verarbeitet.
Sieben wichtige Inhaltsstoffe von Heilpflanzen
- Tausendgüldenkraut, Enzian
Inhaltsstoff: Bitterstoff
Indikationen: Stärkung des Körpers und bei nervlicher Anspannung
- Thymian, Rosmarin, Pfefferminz
Inhaltsstoff: Ätherische Öle
Indikationen: Erkältungskrankheiten, Magen-/Darmbeschwerden
- Tollkirsche, Mohn, Chinarinde
Inhaltsstoff: Alkaloide
Indikationen: Herzbeschwerden und Schmerzen
- Frauenmantel, Schwarztee, Heidelbeere
Inhaltsstoff: Gerbstoffe
Indikationen: Entzündungen, Magen-/Darmbeschwerden und kleineren Blutungen
- Roter Fingerhut
Inhaltsstoff: Glykoside
Indikation: Herzbeschwerden
- Schlüsselblume, Birkenblätter
Inhaltsstoff: Sapinine
Indikation: Husten und Störungen der Harnwege
- Königskerze, Eibisch
Inhaltsstoff: Schleimstoffe
Indikationen: Entzündungen der Atemwege und des Magen-Darm-Traktes
* Achtung: Nicht alle der genannten Heilpflanzen sind freiverkäuflich. Sprechen Sie mit Ihrem Drogisten, Ihrer Drogistin.
3. Plausibilität des Konzepts
Phytotherapie ist eine wissenschaftlich fundierte Medizinrichtung. Der Hersteller muss mit wissenschaftlichen Studien nachweisen können, ob und wie ein Phytopharmakon wirkt, damit es vom Schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic zugelassen wird. Die meisten Phytopharmaka sind frei verkäuflich und können ohne ärztliche Verschreibung gekauft werden. Nur Pflanzen mit stark wirkenden Inhaltsstoffen, bei denen die Grenze zwischen heilsamer und schädlicher Dosis schmal ist, sind rezeptpflichtig.
Eine weitere nützliche Entscheidungshilfe bei der Wahl der richtigen Therapieform finden Sie in einem Leitfaden des Dachverbandes für Komplementärmedizin (Dakomed).
Dakomed-Leitfaden zum Download [433.85 KB]
4. Belege für die Wirksamkeit
Vor allem wenn Sie selten Medikamente einnehmen sind die Erfolgsaussichten der Phytotherapie erfreulich. Für viele häufig genutzte Heilpflanzen ist die therapeutische Wirksamkeit sehr gut belegt. Da es zig Tausende von Pflanzen weltweit gibt, liegen für die weitaus grösste Zahl der Pflanzen bisher keine wissenschaftlichen Studien vor. Für einige spezielle pflanzliche Mittel gibt es nur wenige oder widersprüchliche Hinweise zur Wirksamkeit.
Von 165 Arzneipflanzen gibt es sogenannte Pflanzenmonografien der Europäischen Arzneimittelagentur EMA (European Medicines Agency). Das heisst: Deren Wirksamkeit ist wissenschaftlich belegt. Beispiele solcher Pflanzen sind:
Johanniskraut (bei Verstimmungszuständen)
Weissdornblätter mit Blüten (bei nachlassender Leistungsfähigkeit des Herzens)
Ginkgo (bei nachlassender geistiger Leistungsfähigkeit)
Traubensilberkerze (bei Wechseljahrbeschwerden)
Mönchspfeffer (bei prämenstruellen Beschwerden)
Mariendistelfrüchte (bei toxischen und chronisch entzündeten Lebererkrankungen)
Sennesblätter und -früchte (bei Verstopfung)
Sägepalmefrüchte (bei Beschwerden beim Wasserlassen)
Ein wichtiger Punkt für die Wirksamkeit ist die Qualitätssicherung: Phytopharmaka sollten möglichst standardisiert sein. Das heisst, sie müssen von ihrem Hauptwirkstoff eine garantierte Menge enthalten. Offizielle Verkaufsstellen wie Drogerien garantieren eine solche Standardisierung mit verlässlicher Qualität. Der Kauf von Phytopharmaka im Internet ist wegen der fehlenden Qualitätsgarantie nicht zu empfehlen.
5. Praktische Anwendung
So wirken Heilpflanzen auf den Menschen:
Über die Nase: Die Düfte von Blüten oder speziellen Blättern sind sehr fein dosierte Wirkstoffe, die über das Geruchsempfinden positive Reaktionen und Impulse zu Heilungsvorgängen auslösen können.
Über den Gaumen: Je nach Geschmacksempfinden (süss, salzig, bitter und sauer) werden durch entsprechende Naturheilmittel die notwendigen Verdauungsvorgänge mobilisiert. Bitterstoffe können insbesondere die Funktion von Magen, Leber und Galle positiv beeinflussen.
Über die Mundschleimhäute: Wird empfohlen Heilpflanzen oder deren Präparate einige Minuten vor dem Schlucken im Mund behalten (siehe Beipackzettel), können die Wirkstoffe direkt über die Mundschleimhäute aufgenommen werden.
Über den Stoffwechsel: Die meisten Heilmittelwirkstoffe gelangen mit der Nahrungsaufnahme über Magen und Darm in den Blutkreislauf.
Über die Haut: Die menschliche Haut ist ein kompliziertes Organ mit der Fähigkeit zu atmen, Schweiss und Giftstoffe auszuscheiden und Wirkstoffe aufzunehmen. So können pflanzliche Wirkstoffe beispielsweise über Cremen oder spagyrische Sprays über die Haut aufgenommen werden.
6. Selbstbehandlung
Die Phytotherapie wird oft zur Selbstbehandlung empfohlen. Verschieden zubereitete Heilmittel können innerlich oder äusserlich angewendet werden. Am häufigsten kommen Tees zur Anwendung. Heiltees oder Medizinaltees gelten als bewährte Hausmittel zur Vorbeugung oder Linderung von leichten Beschwerden. So empfiehlt sich etwa heisser Ingwertee bei Erkältungskrankheiten. Dies wegen der antiviralen Eigenschaften des Ingwers. Die Heilkräfte des Ingwers mildern Husten und Schnupfen; zudem helfen sie Fieber zu senken. Für einen Aufguss frischen Ingwer in Scheiben schneiden, mit heissem Wasser überbrühen und mit etwas Honig süssen. Die Drogerie führt ausserdem ein breites Sortiment an Heil- und Genusstees, die Ingwer enthalten und Abwechslung zu unseren europäischen Kräutertees bieten.
Die Möglichkeiten, die Heilkräfte der Phytotherapie zu nutzen, sind sehr vielfältig. Beispielsweise kann ein Erkältungsbad mit Eukalyptus das Atmen wirkungsvoll erleichtert, gleichzeitig werden schleimlösende Wirkstoffe über die Haut eingenommen.
Die sechs häufigsten Heilmittelformen und ihre Anwendung
Tee eignet sich sowohl zum Trinken, Spülen und Gurgeln als auch für Waschungen.
Frischsäfte bestehen frischen Pflanzenteilen und sind zum Einnehmen geeignet.
Tikturen. Dafür werden frische Pflanzen zum Beispiel in Alkohol eingelegt und nach mehreren Tagen filtriert. Tinkturen kann man einnehmen oder beispielsweise zum Bepinseln von erkrankter Haut verwenden.
Aufgüsse werden aus Kräutern hergestellt und eingen sich für Dampfinhalationen.
Wickel werden mit einem Pflanzenaufguss befeuchtet.
Fertigarznei wird zum Beispiel aus Trockenextrakten einer Pflanze in Form einer Tablette oder als Salbe, Bad oder Pulver hergestellt.
Sicherheitshinweis: Die Wahl geeigneter pflanzlicher Arzneimittel verlangt ein umfassendes Wissen und Erfahrung. Wegen möglicher Wechselwirkungen (z.B. sind bei Johanniskrautpräparaten Nebenwirkungen bekannt) sollten Sie sich vor der Selbstmedikation von einer Drogistin oder einem Drogisten beraten lassen.
7. Anwender und ihre Ausbildung
Diplomierte Drogistinnen und Drogisten kennen die Wirkung der Phytopharmaka und deren therapeutische Anwendung. Sie wissen über die wichtigsten Heilpflanzen Bescheid und können Sie bezüglich Inhaltsstoffe, Indikationen und Wechselwirkungen beraten. Bis ein Drogist, eine Drogistin ein eigenes Geschäft eröffnen darf, hat er/sie eine 8-jährige Ausbildung hinter sich. Die Ausbildung zum und das Fachwissen von Drogisten, Drogistinnen ist europaweit einzigartig.
8. Behandlung und Ablauf
Nach dem Beschreiben der Beschwerden, wird die Drogistin, der Drogist eine Beratung und eine individuelle Empfehlung für ein pflanzliches Präparat abgeben. Wie lange Sie ein empfohlenes Heilmittel einnehmen, hängt vom Krankheitsbild ab. Ein pflanzliches Präparat sollte ohne Rücksprache mit der Fachperson nicht länger als acht Wochen permanent eingenommen werden. Bei den meisten Mitteln ist nicht erforscht, wie sich eine Langzeitanwendung auswirkt.
9. Grenzen und Risiken
Mit Phytotherapie lassen sich viele Beschwerden gut behandeln. Auch zur Vorbeugung von Krankheiten ist die Pflanzenheilkunde geeignet. Leichte Beschwerden können unter Umständen allein mit pflanzlichen Heilmitteln behandelt werden, beispielsweise:
Erkältungen: Inhalation oder Einreiben mit ätherischen Ölen, Trinken von Medizinaltees
Nervosität: Baldrian, Hopfenzapfen
Kleine Wunden und Prellungen: Arnika
Verstopfung: Feigensirup
Hautprobleme: Eichenrinde
Sicherheitshinweis: Bei schweren oder chronischen Erkrankungen sollte man Pflanzenheilmittel erst nach Abklärung durch eine medizinische Fachperson (Drogist, Apotheker, Hausarzt) anwenden. Pflanzliche Arzneien enthalten natürliche Wirkstoffe und können genau wie chemisch-pharmazeutische Präparate Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten hervorrufen. Mixen Sie auf keinen Fall wahllos natürliche Heilmittel. In Kombination können Nebenwirkungen eintreten. Dosieren Sie nicht nach dem Motto «viel hilft viel» – gehen Sie auch mit pflanzlichen Naturheilmitteln sparsam um. Lassen Sie die Hände weg von dubiosen Internetangeboten. Oft werden Mixturen minderwertiger Qualität verkauft. Falls Sie Allergien gegen bestimmte Pflanzen haben, sollten Sie diese meiden. Auch in der Schwangerschaft ist erhöhte Vorsicht geboten.
10. Zahlt die Krankenkasse?
Seit Anfang 2012 werden die fünf komplementärmedizinischen Methoden Homöopathie, Anthroposophische Medizin, Neuraltherapie, Traditionelle chinesische Medizin (TCM) und Pflanzenheilkunde von der Grundversicherung der Krankenkassen übernommen. Dies aufgrund eines Entscheids des Bundesrates.
Redaktion: Katharina Rederer
- Quellen
«Drogistenstern»
Silvia Keberle, Eva Ebnöther: «Meine Gesundheit. Der Gesundheitsratgeber für die ganze Familie.» Verlag Documed, 1999