Traditionelle Chinesische Medizin
Folgende Themen werden in diesem Artikel behandelt
- 1. Definition
- 2. Philosophie
- 3. Plausibilität des Konzepts
- 4. Belege für die Wirksamkeit
- 5. Anwendung
- 6. Selbstbehandlung
- 7. Anwender und ihre Ausbildung
- 8. Behandlung und Ablauf
- Zungendiagnose
- Pulsdiagnose
- Akupunktur
- Diätetik
- Heilkräutertherapie
- Massage
- Bewegungslehre
- 9. Grenzen und Risiken
- 10. Praktische Tipps
- 11. Zahlt die Krankenkasse?
1. Definition
Die traditionelle chinesische Medizin (TCM) versteht sich als Heilkunst, deren Ursprung in China zu finden ist. Sie macht keine eindeutige Trennung zwischen Körper und Geist und setzt auf eine ganzheitliche Betrachtung des Patienten. Die Behandlung basiert auf den fünf Säulen:
Akupunktur – Nadelung inkl. Schröpfen und Moxibustion
Diätetik – Ernährungslehre
Heilkräutertherapie – Beinhaltet pflanzliche, mineralische und tierische Stoffe
Massage – Tuina, Gua Sha
Bewegungslehre – Qi-Gong
2. Philosophie
TCM ist eine der ältesten Heilkünste. Je nach Interpretation der verschiedenen Quellen ist die «Grundsteinlegung» der traditionellen chinesischen Medizin sehr variabel. Sicher ist, dass die Entwicklungsgeschichte einige Jahrtausende zurückreicht. In China wurden die Ärzte früher dafür bezahlt, dass die Bevölkerung gar nicht erst erkrankte. Primäres Ziel war also die Verhinderung und nicht die Behandlung von Krankheiten. Folglich wurden in punkto Therapie und Diagnostik ganz andere Massstäbe gesetzt, als dies in der westlichen Medizin der Fall war.
TCM versteht den Körper als ein zusammenhängendes System. In diesem sind alle Körperteile, Organe und Organsysteme durch Energiebahnen miteinander verbunden. Der Lehre nach ist ein Mensch dann gesund, wenn sich alle seine Energien in Harmonie und Gleichgewicht befinden.
Methodik: Im Verlauf der Jahrtausende entwickelten sich in der traditionellen chinesischen Medizin verschiedene Stilrichtungen, Gedanken und Ausbildungskonzepte. Allen gemeinsam ist die Vorstellung, dass im Körper eine Lebensenergie, das sogenannte Qi, fliesst. Dabei handelt es sich um energetische Prozesse, die nicht sichtbar gemacht werden können. Der Begriff Qi kommt in etwa dem westlich geprägten Ausdruck «Energiehaushalt» am nächsten. Eng verknüpft mit dem Qi ist das Polaritätsprinzip, das die Symbole Yin und Yang vereint. Sie stehen in der traditionellen chinesischen Medizin für die beiden lebenserhaltenden Kräfte und sind als Gegenpole im Körper gleichzeitig wirksam. Ihr Gleichgewicht stellt den idealen Gesundheitszustand dar. Ihr Ungleichgewicht führt zu Beschwerden und Krankheit.
Grundsatz: Erst in der vollkommenen Harmonie von Yin und Yang kann die Lebensenergie Qi entstehen und ungehindert fliessen.
Die Organe des Körpers werden ebenfalls dem Yin oder dem Yang zugeordnet. Der Begriff «Organ» meint dabei nicht nur das einzelne Organ, sondern vielmehr eine Art «Organ-Funktionskreis». Eine weitere Rolle in der TCM spielt die komplexe Auseinandersetzung mit den Zusammensetzungen oder Wandlungen der fünf Elemente Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser. Auch hier steht alles mit allem in Wechselwirkung. Hat der Therapeut anhand der Diagnostik erst einmal erkannt, wo das Ungleichgewicht zu finden ist, kann er mit der individuellen Behandlung beginnen.
Eine weitere nützliche Entscheidungshilfe bei der Wahl der richtigen Therapieform finden Sie in einem Leitfaden des Dachverbandes für Komplementärmedizin (Dakomed).
Dakomed-Leitfaden zum Download [433.85 KB]
3. Plausibilität des Konzepts
Traditionelle chinesische Medizin ist ein umfassendes weltanschauliches Konzept. Es basiert auf einem philosophischen Grundgerüst, nach dem der Mensch sowie auch seine Krankheiten und deren Ursachen Teil des Kosmos sind. In ihrem ganzen Umfang betrachtet, ist TCM für den Laien nur schwer nachvollziehbar. Erfahrungsmedizinisch gesehen, sind die Erfolge dieser fernöstlichen Heilkunst unbestritten. Obschon TCM gesundheitspolitisch nur sehr begrenzt anerkannt ist, hat sie sich im Gesundheitswesen fest etabliert. In vielen Kliniken und Arztpraxen wird komplementär zur Schulmedizin auch nach den Grundsätzen der traditionellen chinesischen Medizin behandelt.
4. Belege für die Wirksamkeit
Nach schulmedizinischen Aspekten gewichtet, ist die Wirksamkeit der traditionellen chinesischen Medizin sehr umstritten. Wirkungen werden häufig Placeboeffekten und psychologische Wirkmechanismen – wie etwa der Zuwendung des Arztes – zugeschrieben. Auch die Annahme, dass unsichtbare Polaritäten und Energien im menschlichen Körper eine grosse Rolle spielen, entzieht sich jeglicher naturwissenschaftlicher Grundlage.
Belege für die Wirksamkeit sind vor allem im Bereich Akupunktur – speziell bei Kopf-, Rücken- und Knieschmerzen – vorhanden. Aussagekräftig ist im Bereich der Wissenschaft beispielsweise die Gerac-Studie:
Ausgangslage
Im Januar 2007 wurde in Deutschland die sogenannte Gerac-Studie (German Acupuncture Trials) publiziert. Diese wurde von Krankenkassen finanziert und verglich die Wirksamkeit schulmedizinischer Therapien mit zwei verschiedenen Akupunkturbehandlungen – einer Akupunktur und einer Scheinakupunktur.
Ergebnis
Die Werte für die Scheinakupunktur waren nicht signifikant schlechter als die für die korrekt durchgeführte Nadelung. Beides war jedoch deutlich wirksamer als die Therapie nach schulmedizinischen Methoden. Kritische Stimmen zogen daraus den Schluss, Akupunktur sei eine wirksame Therapie. Die Ausbildung zum Akupunkteur könne man sich jedoch sparen, da es anscheinend unwichtig sei, wie die Nadeln gesetzt würden.
Folge
Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen bei Rücken- und Knieschmerzen eine Akupunktur-Therapie. Dies allerdings nur bei einem Schulmediziner mit Zusatzausbildung.
5. Anwendung
Traditionelle chinesische Medizin kommt sowohl bei einfachen Beschwerden wie auch bei chronischen Leiden zur Anwendung. Dies sind zum Beispiel: Migräne, Erschöpfung, Schlafstörungen, Gelenk- und Rückenschmerzen, Allergien (Heuschnupfen), Menstruationsbeschwerden, Sinusitis, Arthritis, Nieren- und Blasenbeschwerden
Ergänzend zur Schulmedizin wird TCM zudem bei schweren Organerkrankungen eingesetzt. Erfolge aus erfahrungsmedizinischer Sicht sind auch bei den «funktionellen Störungen» zu vermelden. Also bei Leiden ohne klar fassbare Grundlage. In solchen Fällen scheint die westliche Medizin eher an ihre Grenzen zu stossen.
6. Selbstbehandlung
TCM erfordert ein fundiertes Wissen und das Erkennen vieler Zusammenhänge. «Die Medikation im Rahmen der Heilkräutertherapie erfolgt sehr individuell», erklärt Erika Strahm, Drogistin sowie dipl. Akupunkteurin und Phytotherapeutin SBO-TCM. Aus diesem Grund eignet sich dieses Therapieverfahren nur bedingt zur Selbstbehandlung. Lediglich kleinere «Alltagsbeschwerden» können vom Laien behandelt werden. Darüber hinaus eignet sich das Kochen nach den fünf Elementen sowie das Ausüben von Qi-Gong-Bewegungstechniken zur Gesundheitsförderung.
7. Anwender und ihre Ausbildung
Die Kriterien zum Betrieb einer TCM-Praxis sind in der Schweiz kantonal verschieden. Als Gradmesser bezüglich Qualität und Fachkompetenz gilt die Schweizerische Berufsorganisation für Traditionelle Chinesische Medizin. Sie ist die grösste Organisation für TCM in der Schweiz und vereinigt die Mehrheit aller aktiv praktizierenden TCM-Therapeuten in allen vier Landesteilen. Die Berufsorganisation hat von verschiedenen Kantonen die Aufgabe zur Prüfung der Kompetenzen für die Erteilung der Berufsausübungsbewilligung übertragen erhalten.
Die Organisation führt keine eigenen Schulen im Bereich der TCM. Sie anerkennt aber Schulen, die die Ausbildung zum TCM-Therapeuten anbieten. Diese Schulen wurden in Hinblick auf die Stundenanforderungen überprüft. Ein SBO-TCM-Therapeut verfügt über den theoretischen Abschluss eines mindestens drei Jahre dauernden Studiums. Die Ausbildung kann in Vollzeit oder berufsbegleitend absolviert werden.
8. Behandlung und Ablauf
Die Diagnosestellung in der traditionellen chinesischen Medizin erfolgt nebst einer genauen Befragung des Patienten durch Sinneswahrnehmungen wie Sehen, Betrachten, Hören, Riechen und Betasten.
Die Ärzte achten auf die Bewegungen, die Hautfarbe, die Konstitution und den Geisteszustand eines Patienten. Augen, Nase, Lippen, Zähne, Extremitäten und Fingernägel werden genau untersucht. Durch das Hören der Stimme, der Atmung, des Hustens und durch das Riechen der verschiedenen Körpergerüche gewinnt der Therapeut weitere Informationen über den Gesundheitszustand seines Patienten. Ergänzt wird dieses umfassende Bild durch die Zungen- und Pulsdiagnose.
- Zungendiagnose
Bei der Zungendiagnose geben Form, Farbe und Beschaffenheit der Zunge sowie Art und Farbe des Zungenbelags Auskunft über das Leiden des Betroffenen. Bestimmte Oberflächenzonen der Zunge werden bestimmten Organen zugeordnet.
- Pulsdiagnose
Bei der Pulsdiagnose befühlt der Arzt mit Zeige-, Mittel- und Ringfinger die Arterien der Handgelenke. Es werden 28 Pulsqualitäten unterschieden. Anhand der Diagnose wird festgestellt, wo im Körper ein Ungleichgewicht besteht. Um ihn wieder «ins Lot» zu bringen, bedient sich TCM der fünf Säulen und ihren Kombinationsmöglichkeiten. Die Behandlungsdauer kann nicht von vornherein abgeschätzt werden, da sie sehr von den Beschwerden des Patienten abhängig ist.
- Akupunktur
Mittels Nadeln werden bestimmte Punkte, die auf den Meridianen liegen, stimuliert. Akupunktur basiert auf der Vorstellung, dass zwölf paarige Meridiane den Körper durchziehen, über die der Mensch mit der Lebensenergie Qi versorgt wird. Jedem Meridian ist ein Organ-Funktionskreis zugeordnet. Diese Nadelung soll den Energiefluss harmonisieren und so Blockaden und Schwächen lösen. In einer Akupunktur-Therapie können auch Moxibustion und Schröpfen zur Anwendung kommen.
- Diätetik
Diese Ernährungsberatung basiert auf den Elementen Wasser, Holz, Feuer, Erde und Metall. Je nach Beschwerden sollten gewisse Nahrungsmittel gemieden und andere vermehrt eingenommen werden. Mit den auf den Patienten speziell abgestimmten Ernährungsempfehlungen, bezogen auf unsere heimischen Lebensmittel, kann man sowohl Gesundheitsvorsorge als auch ein gesteigertes Wohlbefinden erreichen.
- Heilkräutertherapie
Die chinesische Kräuterheilkunde ist grundsätzlich die Domäne der chinesischen Medizin. Die natürlichen TCM-Heilmittel sind sehr wirkungsvoll und werden in heissem Wasser aufgelöst getrunken, weshalb sie bei uns fälschlicherweise auch «Chinesische Tees» genannt werden. Bei diesen Heilmitteln handelt es sich praktisch nie um vorproduzierte, fertig abgepackte Mischungen. Man erhält eine nach individuellen Bedürfnissen zusammengesetzte Rezeptur. Die Heilmittel sind oft sehr bitter im Geschmack, da viele heilkräftige Pflanzen bitter sind.
- Massage
Tuina ist eine Heilmassage, bei welcher die Akupunktur-Punkte nicht mit Nadeln, sondern mit Händen stimuliert werden. Es kommen verschiedene Massagetechniken zur Anwendung. Die Reize werden durch Drücken, Schieben, Ziehen, Pressen, Reiben, Kratzen usw. ausgeübt. Die Manipulation erfolgt sanft, aber bestimmt.
- Bewegungslehre
Qi Gong ist eine Kombination aus Atem-, Bewegungs- und Meditationsübung. Sie wird mit langsamen, fliessenden und harmonischen Bewegungen ausgeführt. Dadurch kann das Qi im Körper zum Zirkulieren gebracht werden. Somit erreicht es auch Stellen, die von einer Krankheit befallen sind. Qi Gong wird aktiviert und reguliert die Lebensenergie. Es dient vor allem der Vorbeugung und dem allgemeinen Wohlbefinden.
9. Grenzen und Risiken
Bei Klienten mit erheblichen körperlichen Beschwerden ist vor der Therapie eine schulmedizinische Abklärung angezeigt. Meist kommen die Patienten bereits mit einem ärztlichen Befund in der Tasche und suchen weitere Hilfe in der chinesischen Medizin.
In der TCM werden psychische Leiden nicht im eigentlichen Sinn behandelt, weil man von einem ganz anderen Krankheitsverständnis ausgeht. Emotionale Belastungen werden zwar als Krankheitsursache anerkannt, doch behandelt man psychische Erkrankungen über eine Harmonisierung des jeweils betroffenen Organfunktionskreises.
10. Praktische Tipps
«In der kalten Jahreszeit empfiehlt es sich, mindestens zwei warme Mahlzeiten pro Tag zu sich zu nehmen», rät Drogistin und TCM-Therapeutin Erika Strahm. Zudem sollte im Winter der Verzehr von Rohkost eingeschränkt werden. Weitere Tipps:
Kamillebad
Übergiessen Sie einen Esslöffel getrocknete Kamilleblüten mit einem viertel Liter heissem Wasser. Lassen Sie den Aufguss 10 Minuten lang ziehen. Baden Sie anschliessend den verletzten Körperteil in dem lauwarmen Sud.
Insektenstich
Lauchpaste hilft gegen Schwellungen und Juckreiz. Schneiden Sie etwas Lauch klein und verrühren Sie ihn mit Honig, sodass eine dickflüssige Paste entsteht. Geben Sie diese auf den schmerzenden Insektenstich. Dies ist besonders wirksam bei Bienenstichen. Die Mischung sollte auf gar keinen Fall gegessen werden, da sie unverträglich ist.
11. Zahlt die Krankenkasse?
Seit Anfang 2012 werden die fünf komplementärmedizinischen Methoden Homöopathie, Anthroposophische Medizin, Neuraltherapie, Traditionelle chinesische Medizin (TCM) und Pflanzenheilkunde von der Grundversicherung der Krankenkassen übernommen. Dies aufgrund eines Entscheids des Bundesrates.
- Quelle
Anna Cavelius, Alexandra Cavelius, Li Wu: «Praxisbuch Chinesische Medizin», Bassermann Verlag, 2005
Schweizerische Berufsorganisation für Traditionelle Chinesische Medizin