Akupunktur

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1. Definition

Akupunktur (Lat.: acus = Nadel, pungere = stechen) ist eine Heilmethode, die ihren Ursprung in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) hat. Dabei werden spezifische Punkte auf der Körperoberfläche (entlang der Meridiane) durch das Einstechen von Nadeln stimuliert. Dies soll einen blockierten Energiefluss regulieren und dadurch Beschwerden heilen.

2. Philosophie

Der Akupunktur liegt die Idee des Qi, einer Art universeller Kraft oder Energie, zugrunde. Das Schriftzeichen Qi setzt sich zusammen aus Dunst/Dampf und aus Reis. Wird Reis gekocht, entsteht eine feinere Substanz, der Dampf. Dies weist auch darauf hin, dass Qi seine Form verändern kann. Qi bildet die Basis für alle Erscheinungen im Universum, einschliesslich den Pflanzen, Tieren und Menschen. Dadurch hat Qi einen direkten Einfluss auf Körper und Geist. Ist die Qi-Zirkulation unzureichend, entstehen nach der chinesischen Philosophie Krankheit und Beschwerden. Die polaren lebenserhaltenden Kräfte Yin und Yang verlieren das Gleichgewicht. Die Akupunktur zielt darauf ab, dieses Gleichgewicht zwischen Yin und Yang wiederherzustellen und den Fluss der Energie zu regulieren.

Die Akupunkturpunkte liegen auf definierten Längsbahnen von Kopf bis Fuss, den sogenannten Meridianen, durch welche Qi fliesst. Aus der klassischen Akupunktur, die 361 solche Punkte kennt, haben sich mit der Zeit neue Formen entwickelt. Diese unterscheiden sich sowohl in der Durchführung (z.B. Stichtiefe, Art der Nadeln) als auch in der Anzahl Akupunkturpunkte und Meridiane.

Weitere Verfahren aus der Akupunktur sind die Akupressur genannte Massage der Punkte, sowie die Moxibustion, das Erwärmen der Punkte.

3. Plausibilität des Konzepts

Akupunktur ist in der Traditionellen Chinesischen Medizin und somit in einem umfassenden philosophischen Konzept eingebettet, welches sich auf über Jahrhunderte gesammelte Erfahrung stützt. In dieser Sichtweise sind Körper, Geist und Seele untrennbar miteinander verbunden. Krankheit ist Ausdruck davon, dass die Energie nicht frei fliessen kann. Somit setzt dieses Heilsystem an der Ursache an und nicht an den Symptomen. Erfahrungsmedizinisch gesehen verschafft Akupunktur bei zahlreichen Beschwerden Linderung oder Heilung. Die Schulmedizin hingegen hat bisher wenige Belege für die Existenz von Qi oder von den Meridianen in der organischen Struktur gefunden.

4. Belege für die Wirksamkeit

Der genaue Wirkmechanismus von Akupunktur ist noch unklar, auch wenn die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Nadeltherapie Fortschritte gemacht hat. Besonders das Verständnis der Wirkungsweise in der Schmerztherapie ist naturwissenschaftlich nachvollziehbar. Die Ergebnisse der zahlreichen Studien sind aus methodischen Gründen schwer zu vergleichen und lassen keine allgemeingültigen Schlüsse zu. Für einige Beschwerdebilder ist die Wirkung der Akupunktur aber belegt. Eine wesentliche Studie war die deutsche Akupunkturstudie gerac, die 2005 abgeschlossen wurde. Sie erteilte der Akupunktur insbesondere bei der Behandlung von chronischen Kopf- und Rückenschmerzen gute Noten.

Der naturwissenschaftliche Erklärungsansatz für die Wirksamkeit der Akupunktur kann in drei Gruppen eingeteilt werden: in eine lokale Wirkung, eine segmentale (auf Rückenmarksebene) und eine systemische Wirkung. Die lokale Wirkung umfasst eine Erhöhung der Gewebsdurchblutung, antientzündliche Effekte, sowie die Auflösung von Triggerpunkten, welches besondere Muskelschmerzpunkte sind. Bei der segmentalen Wirkung konnte eine Hemmung der Schmerzimpulse im Rückenmark nachgewiesen werden. Bei der systemischen Wirkung werden Mechanismen im Gehirn vermutet. Insbesondere die Ausschüttung von Endorphinen (körpereigenen Schmerzstillern) wird als wichtiger Mechanismus der schmerzlindernden Wirkung angesehen. Andere machen den Placebo-Effekt sowie die starke Zuwendung der Therapeutinnen zu den Patienten für die Wirkung der Akupunktur verantwortlich.

5. Anwendung

Aus erfahrungsmedizinischer Sicht anerkannt ist die Wirksamkeit der Akupunktur bei Rückenschmerzen, rheumatischen Beschwerden, Gelenkbeschwerden, Kopfschmerzen und Migräne, Menstruations- und Schwangerschaftsbeschwerden, chronischen Atemwegserkrankungen, zur Raucherentwöhnung sowie bei Allergien.

6. Selbstbehandlung

Die Akupunktur ist zur Selbstbehandlung nicht geeignet, da ein grosses Mass an Vorkenntnissen nötig ist und Akupunkturtherapeuten eine mehrjährige Ausbildung absolvieren. Skepsis ist bei Geräten angebracht, die versprechen, die Akupunkturpunkte selbständig zu finden und mit denen man die Punkte mit Laser oder Schwachstrom selbst stimulieren kann.

7. Anwender und ihre Ausbildung

In der Schweiz gibt es zwei hauptsächliche Bildungswege für Akupunkturtherapeuten, den ärztlichen und den nicht-ärztlichen. Die nicht-ärztliche Ausbildung wird in privaten Schulen absolviert, die unterschiedliche Anforderungen an ihre Absolventen stellen. Die TCM-Therapeuten und Akupunkteure organisieren sich in verschiedenen Berufsverbänden, die ihrerseits Anforderungen an Ausbildung, Praktika und Prüfungen stellen. Dabei ist die Schweizerische Berufsorganisation für Traditionelle Chinesische Medizin (SBO-TCM) die grösste Organisation für TCM in der Schweiz. Sie vereinigt die Mehrheit aller aktiv praktizierenden TCM-Therapeutinnen und -therapeuten in allen vier Landesteilen.

Als grösste Berufsorganisation im Bereich TCM nimmt die SBO-TCM verschiedene Aufgaben wahr. Zu den wichtigsten zählen die Ausbildung und Qualitätssicherung, die Information der Bevölkerung über die Methoden der TCM sowie die Forschung und Entwicklung. Bei der Wahl einer Therapeutin oder eines Therapeuten lohnt es sich, auf deren Zugehörigkeit zu einer Berufsorganisation und dem Erfahrungsmedizinischen Register (EMR) zu achten.

8. Behandlung und Ablauf

Am Beginn der Therapie stehen eine ausführliche Anamnese sowie die Inspektion der Zunge, das Ertasten des Pulses und eventuell des Bauches. Anhand dieser Informationen stellen die Therapeutinnen und Therapeuten eine Diagnose, welche dann die Auswahl der Akupunkturpunkte vorgibt.

Je nach Beschwerden stechen Akupunkteure und Akupunkteurinnen die dünnen Nadeln an bestimmten Akupunkturpunkten entlang der Meridiane in die Haut. Dabei gibt es Punkte, die sich direkt an der erkrankten Stelle befinden, und solche mit Fernwirkung, die vom erkrankten Körperteil weit entfernt sein können. Die Stichtiefe und der Einstichwinkel unterscheiden sich anhand der Beschwerden aber auch aufgrund verschiedener Therapieschulen. Die Nadeln können direkt entfernt werden oder verbleiben rund 10 bis 30 Minuten im Körper. Der Patient liegt dazu in einer stabilen und ruhigen Position auf einer Liege. Die Therapie wird je nach Beschwerdeart ein- bis dreimal wöchentlich durchgeführt in der Regel insgesamt bis zu zehnmal hintereinander. Bei chronischen Beschwerden können es aber auch deutlich mehr Sitzungen sein.

9. Grenzen und Risiken

Die Akupunktur wird hierzulande meist als Ergänzung zur westlichen Medizin gesehen. Während sie bei gewissen Beschwerdebildern auch als alleinige Therapie zur Anwendung kommt, gibt es Krankheiten, bei welchen von einer Akupunktur abzuraten ist. Dazu gehören akute, lebensbedrohliche Erkrankungen, Krankheiten, bei denen sofort operiert werden muss, sowie schwere neurologische oder psychiatrische Erkrankungen. Desweiteren ist Vorsicht angebracht bei einer erhöhten Blutungsneigung sowie bei Schmerzen oder Schädigungen an der Haut. Die Akupunktur ist ebenso wenig Ersatz für eine schulmedizinische Behandlung bei ernsthaften Erkrankungen, insbesondere bei Tumoren, kann aber als Ergänzung sinnvoll sein.

Mit unerwünschten Nebenwirkungen müssen Patientinnen und Patienten bei der Akupunktur in der Regel nicht rechnen. Da die anerkannten Therapeuten nur sterile Einwegnadeln verwenden, ist eine Ansteckung mit blutübertragbaren Krankheiten wie etwa Hepatitis B, Hepatitis C und dem HI-Virus ausgeschlossen.

Andere Nebenwirkungen sind gelegentlicher Schwindel, Müdigkeit, Taubheitsgefühle, eine Erstverschlimmerung der Symptome oder leichte Schmerzen oder kleine Blutergüsse an den Einstichstellen. In sehr seltenen Fällen kann es zu Hautinfektionen oder der Verletzung von inneren Organen kommen. Tritt bei Patientinnen und Patienten nach drei bis fünf Sitzungen keine Besserung ein, ist es ratsam, die Akupunkturtherapie abzubrechen.

10. Praktische Tipps

Patientinnen und Patienten sind gut beraten, sich bei den Berufsorganisationen über die Akupunktur zu informieren.

11. Zahlt die Krankenkasse?

Viele Krankenkassen leisten einen Beitrag an die Behandlungskosten im Rahmen ihrer Zusatzversicherungen, sofern die nicht-ärztlichen Therapeutinnen und Therapeuten anerkannt sind. Nähere Informationen erhalten Sie direkt bei Ihrer Krankenkasse.

Autorin: Franziska Linder
Quellen
  • Krista Federspiel und Vera Herbst: «Die Andere Medizin. Alternative Heilmethoden für Sie bewertet.» Stiftung Warentest, Berlin, 2005

  • Silvia Keberle, Eva Ebnöther: «Meine Gesundheit. Der Gesundheitsratgeber für die ganze Familie.» Verlag Documed, 1999

  • Bernhard Dudler: sbo-tcm.ch

  • gerac.de

  • gesundheit.de