Kampf dem Stimmungstief
Fühlen Sie sich matt, lustlos und niedergeschlagen? Dann sollten Sie den Ratschlag von Experten befolgen: Tun Sie sich etwas Gutes.
Kaum ziehen im Herbst die ersten Nebelschwaden übers Land, sind Zeitungen und Zeitschriften wieder voller guter Ratschläge gegen den «Winterblues», die «Trübsal im November» und die «Herbstdepression». Es gibt viele Namen für den Zustand, wenn das Gemüt schwer ist und düstere Gedanken im Kopf herumkreisen. Betroffene fühlen sich traurig, schlapp und kraftlos. Die Symptome beginnen im Herbst und verschwinden im Frühling.
Kürzere Tage sind schuld
Als Grund für das Tief im Winter gilt ein Mangel an Tageslicht. Die Sonne scheint in der kalten Jahreszeit morgens später und geht abends früher unter. Arbeitstätige sehen sie oft den ganzen Tag nicht, weil sie sich drinnen aufhalten. Das Lichtdefizit bringt bei manchen Menschen die innere Uhr aus dem Takt. Licht und Dunkelheit steuern die Produktion des Schlafhormons Melatonin und des Botenstoffs Serotonin. Dieser beeinflusst das Gefühlsleben. Im Volksmund ist Serotonin bekannt unter dem Begriff «Glückshormon». Im Winter zirkuliert tagsüber mehr Melatonin und weniger Serotonin im Körper. Betroffene, die auf die kürzeren Tage empfindlich reagieren, fühlen sich deshalb dauermüde und würden sich am liebsten in den Winterschlaf verabschieden. Genau so, wie es viele Tiere tun.
Produktionsdruck wie bei Hühnern
Doch der Mensch muss funktionieren, entgegen seines natürlichen Rhythmus'. Wie Legehennen. Werden die Tage kürzer, schlafen sie länger – und legen weniger Eier. Kunstlicht in den Hühnerställen hält die Eierproduktion aufrecht. Mit der Folge, dass die Hühner nach rund einem Jahr ausgelaugt sind und nicht mehr rentieren. Darüber muss Hansjörg Znoj, Psychologe an der Universität Bern, zwar lachen. Doch den Vergleich hält er für so falsch nicht: «Auch Menschen brauchen Zeit, um sich nach hektischen Phasen zu regenerieren.» Stattdessen sei man gezwungen, den Winter künstlich zu überwinden. Znoj: «Wer länger als zwei Monate an niedergedrückter Stimmung leidet, sollte zum Arzt.» Denn in wenigen Fällen kann sich aus einem «Winterblues» eine behandlungsbedürftige Winterdepression entwickeln, in der Fachsprache SAD genannt. Die Übergänge sind fliessend.
Erhöhtes Schlafbedürfnis
Schwere Depressionen zeichnen sich aus durch ein düsteres Selbstbild mit tiefer Niedergeschlagenheit bis hin zu völliger Verzweiflung mit Suizidgedanken. Für Betroffene ist das Leben grundsätzlich nicht mehr lebenswert. Sie sind freudlos, leiden unter Schlaflosigkeit, sie grübeln, haben keinen Appetit und sind in ständiger Angst. Diejenigen mit einer Winterdepression haben ähnliche Stimmungsveränderungen, nur die Begleitsymptome sind umgekehrt: Ihr Schlafbedürfnis ist grösser. Sie schlafen zwar länger, «aber es ist kein erholsamer Schlaf», sagt Hansjörg Znoj. Typisch seien auch Heisshungerattacken mit Lust auf Süssigkeiten. «Weil sie sich lieber zuhause einigeln und weniger bewegen als sonst, legen sie unweigerlich Fettpolster an.» Auch das ist nicht gerade stimmungsfördernd. Die Diagnose Winterdepression erstellt und behandelt der Arzt.
Lichttherapie ist hilfreich
Die gute Nachricht ist, dass sich sowohl die saisonale Winterdepression als auch der «Winterblues» mit einfachen Mitteln bekämpfen lassen: Starkes Licht von speziellen Therapielampen hebt die Stimmung in den meisten Fällen oft rasch. Das zeigen inzwischen mehrere Studien. Für Fachleute wie Anna Wirz-Justice vom Zentrum für Chronobiologie an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel ist «Licht die Therapie der Wahl». Die Beleuchtungsstärke der Lampen soll zwischen 7000 und 10'000 Lux betragen. Zum Vergleich: An einem hellen Sommertag scheint die Sonne mit 100'000 Lux. Bei bedecktem Himmel im Winter sind es immer noch 3500, während die Lichtstärke in Büroräumen und Wohnzimmern zwischen 50 und maximal 500 Lux beträgt. «Die Lichttherapie ist besonders wirksam, wenn sich Patienten täglich 30 bis 60 Minuten vor die Lampe setzen», so Wirz-Justice. Der Vorteil: Die Therapie lässt sich problemlos zu Hause durchführen. Es empfiehlt sich aber, zuvor den Hausarzt aufzusuchen. Denn bei manchen Augenkrankheiten ist Vorsicht geboten. Ebenso können Wechselwirkungen mit bestimmten Medikamenten auftreten. Es ist nicht unbedingt nötig, sich gleich selber eine Therapielampe zu kaufen. In vielen Drogerien kann man sie auch mieten.
Täglich an die frische Luft
Noch besser als künstliches Licht ist allerdings viel Bewegung an der frischen Luft. «Zwingen Sie sich, jeden Tag und bei jedem Wetter hinaus zu gehen», sagt der Berner Psychologe Znoj. Das wirke sogar vorbeugend. Auch mit einer guten Schlafhygiene ist viel zu erreichen. Nutzen Sie das Bett wirklich nur zum Schlafen. Essen und lesen Sie nicht darin. Genauso wie die Fröhlichkeit gehört es auch zum Leben, hin und wieder schlecht gelaunt zu sein. Gerade in der hektischen Zeit vor Weihnachten «dürfen Sie sich ruhig mal der Melancholie hingeben», sagt Hansjörg Znoj. Sein Ratschlag: «Gönnen Sie sich ganz bewusst etwas, das Ihnen gut tut.»
Kräutertee, ätherische Öle und mehr
Drogist Stephan Vögeli weiss, womit sich Menschen etwas Gutes tun können. Um gegen den «Winterblues» anzugehen, hat er gleich mehrere Vorschläge parat: «Ich empfehle oft eine Teemischung aus Kräutern, die die Nerven stärkt, die Organe unterstützt und die Stimmung hebt.» Dazu gehören Johanniskraut, Minze, Haferstroh, Melisse, Lavendel und Silbermänteli. Nach Vögelis Erfahrung leiden mehr Frauen als Männer unter Stimmungstiefs im Winter. Für diese fügt er der Teemischung zusätzlich Ginsengwurzel hinzu. Bewährt hat sich laut Vögeli auch die Aromatherapie mit ätherischen Ölen. «Als Duft erlebt man den Wirkstoff der Pflanzen ganz anders als etwa beim Tee», sagt er. «Über das Sinnesorgan Nase erfahre ich die Einzigartigkeit der Kräuter.» Als Stimmungsaufheller der ersten Wahl gelten die ätherischen Öle von Zitrusfrüchten. Stephan Vögeli nennt Bergamotte, Grapefruit, Orange, Neroli und Petit Grain. Für die Kleinen empfiehlt er Mandarine. «Diesen Duft mögen alle Kinder.» Lavendel wirke entspannend und Weihrauch vermittle ein Gefühl der Geborgenheit.
Duft im Lämpchen oder Bad
Die ätherischen Öle kann man auf verschiedene Arten einsetzen. Als Raumduft in Duftämpchen oder elektrischen Aromaverneblern. Diese Geräte haben den Vorteil, dass die ätherischen Öle nicht erhitzt werden und dadurch der Duft unverändert bleibt. Erhältlich sind die Öle auch als Spray. Noch intensiver lassen sich Düfte als Bad erleben. Dann wirken sie auch über die Haut. Fertige Duftbäder stehen in Drogerien im Angebot. Man kann sie aber auch selber machen. Stephan Vögeli erklärt: «Geben Sie einige Tropfen in einen Esslöffel voll Rahm oder Kaffeerahm und giessen Sie das Gemisch ins warme Badewasser.» Der Rahm fungiert als natürlicher Emulgator. Ohne ihn würde das Öl nur auf der Wasseroberfläche schwimmen. Die Haut könnte es nicht aufnehmen.
Spagyrik und Schüssler Salze
Stephan Vögeli berät in seiner Drogerie Menschen, deren Stimmungsschwankungen die verschiedensten Ursachen haben. «Im Gespräch finde ich meistens heraus wo der Schuh drückt», sagt er. Besonders Geplagten empfiehlt er gerne eine Mischung aus Spagyrischen Essenzen mit Johanniskraut, Taigawurzel, Melisse, Schöllkraut, Kava - Kava, Hafer und Bärlapp. Diese unterstützt die Leberfunktion, stärkt die Nerven und hebt die Stimmung. Auch die Verdauung bezieht er mit ein. «Wenn ich Bauchweh habe, ist auch die Laune schlecht.» Wem Verstopfung und Durchfall die Freude am Essen und die Stimmung vergällen, dem könne womöglich eine Darmsanierung Linderung verschaffen. Schüssler-Salze gehören ebenfalls zu Vögelis Repertoire. Wer sich im Winter besonders schlapp fühlt, dem rät er zur sogenannten Biochemischen Energieschaukel. Sie besteht aus den Salzen Nr. 2, 5 und 7. Einzunehmen in dieser Reihenfolge am Morgen, Mittag und Abend. Die 2 stärke den Aufbau, die 5 fördere die Durchhalteenergie und die Verdauung. Nr. 7 helfe, abends zu regenerieren und entspanne. Je 3 Tabletten vor dem Essen im Mund zergehen lassen.
Zeit für sich gibt Energie
Drogist Stephan Vögeli und Psychologe Hansjörg Znoj sind sich einig: Wem im Winter die düsteren Tage aufs Gemüt drücken, soll sich Zeit für sich nehmen. «Nichts tun hilft am wenigsten», sagt Vögeli. Wer sich kraftlos fühle, solle trotzdem aktiv sein. Vögeli weiss, wovon er spricht. Er hatte selber eine Zeit erlebt, wo ihm die Energie abhanden gekommen war. Die Lösung: «Ich habe ein Gesangsquartett gegründet.» Singen habe ihn wieder belebt.