Spagyrik

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1. Definition

Die Spagyrik ist ein ganzheitliches Naturheilverfahren, das auf den Grundprinzipien der Alchemie aufbaut. Alchemisten wollten nicht aus Silber Gold herstellen, wie gerne behauptet wird, sie suchten Wege, um aus Pflanzen das Wirkungsvollste, die therapeutisch anwendbaren Wirkstoffe, zu gewinnen. Spagyrik basiert auf folgendem Prinzip: Aus einem natürlichen Ausgangsstoff wird in mehreren Laborschritten ein feinstoffliches, energetisch hochaktives Heilmittel gewonnen. Dieses wirkt regulierend auf die Steuerungsprozesse des Organismus ein.

2. Philosophie

Die Alchemie geht davon aus, dass alles, was existiert, und jeder Lebensprozess Ausdruck der unsichtbaren Lebenskraft ist. In dieser Lebenskraft sind die Prinzipien «Sal» (Körper), «Sulfur» (Seele) und «Mercurius» (Geist) wirksam. Sal steht für das materialistische Prinzip, Sulfur für das feinstoffliche und Mercurius für das belebende Prinzip, das ständig zwischen Sal und Sulfur verbindet und vermittelt. Auf der Ebene der Pflanzen entspricht Sal dem Salz bzw. dem mineralischen Körper der Pflanze, Sulfur repräsentiert die ätherischen Öle und Aromastoffe und somit die individuelle Seele der Pflanze. Mercurius symbolisiert die Trägersubstanz.

Er ist gesund, wenn diese drei «alchemistischen Prinzipien» im Einklang sind. Herrscht hingegen Disharmonie, können spagyrische Essenzen gezielt eingesetzt werden, um die Balance wiederherzustellen.

Die Herstellung spagyrischer Heilmittel erfolgt in folgenden Schritten und basiert auf Vereinen (griech.= ageiro) und Trennen (griech. = spao):

  • Zuerst wird das Ausgangsmaterial zerkleinert und mit Hilfe von Hefe einer Gärung unterzogen.

  • Die vergorene Masse, die bereits eine aromatische Duftnote besitzt, wird schonend destilliert.

  • Der verbleibende Pflanzenrückstand, die sogenannte Maische, wird anschliessend erhitzt und verascht.

  • Danach wird die Asche mit dem Destillat in der sogenannten spagyrischen Hochzeit vereinigt. Durch den Einbezug der Asche enthält die spagyrische Essenz auch Spurenelemente und Mineralstoffe wie Magnesium, Kalium, Kalzium, usw.

  • Das Trennen und wieder Vereinen des Materials im Herstellungsprozess führt laut Spagyriker zu aufgeschlossenen, von Ballast befreiten Heilmitteln mit stärkerer Wirkkraft.

3. Plausibilität des Konzepts

Spagyrik ist ein sehr altes Heilverfahren. Zu den grossen Spagyrikern gehörte unter anderem im Mittelalter der Arzt Paracelsus (1493–1541). Bekannte Nachfolger waren der homöopathische Arzt Carl-Friedrich Zimpel (1801–1879), Theodor Krauss (1864–1924) oder Alexander von Bernus (1880–1965). Die Herstellungsverfahren variieren zum Teil. Experten gehen davon aus, dass spagyrische Heilmittel aufgrund ihrer Ganzheitlichkeit am selbstregulierenden System des Organismus ansetzen und so viele akute und chronische Beschwerden positiv beeinflussen – sowohl auf körperlicher als auch auf seelisch-geistiger Ebene. Durch die Wiederherstellung des natürlichen Gleichgewichts hilft Spagyrik, Beschwerden zu überwinden statt zu verdrängen.

4. Wirksamkeit

Spagyrische Zubereitungen gehören zu den beliebtesten, wirksamsten und verträglichsten pflanzlichen Arzneimitteln. Unerwünschte Wirkungen sind ganz selten. Die Mittel enthalten zudem weniger Alkohol als beispielsweise Tinkturen. Weil bei der Anwendung nur wenige Sprühstösse eingenommen werden, ist die jeweils verabreichte Alkohol-Dosis relativ klein.

Speziell an spagyrische Mitteln ist zudem, dass Experten wie Drogisten die Substanzen häufig vor Ort für jede Person individuell ausgewählen und mischen. Oft nach einer umfassenden Befragung zum Befinden des Patienten. Eine Mischung kann sich aus bis zu sieben Substanzen zusammensetzen. So können viele Beschwerden zielgerichtet behandelt werden.

5. Praktische Anwendung

Spagyrische Essenzen haben sich bei vielen chronischen und akuten Beschwerden bewährt. Sie können dabei sowohl als eigenständige Therapie wie auch als Begleittherapie etwa zu einer homöopathischen oder konventionellen schulmedizinischen Behandlung eingesetzt werden. Häufig verwendete Mischungen bei folgenden Indikationen:

Halsschmerzen

Spagyrische Essenzen Arnica, Belladonna (Tollkirsche), Propolis (Bienenkittharz) und Phytolacca (Kermesbeere) hemmen Entzündungen; Tropaeolum (Kapuzinerkresse) wirkt antibiotisch.

Rheumatische Beschwerden

Rhus toxicodendron (Giftsumach), Cardiospermum (Herzsamen) und Propolis lindern Entzündungen und Schmerzen; Mandragora (Alraune) und Colocynthis (Koloquinte) wirken sich positiv auf das Nervensystem aus.

Nervöse Spannungszustände

Hypericum (Johanniskraut), Melissa (Melisse), Piper methysticum (Rauschpfeffer), Humulus lupulus (Hopfen) und Mandragora (Alraune) entkrampfen und wirken aufbauend.

Nieren-/Blasenbeschwerden

Solidago (Goldrute), Berberis (Sauerdorn) und Sarsaparilla (Stechwinde) stärken die Niere; Thuja (Lebensbaum) entgiftet; Equisetum (Schachtelhalm) lindert unwillkürlichen Harnabgang.

Kreislaufstörungen

Arnica regt Kreislauf an; Rauwolfia (Rauwolfie) und Viscum album (Mistel) gleichen Bluthochdruck aus; Lavandula (Lavendel) beruhigt und stärkt; Piper methysticum (Rauschpfeffer) harmonisiert die Psyche.

Hautausschlag

Viola tricoloris (Stiefmütterchen) und Sarsaparilla (Stechwinde) regen den Stoffwechsel an; Cardiospermum (Herzsame) wirkt antiallergisch; Propolis (Bienenkittharz) und Vinca minor (Immergrün) unterstützen die Wundheilung.

Wechseljahrbeschwerden

Cimicifuga (Traubensilberkerze), Humulus lupulus (Hopfen) und Pulsatilla (Kuhschelle) regulieren das Hormonsystem; Punica (Granatapfel) regt Geschlechtsdrüsen an; Hypericum (Johanniskraut) stärkt die Psyche.

6. Selbstbehandlung

Spagyrische Arzneimittel eignen sich für die Selbstmedikation und Prophylaxe. Sie werden vom Körper besonders gut über die Mundschleimhaut aufgenommen und deshalb in Spray-Form verabreicht. Man sprüht die Essenz in den Mund und behält sie eine Weile dort. Die Wirkstoffe gelangen direkt in den Blutkreislauf. Lokale Erscheinungen wie Gelenkschmerzen oder Prellungen können zusätzlich äusserlich behandelt werden. Sprühen Sie jedoch niemals in offene Wunden!

Spagyrische Essenzen sind auch für Säuglinge, Kleinkinder und Schwangere geeignet. Bei Kindern kann die Essenz in die Ellbeuge oder auf die Bauchdecke gesprüht und fein einmassiert werden. Bei einer durchschnittlichen Dosierung (täglich drei mal drei Sprühstösse; im akuten Fall halbstündlich oder stündlich ein Sprühstoss) werden pro Einnahme 0,06g Ethanol zugeführt. Eine Flasche Spray mit 50ml reicht für etwa dreissig bis fünfzig Tage. Gute Erfolge zeigen spagyrische Essenzen auch bei Tieren.

7. Anwender und ihre Ausbildung

Diplomierte Drogistinnen und Drogisten kennen die Wirkung der spagyrischen Essenzen und wissen, wie Sie sie anwenden sollten. Sie können Sie bezüglich Inhaltsstoffe und Indikationen gut beraten.

8. Behandlung und Ablauf

In einem Diagnosegespräch ermittelt der Experte oder die Expertin aus einem Schatz von mehreren Hundert verarbeiteten Pflanzen das richtige Arzneimittel. Dieses sollten Sie bei Bedarf über einen längeren Zeitraum täglich einnehmen, maximal zwei bis drei Monate.

9. Grenzen und Risiken

Spagyrische Essenzen haben kaum Nebenwirkungen. Einzig die ätherischen Öle können schlimmstenfalls eine allergische Reaktion auslösen. Wechselwirkungen mit anderen Heilmitteln sind nicht bekannt. In seltenen Fällen können sich die Symptome zu Beginn der Behandlung vorübergehend verschlechtern.

10. Praxistipps

Individuell zusammengestellte spagyrische Mischungen wirken laut dem Solothurner Drogisten Anton Löffel besonders gut bei Nervenproblemen, Schlafstörungen, Unruhe, Schmerzen, Rheuma, Husten, Grippe, Schnupfen oder Hautekzemen. Also immer dann, wenn die Psyche mitspielt. Zusätzlich können spagyrische Essenzen die Ausscheidungsfunktionen des Körpers gezielt anregen und so mithelfen, den Körper zu entgiften. Weil die Seele der Pflanze miteinbezogen wird, unterstützen spagyrische Heilmittel auch die Wiedereinbettung in den natürlichen Lebensrhythmus, etwa bei Wechseljahrbeschwerden oder Schlafstörungen.

Autor: Jürg Bareiss, Vanessa Naef
Redaktorin: Vanessa Naef
Quelle
  • Drogistenstern

  • Buch «Pflanzen-Spagyrik – Grundlagen, Anwendung, Arzneimittelbilder, Indikationen» von Hans-Josef Fritschi, Manfred Meier, Heidak-Verlag, 2016

  • Buch «Praxis Spagyrik – Nach Alexander von Bernus» von Christina Casagrande, Haug Verlag, 2014