Sport bei Übergewicht

Sport macht Spass. Auch Menschen, die stark übergewichtig sind. Wichtig sind die richtige Sportart – zum Beispiel Wandern – das richtige Tempo und das richtige Mass.

Adipositas-Patientinnen und -Patienten, also Menschen mit starkem Übergewicht, tun sich oft schwer damit, regelmässig Sport zu treiben. Dabei wäre gerade für sie Bewegung besonders wichtig, da das Übergewicht ihren Körper stark belastet. Eine gute Muskulatur zur Unterstützung wäre deswegen nötig. Ausserdem hilft Sport neben einer gesunden, ausgewogenen Ernährung beim Abnehmen.

Die passende Sportart

Tonia Kortmann, diplomierte Sportwissenschaftlerin und Leiterin des Bewegungsprogramms innerhalb des multidisziplinären Therapie-Angebots für Adipositas-Patienten am Inselspital Bern empfiehlt «Sportarten, bei denen das Körpergewicht getragen wird». Das sind zum Beispiel Velo fahren oder Bewegung im Wasser. «Diese Sportarten ermöglichen ein Training in ausreichender Intensität und schonen gleichzeitig die Gelenke. Im Wasser sind eventuell vorhandene Schmerzen wie Rücken- oder Gelenkschmerzen ausgeschaltet oder wesentlich weniger ausgeprägt als an Land». Geeignet sind grundsätzlich alle Sportarten, die gelenkschonend durchgeführt werden können. Das sind zum Beispiel Nordic Walking, Walking oder auch das Training in einem Fitnessstudio.

Eher ungeeignet für Übergewichtige ist Sport mit vielen «Stop-and-Go-Bewegungen» wie Ballspiele. «Denn sie können die Gelenke und auch das Herz-Kreislauf-System extrem belasten». Kortmann schränkt jedoch ein: «'Verboten' sind diese Sportarten aber nicht, denn je nach Alter oder Vorerfahrung können auch diese durchgeführt werden. Sicherlich sind sie aber für stark übergewichtige Sportneueinsteiger eher tabu.»

Krafttraining, Ausdauer und Bewegung im Alltag

Sport ist nicht gleich Sport. Viele glauben, nur durch Ausdauersport fit zu werden, andere setzen voll auf Krafttraining. Kortmann empfiehlt eine Mischung, zusammen mit mehr körperlicher Aktivität im Alltag.

  • Krafttraining hat viele positive Effekte. «Das Ziel ist, die Körperzusammensetzung zu verändern. Das heisst, Fettmasse zu reduzieren und dafür mehr Muskelmasse aufzubauen. Dadurch steigt der Grundumsatz und der Körper verbrennt auch in Ruhe mehr Kalorien, den ganzen Tag lang.» Zudem stützen die Muskeln die stark beanspruchten Gelenke und beugen vielen Beschwerden wie zum Beispiel Rücken- oder Knieschmerzen vor.

  • Ausdauersport stärkt das Herz-Kreislauf-System und wirkt positiv auf die Gesundheit. «Neben dem Kalorienverbrauch kann mit einem gesunden Ausdauertraining beispielsweise ein hoher Blutdruck gesenkt und der Cholesterinspiegel oder ein Diabetes Typ 2 verbessert werden.»

  • Alltagsbewegung ist ein wichtiger Bestandteil bei der Gewichtsabnahme: «Der Alltag findet jeden Tag statt, Sport dagegen meist nur 1 bis 3 Mal pro Woche für etwa eine Stunde. Sie können also in der Summe der Alltagsaktivitäten viel herausholen und so zu einem dynamischeren Lebensstil gelangen.» Als nützliches und motivierendes Hilfsmittel empfiehlt Kortmann einen Actometer (Schrittzähler), der die Schritte pro Tag zählt. Sie sollten zuerst während einer Woche beobachten, wie viele Schritte pro Tag Sie im Durchschnitt machen. Setzen Sie sich dann zum Ziel, die Schrittzahl um ca. 2000 Schritte pro Tag zu erhöhen.

Allein oder unter Aufsicht trainieren?

Ob Sie lieber alleine trainieren oder sich von einer Fachperson beraten lassen, ist Geschmackssache. Kortmann hält eine Einweisung für sportlich unerfahrene Menschen für durchaus sinnvoll, aber «jeder sollte für sich herausfinden, welche Art von Sport ihn motiviert.» Stellen Sie sich folgende Frage: Ist es das Training in einer Gruppe (vielleicht sogar von Gleichgesinnten) oder möchte man lieber allein bestimmen können, wann und wie häufig man trainiert? Möchte man an der frischen Luft Sport treiben oder hält einen das Wetter eher vom Training ab?

Mehrmals pro Woche

Ist der richtige Sport erst einmal gefunden gilt es, ihn regelmässig zu betreiben. Fachleute empfehlen 3 bis 5 Trainingseinheiten pro Woche. Kortmann schränkt aber ein: «Das ist für Personen, die dem Sport nicht sehr zugeneigt sind, etwas viel verlangt und kann auch abschrecken. Realistisch ist für die meisten 1 bis 2 Mal pro Woche zu trainieren.» Das Training sollte möglichst nicht an zwei aufeinanderfolgenden Tagen stattfinden. Und «dazwischen sollte die erhöhte Alltagsaktivität liegen. Dazu zählen auch Spaziergänge in die Stadt oder eine Velotour zum Einkaufen.»

Grundsätzlich gilt: Lassen Sie es langsam angehen. Kortmann: «Leider fangen viele höchst motiviert, aber zu intensiv mit dem Training an, wenn sie den Entschluss gefasst haben abzunehmen. Wer aber zu schnell zu intensiv trainiert, lässt dem Körper nicht genug Zeit, sich den Veränderungen anzupassen und fällt zudem bald in ein Motivationsloch.» Setzen Sie sich realistische Ziele und beginnen Sie mit einem moderaten Training 1 bis 3 Mal pro Woche. Je nach Leistungsfähigkeit sollten Sie ca. 30 Minuten Bewegung durchhalten können, ohne sich danach komplett erschöpft zu fühlen. Ist jemand eher schwach, kann er zuerst ein Intervalltraining durchführen. Intervalltraining bedeutet, intensiveres und weniger intensiveres Training abzuwechseln. Also zum Beispiel 3 Minuten sprinten und 3 Minuten gehen im Wechsel. «Versuchen Sie aber trotzdem, 30 Minuten durchzuhalten», rät Kortmann.

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Sport allein reicht nicht

Sport können alle treiben, die Lust dazu haben. Zum Arzt muss man vorher nicht, wie Kortmann sagt. Aber wenn Sie «schon sehr lange übergewichtig sind und mittleren oder höheren Alters, kann ein Belastungstest nicht schaden. So gehen Sie sicher, dass keine Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder andere Risiken vorliegen. Auch wenn Sie Schmerzen haben, sollten Sie Ihren Arzt fragen.»

Für alle anderen gilt: rein in die Sportschuhe. Erwarten Sie aber nicht zu rasch zu viel. Und vergessen Sie die gesunde Ernährung nicht, rät Kortmann: «Alleine mit Sport ist es schwer, langfristig Gewicht zu verlieren. Mehr Bewegung zusammen mit kalorienreduzierter Kost verspricht den grössten Erfolg. Es ist sogar besser, wenn man nicht zu schnell zu viel Gewicht verliert, denn sonst droht der gefürchtete Jojo-Effekt. Besser, man versucht ca. 1 bis 2 Kilo pro Monat zu verlieren, aber dafür über längere Zeit.»

Autorin und Redaktion: Bettina Epper