Schmerz: Alarmsignal des Körpers
Schmerz ist eine sinnvolle Erfindung der Natur. Er warnt vor Krankheiten und macht auf Verletzungen aufmerksam. Für rund 1,2 Millionen Menschen in der Schweiz ist er jedoch ständiger Begleiter.
Eine exakte Antwort auf die Frage, was Schmerz ist, gibt es nicht. Schmerzen sind unangenehm und werden von jedem Menschen individuell stark empfunden. Eines haben alle Schmerzarten jedoch gemeinsam: Sie deuten auf eine drohende Gefahr im Körper hin. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn sich eine Blinddarmentzündung nicht durch Schmerzen ankündigte oder ein Beinbruch unbemerkt bliebe.
Wie der Schmerz entsteht
Um dem Begriff Schmerz ein «Gesicht» zu geben, sprechen Wissenschaftler von einer «physisch und emotional unangenehmen Erfahrung». Ob ein kleines Wehwehchen oder ein gewaltiger K.o., der Schmerzmechanismus ist immer derselbe. Die im ganzen Körper verteilten Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) nehmen einen Schmerzreiz wahr. Dieser erfolgt beispielsweise beim Berühren einer heissen Herdplatte und wird zum Rückenmark weitergeleitet. Das Rückenmark löst anschliessend einen Schutzreflex aus – damit beispielsweise die Hand blitzartig von der heissen Herdplatte zurückgezogen wird. Danach gelangen die Schmerzsignale ins Gehirn, wo sie als Erfahrung gespeichert werden.
- Oberflächenschmerz
Oberflächenschmerz wird durch die Schmerzrezeptoren auf der Haut ausgelöst. Wird zu Beginn als scharf beschrieben und kann gut lokalisiert werden, ehe er später dumpf und schlecht lokalisierbar ist.
- Tiefenschmerz
Tiefenschmerz wird aus dem Inneren des Körpers wahrgenommen. Der Schmerz lässt sich oft nicht genau orten, da er auf umliegendes Gewebe ausstrahlt. Rücken-, Kopf- und Gelenkschmerzen zählen zu dieser Schmerzart.
- Eingeweideschmerz
Eingeweideschmerz ist ein Bindegewebeschmerz, der häufig mit Krämpfen verbunden ist. Kann sich als diffuser Bauchschmerz äussern (Blinddarmentzündung) oder in Form von Koliken (Darm-, Nieren- oder Gallenkolik).
- Neuropathische Schmerzen
Bei neuropathischen Schmerzen sind die Nerven selbst die Schmerzquelle. Im akuten Stadium einer Erkrankung kann es zu einer Schädigung des betroffenen Nervs kommen, die selbst dann bestehen bleibt, wenn die Krankheitssymptome längst abgeklungen sind. Der Nerv produziert selbst Schmerzreize und leitet diese ans Gehirn weiter.
- Psychogene Schmerzen
Psychogene Schmerzen haben keine erkennbaren organischen Ursachen. Diese Schmerzen haben ihren Ursprung in seelischen Konflikten. Auslöser können Verlusterlebnisse, Belastungen am Arbeitsplatz oder andere schwerwiegende psychische Probleme sein.
- Schmerzen bei Krebserkrankungen
Schmerzen bei Krebserkrankungen können durch die Bildung und das Wachstum von Tumoren und Metastasen auftreten. Gesundes Körpergewebe wird geschädigt und kann zu Dauerschmerzen führen, die schlussendlich organisch bedingt sind.
- Chronische Schmerzen nach Verletzungen
Chronische Schmerzen nach Verletzungen: Die betroffene Körperregion bleibt auch nach Abheilen der Verletzungen schmerzhaft und/oder schmerzüberempfindlich. Auch Narbenschmerzen werden zu dieser Schmerzart gezählt.
Akut oder chronisch
Sich beim Gemüserüsten in den Finger zu schneiden, ist zwar schmerzhaft, aber meist nicht weiter schlimm. Ist der Finger erst einmal mit einem Wundverband verarztet, klingen die Schmerzen in der Regel schnell ab. In diesem Fall spricht man von einem akuten Schmerz. Dessen Merkmale sind:
Plötzlich auftretender Schmerz.
Der Schmerz ist mit einem zeitgleichen Ereignis verbunden und klingt bald wieder ab.
Er wird nur lokal am Ort der eigentlichen Verletzung empfunden.
Die Intensität des Schmerzes entspricht dem Ausmass der Verletzung.
Akute Schmerzen helfen also, das Ausmass körperlicher Schäden in Grenzen zu halten. Anders verhält es sich bei chronischen Schmerzen. In der Schweiz hat jeder zehnte Einwohner damit zu kämpfen. Da der Schmerz auch in diesem Bereich sehr individuell empfunden wird, ist diese Zahl mit Vorsicht zu interpretieren. Was die Schmerzintensität betrifft, kann diese unter anderem mit Hilfe der so genannten visuellen Skala (VAS) ermittelt werden.
Chronische Schmerzen machen ebenfalls auf Probleme im Organismus aufmerksam. Dabei handelt es sich aber nicht zwangsläufig um eine akute Gefahr. Hier hat der Schmerz seine schützende Funktion verloren und ist zu einer eigenen Krankheit geworden. Ein Rheumatiker beispielsweise weiss um seine Erkrankung des Gelenkapparates. Salopp ausgedrückt bräuchte ihm dies der Schmerz nicht täglich in Erinnerung zu rufen. Das Problem ist, dass sich Schmerzsignale im Gehirn «festbeissen» können. Dauern die Schmerzen längere Zeit an, «saugen» sich die schmerzleitenden Nervenbahnen mit Schmerzsignalen voll und es entsteht ein sogenanntes Schmerzgedächtnis. Bereits nach zwei, drei Wochen können akute Schmerzen chronisch werden und das ganze Denken und Fühlen des Patienten beeinflussen.
Umfrage
Redaktion: Didier Buchmann
- Quellen
Vereinigung Schweizer Schmerzpatienten, VSP
Cornelia Fischer-Börold und Siglind Zettl: «Schmerz», Schlütersche Verlagsgesellschaft, 2006
Susanne Holst und Ulrike Preussiger-Meiser: «Erfolgreiche Schmerztherapie», Südwest-Verlag, 2004