Lebensmittelampeln
Lebensmittelampeln sollen helfen, dass wir uns gesünder ernähren. Der sogenannte Nutri-Score hat aber nicht nur Befürworter.
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Schon als kleine Kinder haben wir das Ampelsystem an Strassenkreuzungen immer und immer wieder verinnerlicht bekommen: Rot heisst Gefahr beziehungsweise Stehenbleiben. Bei Orange gilt es, sich zu beeilen oder im Zweifelsfall lieber stehenzubleiben und abzuwarten. Und bei Grün dürfen wir gehen. Beziehungsweise mit gutem Gewissen zulangen, wenn es um Lebensmittel geht. Schon länger wird hierzulande über die Einführung von Lebensmittelampeln auf Nahrungsmittelverpackungen diskutiert. Auf Müesli, Fertiglasagne- und Joghurtbechern soll es also zukünftig grün für «gesund», gelb für «akzeptabel» oder rot für «weniger gesund» leuchten. Ein System, das jedes Kind beziehungsweise jeder Konsument gut und schnell begreift und das ihn so über den Nährwert des Lebensmittels informieren soll.
Was dafür …
In Frankreich hat sich dieser sogenannte Nutri-Score bereits durchgesetzt, Deutschland zog letzten Herbst nach, und auch in der Schweiz wird immer wieder über die Einführung solcher farbigen Nährwertkennzeichnungen diskutiert. Zurecht, wie die Westschweizer Konsumentenschützerin Barbara Pfenniger findet. «Nutri-Score ist eine gute Ergänzung zu den anderen Angaben und leicht verständlich. So kann ein Konsument im Laden ähnliche Produkte miteinander vergleichen», sagt sie.
Die Nährwertangaben und die Zutatenliste würden dadurch nicht ersetzt. «Sie bleiben auf den Packungen. Man kann sie also bei Interesse zu Hause in aller Ruhe durchlesen.» Wie sich gezeigt habe, seien aber die Nährwerttabellen für viele Menschen zu wenig verständlich. «Eine Schweizer Studie hat ergeben, dass über die Hälfte der Befragten die Angaben auf der Nährwerttabelle nicht ganz verstehen», sagt Pfenniger. Als Konsumentenschützerin erhält sie immer wieder Anfragen von Menschen, die mehr wissen wollen über Zusatzstoffe, die Herkunft der Zutaten oder den effektiven Zuckergehalt. All diese konkreten Angaben kann ein Nutri-Score zwar nicht liefern, aber er gebe eine gute Orientierungshilfe, sagt Pfenniger.
Die Auswirkung auf ein verändertes Kaufverhalten wurde in französischen Supermärkten bereits beobachtet. «Dort wurden die Kaufquittungen aus 60 Supermärkten ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass die Einkaufskörbe in Supermärkten mit Nutri-Score-Produkten die bessere Nährwertqualität hatten als jene in Supermärkten ohne Nutri-Score.» Der positive Effekt geht in Frankreich noch weiter: Ein grosser französischer Supermarktkonzern gab an, die Rezepturen von über 900 Eigenmarken-Lebensmitteln zu optimieren, um mehr grüne oder wenigstens gelbe Nutri-Score-Bewertungen zu erhalten. Dies könnte durchaus ein Schritt in die richtige Richtung sein, sagt Barbara Pfenniger. «Es gibt schon heute grosse Unterschiede bei Fertiggerichten wie Tiefkühlpizza oder Mikrowellen-Lasagne. Wenn die Rezepturen überarbeitet und die Produkte dadurch gesünder werden, umso besser.»
Nutri-Score
Der Nutri-Score wurde von Ernährungswissenschaftlern aus Frankreich und Grossbritannien entwickelt. In Frankreich ist er seit 2017 offiziell erlaubt, in Belgien und Spanien seit 2018. Deutschland zog im Herbst 2019 nach. Die Lebensmittelampeln geben mittels Farben an, wie gesund (grün), mittelgesund (gelb) beziehungsweise ungesund (rot) ein Lebensmittel ist. Für die Kennzeichnung als grünes, gelbes oder rotes Lebensmittel diente bei der Entwicklung des Nutri-Scores die Kalorienanzahl eines Lebensmittels, welche mit den aus ernährungswissenschaftlicher Sicht günstigen oder ungünstigen Nährstoffen verrechnet wurde. Dabei wurden also Nährstoffe mit einbezogen, die negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben könnten wie etwa Zucker, gesättigte Fettsäuren und Salz (Natrium). Auf der anderen Seite werden auch Eigenschaften berücksichtigt, die eine positive gesundheitliche Wirkung haben könnten – zum Beispiel der Ballaststoff- und Eiweissgehalt sowie der Anteil an Obst, Gemüse und Nüssen.
… und was dagegen spricht
Skeptischer betrachtet der deutsche Autor und Ernährungswissenschaftler Uwe Knop die Einführung eines Nutri-Scores. «Ich sehe hier ganz klar einen weiteren unterschwelligen Esserziehungsfaktor, der zu noch mehr Unsicherheit und Angst vor dem Essen führen wird – und das bereits bei der Auswahl im Supermarkt. Die Ampel ist meiner Meinung nach absolut kontraproduktiv.» Er gibt zu bedenken, dass man wissenschaftlich nicht belegen kann, dass ein Lebensmittel per se gesund oder ungesund sei. «Es kommt immer auf die Menge an, die man davon verzehrt und auf die Frage ‹Warum esse ich?›. Die Ampel wird ernährungssensible Konsumenten noch stärker verunsichern.»
Einen weiteren Aspekt, den er zu bedenken gibt: «Der Nutri-Score wird auch dazu führen, dass hochwertige Lebensmittel minderwertiger werden: Denn wenn die Industrie Energie- und Geschmacksträger aus den Rezepturen entfernt, um von den roten, definitiv verkaufshemmenden Gefahrenpunkten wegzukommen, dann werden Kohlenhydrate, Fette, Salz und Zucker durch gehaltlose Füllstoffe ersetzt, die keinen Einfluss auf den Nutri-Score haben.» Ob diese «entkernten» Lebensmittel dann den Konsumenten überhaupt noch munden, stehe auf einem anderen Blatt.
Redaktion: Bettina Epper
Wissenschaftliche Kontrolle: Dr. phil. nat. Anita Finger Weber
- Quellen
Drogistenstern
Konsumentenschützerin Barbara Pfenniger
Ernährungswissenschaftler Uwe Knop