Atemtherapie
1. Definition
Die Atemtherapie zählt zu den ältesten komplementärtherapeutischen Verfahren überhaupt. Die ganzheitlich ausgerichtete Methode wirkt unterstützend sowohl bei spezifischen Atemwegserkrankungen wie Asthma, Schlafapnoe und chronisch obstruktiver Lungenkrankheit COPD, als auch bei mannigfaltigen körperlichen und seelischen Krankheiten sowie bei der Begleitung von Entwicklungsprozessen. Durch die bewusste Wahrnehmung und Lösung hinderlicher Atemmuster und die Stärkung und Entfaltung der Atemkraft insgesamt werden Beschwerden erleichtert und Ressourcen gefördert.
2. Philosophie
Die Entwicklung des Wissens um die lebensspendenden Aufgaben und Wirkungsweisen des Atems zählt zu den ältesten Errungenschaften menschlicher Kultur und Heilkunde und reicht über 4000 Jahre zurück. In vielen Kulturen und Religionen sind Atem und Lebenskraft gleichbedeutend. Auf der Basis uralter Atem- und Bewegungsschulen wie Yoga, Zen, Qi Gong und Tai-Chi wurde die Atemtherapie im 19. Jahrhundert als eigenständige Therapieform etabliert und von zahlreichen Fachkräften, darunter Wilhelm Reich, Johannes Ludwig Schmitt, Volkmar Glaser, Hinrich Medau und Ilse Middendorf weiterentwickelt.
Methodik
Die zeitgenössischen Formen der Atemtherapie beruhen auf einem ganzheitlichen Menschenbild, welches die Atmung als lebensnotwendige Grundfunktion, die mit allen Vorgängen im Organismus verbunden ist, ins Zentrum stellt. Im therapeutischen Prozess wird, eingebunden ins begleitende Gespräch, der Atem mittels Dehn- und Bewegungsübungen, Berührungen, Wahrnehmungsschulung und Stimmarbeit angeregt und vertieft.
3. Plausibilität des Konzepts
Atemtherapie spricht den Menschen in seiner Ganzheit an. In der bewussten Wahrnehmung wird die Atmung zu einer Kraftquelle. Richtiges Atmen verhilft dem Patienten Spannungen zu erkennen und sie anschliessend zu lösen. Wer sich auf das Thema Atemtherapie einlässt, kann mit dessen Hilfe einen Weg zu innerer Gelassenheit und persönlicher Selbsterfahrung finden.
4. Belege für die Wirksamkeit
Diverse Studien belegen die Wirksamkeit der Atemtherapie, darunter zum Beispiel die Erforschung der Atemtherapie als Burnout-Prophylaxe bei Lehrerinnen und Lehrern, unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Loew, Universität Regensburg, sowie die Dissertation von Simone Meier, Universität Zürich, welche sich mit der wissenschaftlichen Bestandesaufnahme der Atemtherapie aus Patientensicht befasst.
5. Praktische Anwendung
Atemtherapie wird sowohl auf dem Gebiet der Krankheitslinderung als auch der Gesundheitsförderung und Prävention eingesetzt. Als besonders hilfreich hat sie sich bei folgenden Krankheitsbildern erwiesen:
Atembeschwerden und Atemfehlverhalten
Atemwegserkrankungen
Stimm- und Sprechstörungen
Schmerzen aller Art
Muskuläre Verspannungen und Haltungsfehler
Störungen im Magen-Darmbereich
Psychosomatische Erkrankungen
Essstörungen
Angst und Erschöpfungszustände
Schlaflosigkeit/innere Unruhe
Stress/Burnout
6. Behandlung und Ablauf
Die atemtherapeutische Begleitung und Behandlung findet in Einzel- oder Gruppensitzungen statt. Sie kann im Stehen, Sitzen, Liegen oder in der Bewegung erfolgen. Nach einer Befunderhebung durch den Therapeuten, die sich am Atembild orientiert, werden mögliche Behandlungsschritte aufgezeigt und festgelegt. Die lösungs-orientierte Stimulation des Atems geschieht mittels Bewegung, Dehnung, Berührung oder Stimmarbeit. Wesentlich bei allen Formen der Atemtherapie ist dabei der kommunikative Austausch zwischen Klient und Therapeut. Praktische Übungen können von den Klienten problemlos in den Alltag eingebaut werden. Atem-, Bewegungs- und Haltungsübungen stehen dabei ebenso im Vordergrund wie die Schulung der Wahrnehmung, zum Beispiel mittels achtsamer Beobachtung des eigenen Atems.
7. Anwender und ihre Ausbildung
In der Schweiz bieten verschiedene Institutionen und Schulen die drei- bis vierjährige Ausbildung zum Atemtherapeuten an. Die Atemtherapie ist eine Methode der Komplementärtherapie, welche eidgenössisch anerkannt ist. Zusammengeschlossen sind die Atemtherapeutinnen/-therapeuten in den zwei Berufsverbänden, dem Atemfachverband Schweiz (AFS) und dem Schweizer Berufsverband für Atemtherapie und Atempädagogik Middendorf (sbam). Die Mitglieder der Berufsverbände verpflichten sich zur Einhaltung ethischer Grundlagen sowie zu regelmässiger Fort- und Weiterbildung. Mehr zum Thema finden Sie auf den Internet-Seiten der beiden Berufsverbände:
8. Grenzen und Risiken
Da sich die Atemtherapie als achtsame und sanfte Behandlungsmethode bewährt hat, sind Nebenwirkungen praktisch ausgeschlossen. Bei Klienten mit erheblichen körperlichen oder psychischen Beschwerden ist vor oder unmittelbar nach Beginn der Therapie eine schulmedizinische Abklärung angezeigt.
9. Zahlt die Krankenkasse?
Viele Krankenkassen leisten, im Rahmen der Zusatzversicherungen, einen Beitrag an die Behandlung, sofern die Therapeuten über eine entsprechende Anerkennung verfügen. Nähere Informationen erhalten Sie direkt bei Ihrer Krankenkasse.
Redaktion: Vanessa Naef