Ayurveda

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1. Definition

Ayurveda versteht sich als umfassende Gesundheitslehre und stammt aus Indien. «Ayurveda» bedeutet aus dem Sanskrit übersetzt die «Wissenschaft vom langen Leben». Der Mensch wird als Spiegelbild des Universums gesehen.

2. Philosophie

Die ayurvedische Lehre besagt, dass jeder Mensch mit einer Mischung aus drei Elementen, den so genannten Doshas – Vata, Pitta, Kapha – geboren wird. Diese drei Elemente sollten sich im Gleichgewicht zueinander befinden, damit man sich wohlfühlt. Doch bei den meisten Menschen beherrscht ein Element die zwei anderen. Um innere Harmonie zu erlangen, sollte dieses dominierende Dosha ausgeglichen und besänftigt werden. In jedem Menschen wirkt eine bestimmte Zusammensetzung der Doshas, die seine Konstitution prägt. Es werden drei Dosha-Typen unterschieden:

Vata (Luft/ Äther): Regelt Bewegung, Atmung und Nerventätigkeit

Vata ist das Bewegungsprinzip im Organismus und setzt sich aus den Elementen Äther und Luft zusammen. Vata ist mit dem Nervensystem verbunden und entspricht dem Geist und Energiekörper. Sein Prinzip ist die Luftigkeit, die Beweglichkeit, und sein Hauptsitz ist unterhalb des Nabels im Bereich des Dickdarms und im Kopf. Die zugeordneten Attribute sind: leicht, beweglich, kühlend, trocken rau, schnell, veränderlich und fein. Zugeordnete Sinnesorgane: Tastsinn (Element Luft), Gehörsinn (Element Raum).

Pitta (Feuer/ Wasser): Reguliert den Wärmehaushalt, den Stoffwechsel und die Verdauungsleistung

Pitta wird mit dem Umsetzungsprinzip identifiziert und setzt sich aus den Elementen Feuer und Wasser zusammen. Pitta regelt den Stoffwechsel. Es befindet sich vor allem zwischen Herz und Nabel. Seine Attribute sind: heiss, scharf, flüssig, feucht, sauer, bitter, leicht, sich gut verteilend und plötzlich auftretend. Zugeordnetes Sinnesorgan: Sehsinn (Element Feuer).

Kapha (Wasser/ Erde): Reguliert den Flüssigkeitshaushalt und das Immunsystem.

Kapha repräsentiert das erhaltende und stabilisierende Prinzip des Körpers und setzt sich aus den Elementen Wasser und Erde zusammen. Es hat seinen Sitz oberhalb des Herzens im Oberkörper, trägt die Funktion des Lymph- und Immunsystems und ist über das Skelett und die Zellstruktur an der Formbildung des Körpers beteiligt. Seine Eigenschaften sind süss, schwer, beständig, weich, kalt, ölig, fettig, träge, trüb und weiss. Zugeordnete Sinnesorgane: Geschmacksinn (Element Wasser), Geruchssinn (Element Erde).

3. Plausibilität des Konzepts

Überlieferungen belegen, dass Ayurveda in Indien seit circa 4000 bis 5000 Jahren praktiziert wird. Das Wissen um diese Heilkunst, bei der es in erster Linie darum geht, das harmonische Gleichgewicht von Körper und Seele, der Sinne und des Geistes herzustellen und zu erhalten, wurde über Jahrhunderte nur mündlich weitergegeben. Für die ayurvedische Behandlung werden zahlreiche Aspekte und Mittel einbezogen: Lebensweise und Ernährung, Reinigungsrituale, Kräutertherapie, Yoga und Meditation. Unterschieden wird der medizinische und der gesundheitserhaltende Ayurveda: Der medizinische Ayurveda lehrt das Heilen von Krankheiten, während die ayurvedische Gesundheitslehre das Ziel hat, die Gesundheit des Gesunden zu erhalten und ihm Lebensfreude und Vitalkraft bis ins hohe Alter zu schenken.

4. Belege für die Wirksamkeit

Ayurveda hat in dieser Hinsicht wenig zu bieten. Immerhin haben Wissenschaftler inzwischen Beweise für die Wirksamkeit einer im Ayurveda gebräuchlichen Heilpflanze entdeckt: Studien der Universitäten Heidelberg, Tübingen und Wien haben belegt, dass ein Extrakt des Indischen Weihrauchbaums (Boswellia serrata) bei Rheuma oder entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa Erleichterung verschafft. Zumindest ein Anfang.

5. Anwendung

Die ayurevedischen Behandlungen haben ihren Schwerpunkt in der Prävention, aber auch im Bereich von chronischen und akuten Erkrankungen können Sie die schulmedizinische Behandlung begleiten und unterstützen. Sind die Doshas im Gleichgewicht, fühlen wir uns gesund und wohl und strahlen eine natürliche Schönheit aus.

Die ayurvedische Kosmetik erhält die Schönheit, indem sie die Inhaltsstoffe ihrer Produkte auf den jeweiligen Hauttyp abstimmt. Ayurvedische Körperpflegeprodukte erhalten den natürlichen Antrieb der Zellen, benötigte Pflegestoffe selber zu bilden. Sie regen die Haut an, genau das Richtige zu tun: Fettige Haut produziert also beispielsweise weniger Fett, trockene Haut mehr Feuchtigkeit. Ebenso wie die klassische Kosmetik orientiert sich auch die ayurvedische Gesichts- und Körperpflege an verschiedenen Hauttypen.

Wichtiger Bestandteil einer Lebensführung nach der indischen Gesundheitslehre ist die richtige Ernährung: Die ayurvedische Küche verzichtet weitgehend auf Fleisch und verwendet stattdessen eine ausgewogene Mischung aus Früchten und Gemüse, Getreide und Hülsenfrüchten.

6. Selbstbehandlung

Wer sich für Ayurveda interessiert, der findet in den alten Schriften genaue Empfehlungen für einen gesunden Lebenswandel: Genügsamkeit, Wissensdurst und Meditation seien wichtige Faktoren für ein Leben in Zufriedenheit. Sogar für kleinste Details finden sich in den Schriften klare Verhaltensregeln. Beispiel Nachtruhe: Im ersten Drittel der Nacht möge man zu Bett gehen, dieses solle kniehoch sein, und den Kopf möge man beim Schlafen nach Süden oder Osten legen. Beispiel Sex: im Spätherbst und Winter so oft wie gewünscht, im Sommer allerdings nur einmal in 14 Tagen. Erstrebenswert sei ein an den Jahreszeiten orientiertes Leben. Man mag diese vielen Ratschläge als einengend empfinden – für manche Menschen können sie durchaus ein stützendes Gerüst sein, durch das der Alltag strukturiert wird. Vielleicht liegt gerade auch darin der Erfolg von Ayurveda.

7. Anwender und ihre Ausbildung

In Indien und Sri Lanka müssen Ayurveda-Ärzte, ebenso wie westlich ausgebildete Mediziner, fünfeinhalb Jahre lang studiert haben, um danach ein Staatsexamen in ayurvedischer Heilkunst abzulegen. Es ist ein eigener, vollständiger Studiengang (B.A.M.S., die Abkürzung für Bachelor of Ayurvedic Medicine and Surgery, Ayurvedacharya-Kurs) und wird an vielen indischen und mehreren srilankischen Universitäten gelehrt. Er beinhaltet viereinhalb Jahre Studium und ein praktisches Jahr in dem der Bildungsinstitution angegliederten Krankenhaus. Auch in der Schweiz gibt es inzwischen ayurvedische Institute, an denen gelehrt wird.

8. Behandlung und Ablauf

Ziel der ayuvedischen Behandlung ist es, zwischen den drei Doshas ein Gleichgewicht zu schaffen. Eine Störung der Doshas führt zu Krankheitssymptomen und zur Ablagerung giftiger Schlacken im Organismus. In der traditionellen Form des Ayurvedas gibt es eine Vielzahl eigenständiger Medizinbereiche, u. a. Innere Medizin, Augenheilkunde, Ernährungslehre, Pflanzenheilkunde, Entspannungsverfahren (Yoga) und ausleitende Verfahren. Wichtige Elemente sind zudem Synchronmassagen, Stirnölgüsse, Ölmassagen und das Kräuterschwitzbad. Sie dienen nach ayurvedischen Vorstellungen dem Entzug von Giftstoffen aus der Haut oder den Schleimhäuten. Mittels Pulsdiagnose werden Rückschlüsse auf Störungen der Organe abgeleitet.

Unterschieden wird der medizinische und der gesundheitserhaltende Ayurveda: Der medizinische Ayurveda lehrt das Heilen von Krankheiten, während die ayurvedische Gesundheitslehre das Ziel hat, die Gesundheit des Gesunden zu erhalten und ihm Lebensfreude und Vitalkraft bis ins hohe Alter zu schenken.

9. Grenzen und Risiken

Die ayurvedische Gesundheitslehre speist ihr Wissen aus der Tradition; ihre generelle Wirksamkeit ist bisher nicht nach wissenschaftlichen Massstäben überprüft worden. Keine wissenschaftlich anerkannte Studie hat abschliessend klären können, wie die medizinischen Erfolge des Ayurveda zustande gekommen sind. Und selbstverständlich lassen sich mit dem Rüstzeug der Anatomie keine Doshas identifizieren.

Es wird davor gewarnt vor lauter Begeisterung für Ayurveda gleich zu seinen Ursprüngen nach Indien zu fliegen. Das Essen, die eingesetzten Medikamente und die Intensität der Behandlung sind oftmals nicht an europäische Verhältnisse angepasst. Die Behandlung dauert in der Regel länger als sechs Wochen. Indischen Ärzten fehlt bisweilen auch der Zugang zu bestimmten Krankheiten der westlichen Welt. Dass Menschen in der Schweiz zum Beispiel Angstzustände und Depressionen wegen Einsamkeit haben, ist in Indien oft nicht vorstellbar.

Finger weg von ayurvedischen Medikamenten aus dem Internet! Verunreinigte Präparate sind nach wie vor ein grosses Problem. Der Handel mit den mehr als 700 gängigen ayurvedischen Kombinationspräparaten – meist Mischungen aus Heilpflanzen, Kräutern oder Metallen – ist eine Wissenschaft für sich. Lassen Sie sich in der Drogerie beraten.

10. Praxistipp

Nehmen Sie sich einmal wöchentlich für ein Ayurveda-Selbstmassage-Ritual Zeit. Ein Aufwand, der sich lohnt, denn mit der Massage vertreiben Sie Stress und Müdigkeit und stärken gleichzeitig das Immunsystem. Und so leicht geht es:

Material: Handtuch, Hocker, Massageöl nach Belieben. Für die ayurvedische Massage besonders geeignet sind Sesam-, Kokos-, Mandel- und Olivenöl.
Vorgehen: Legen Sie das Handtuch auf den Boden, stellen Sie den Hocker darauf und setzen Sie sich bequem hin. Sorgen Sie dafür, dass der Raum warm ist. Stellen Sie die Ölflasche in heisses Wasser, bis das Öl eine angenehme Temperatur erreicht hat.
Verteilen Sie je eine Handvoll Öl wie folgt auf dem Körper: auf den Scheitel, in die Ohren, auf den Nabel, abschliessend Fusssohlen einreiben. Danach massieren Sie das ausgewählte Pflegeöl in die gesamte Hautfläche ein (auftragen oder leicht massieren).
Wirkung: Das warme Öl wird bei der Massage von der Haut absorbiert, es dringt durch Zellzwischenräume, Haarfollikel und Schweissgänge ein. In alten Ayurveda-Texten steht, dass das Öl in vier Minuten durch das Gewebe bis zu den Knochen und Gelenken dringt und dabei alle Strukturen nährt. Ein Teil des Öls resorbiert mit den Schlacken der Hautoberfläche. Lassen Sie das Öl dreissig bis sechzig Minuten einwirken, damit es in die tieferen Strukturen dringen kann. Anschliessend das Öl unter der Dusche mit warmem Wasser abwaschen. Nach dem Abtrocknen sollten Sie sich eine halbe Stunde Ruhe gönnen und sich warm einpacken.
Damit die Ölmischung wirklich zu Ihrem Typus passt, sollten Sie sich in Ihrer Drogerie beraten lassen. Ergänzend zu den Massageölen Vita, Pitta und Kapha können Sie sich auch noch mit den entsprechenden Raumsprays verwöhnen. Und währenddem Sie nach der Massage entspannen, wärmt und belebt Sie der klassische ayurvedische Tee mit seinen aromatischen Kräutern.

11. Zahlt die Krankenkasse?

Viele Krankenkassen leisten einen Beitrag an die Behandlungskosten im Rahmen ihrer Zusatzversicherungen, sofern Therapeuten anerkannt sind. Nähere Informationen erhalten Sie direkt bei Ihrer Krankenkasse.

Öle und Fette im Ayurveda

Die therapeutische Anwendung von Ölen ist wohl mit die bekannteste Therapieform der ayurvedischen Medizin. Hier ein paar Beispiele, wie Öle im Ayurveda verwendet werden:

_ Ölsalbungen: Unter dem Begriff Snehana werden alle Ölmassagen des Ayurveda zusammengefasst. Der ganze Körper oder bestimmte Bereiche wie Bauch, Rücken, Kopf, Gesicht oder Füsse werden mit auf den Hauttyp, die Konstitution und die Krankheitsbilder abgestimmten Ölen massiert. Die verschiedenen Massagen werden eingesetzt zur Stressreduktion, bei Schlafstörungen, zur Stärkung von Haut, Knochen und Muskeln, bei Beschwerden des Bewegungsapparates und zur allgemeinen Verbesserung des Immunsystems.

_ Ölguss (Dhara): Die bekannteste Dhara-Behandlung ist der Stirnguss (Shirodhara). Während mehr als 20 Minuten fliesst ein Strahl aus warmem Öl auf die Stirn. Der Shirodhara wird zur Schönheitspflege und Entspannung eingesetzt, aber auch zur medizinischen Behandlung von Kopfschmerzen, Depressionen und Beschwerden des Nervensystems.

_ Ölziehen im Mundraum (Gandusha): Hierfür werden jeden Morgen 1–2 Esslöffel Öl in den Mund genommen und 5–10 Minuten gehalten. Dabei soll das Öl gleichmässig im Mund verteilt werden, bis es leicht schaumig ist. Gandusha wird angewendet bei Entzündungen, Aphthen oder Blutungen, aber auch allgemein zur Stärkung von Zähnen, Zahnfleisch und Mundschleimhaut.

_ Nasenölung (Pratimarsha Nasya): Hierfür werden jeden Morgen 2–3 Tropfen Sesamöl in jedes Nasenloch geträufelt. Das Öl soll die Nasenschleimhaut schützen und pflegen und Erkrankungen des Kopf- und Halsbereiches vorbeugen.

Autorin: Christa Friedli
Redaktion: Nadja Mühlemann
Quelle
  • «Drogistenstern»