Wie wir Temperatur wahrnehmen

Warum manche schneller frieren oder schwitzen als andere … und sieben weitere Antworten auf Fragen rund um Kälte und Hitze.

Manche schlottern schon, wenn andere noch in T-Shirt und kurzen Hosen gemütlich auf der Terrasse sitzen. Das liegt unter anderem an den Hormonen, wie Physiologie-Professor Dr. Roland Wenger erklärt. Wie genau der Mensch Hitze und Kälte empfindet, warum manche richtige Hitzköpfe und andere grosse «Gfrörli» sind – Roland Wenger beantwortet diese und weitere Fragen rund um Hitze und Kälte.

Wie nehmen wir Kälte und Wärme eigentlich wahr?

In der Haut sitzen viele spezialisierte Nervenendigungen, welche sogenannte Thermorezeptoren enthalten, die nur dazu da sind, die Temperatur zu messen. «Die einen erkennen Kälte, die anderen Wärme», sagt Roland Wenger. Diese Rezeptoren messen ununterbrochen die Temperatur des Körpers und melden sie über die Nerven an das thermoregulatorische Zentrum im Gehirn. Stimmt der gemessene Wert nicht mit demjenigen überein, der gewollt ist – im Körperkern sind das beispielsweise ca. 37 °C –, korrigiert der Organismus das. Ist der Körper beispielsweise zu heiss und muss sich abkühlen, steigt die Durchblutung der Haut, sie rötet sich und man beginnt zu schwitzen. Ist es hingegen zu kalt, drosselt der Körper die Durchblutung, um weniger Wärme abzugeben. Auch durch Bewegung kann man sich aufwärmen, man stampft zum Beispiel mit den Füssen, wenn man im Winter lange draussen stehen muss. Reicht das nicht aus, beginnen die Muskeln von allein zu zittern.

Professor Roland Wenger

Professor Roland Wenger ist Ordinarius für Physiologie und Vorsteher des Physiologischen Institutes der Universität Zürich. Er befasst sich mit der Erforschung der molekularen Anpassungsvorgänge an veränderte Umweltbedingungen, insbesondere an den Sauerstoffmangel im Gewebe, wie er in grossen Höhen, aber auch zum Beispiel bei Durchblutungsstörungen vorkommt.

Warum frieren manche schneller als andere?

Der Körper gibt ständig Wärme ab, auch in Ruhe. Diese Wärme entsteht, wenn der Stoffwechsel (Metabolismus) arbeitet und aus der zugeführten Nahrung Energie gewinnt. Dieser sogenannte Energieumsatz spielt eine wichtige Rolle dabei, wie rasch jemand friert: «Menschen mit einem hohen Energieumsatz haben eher warm; solche mit einem niedrigen eher kalt.» Der Energieumsatz ist individuell und von verschiedenen Faktoren beeinflusst. «Reguliert wird er unter anderem durch verschiedene hormonelle Vorgänge. Das wichtigste Hormon in diesem Zusammenhang ist das Schilddrüsenhormon», sagt Professor Wenger. Menschen mit einer Überfunktion der Schilddrüse frieren selten. «Das liegt daran, dass sie einen hohen Grundumsatz haben, der Stoffwechsel läuft auf Hochtouren und sie geben verstärkt Wärme ab.» Ganz anders bei einer Schilddrüsenunterfunktion, bei der Betroffene eher schnell frieren. «Diese Menschen geben weniger der in der Nahrung enthaltenen Energie als Wärme ab, sondern speichern sie als Fett.» Auch andere Hormone wie beispielsweise die Geschlechtshormone oder Stresshormone spielen eine Rolle.

Kälteidiotie

Wenn Menschen erfrieren, verhalten sie sich ganz anders, als man es eigentlich erwarten würde. Da sich die Gefässe kurz vor dem Tod wieder weiten und Blut in die Gliedmassen strömt, haben sie das Gefühl, zu schwitzen und ziehen sich aus. Dieses Phänomen nennt man Kälteidiotie. Es kann bei einem Absinken der Körpertemperatur auf unter 32 Grad auftreten.

Warum sind Babys kälteempfindlicher als Erwachsene?

Wie viel Wärme ein Körper abgibt, hängt nicht nur von den Hormonen ab, sondern auch von der Körperoberfläche. «Kleine Tiere wie Mäuse müssen im Verhältnis zu ihrer Grösse sehr viel mehr fressen als grosse Tiere wie Elefanten, weil sie im Vergleich zu ihrem Gewicht eine grössere Oberfläche haben und entsprechend viel Wärme abgeben.» Auch Babys haben eine vergleichsweise grosse Körperoberfläche im Verhältnis zu ihrem Gewicht. Sie verlieren darum mehr Wärme und kühlen schneller aus als Erwachsene. Allerdings hat die Natur vorgesorgt: «Babys haben besonders viel braunes Fettgewebe, das aus der Verbrennung von Fett direkt Wärmeenergie produzieren kann. Bei Erwachsenen ist dagegen fast kein braunes Fett mehr vorhanden.» Babys haben also eine Art eingebautes Heizkissen.

Frieren Frauen wirklich schneller als Männer?

Sind eine Frau und ein Mann gleich gross und schwer, haben also eine vergleichbar grosse Körperoberfläche, gäben sie bei gleichem Energieumsatz auch gleich viel Wärme ab und würden gleich schnell frieren oder zu warm haben. «Aber», sagt Roland Wenger, «Frauen haben einen geringeren Energieumsatz als Männer. Das ist zum einen hormonell bedingt. Ausserdem haben Frauen gemessen am Gesamtgewicht einen höheren Anteil an Körperfett, Männer haben dagegen mehr Muskelmasse. Muskeln haben einen hohen Energieumsatz, Fettgewebe hingegen trägt praktisch nichts zum Grundumsatz bei.» Ergo frieren Frauen tatsächlich schneller als Männer, zumal sie meistens kleiner und leichter sind.

Celsius

Celsius

Die in Europa meistens verwendete Temperaturskala ist die Celsius-Skala (°C, Grad Celsius, abgekürzt: Grad). Sie geht zurück auf den schwedischen Wissenschaftler Anders Celsius (1701–1744) im Jahre 1742. Fixpunkte der Celsius-Skala sind Gefrier- und Siedepunkt von Wasser bei Normaldruck (1013 hPa): Der Gefrierpunkt des Wassers liegt bei 0 °C, der Siedepunkt bei 100 °C.

Fahrenheit

Fahrenheit

In angelsächsischen Ländern wird die Fahrenheit-Skala benutzt (°F). Sie geht zurück auf den deutschen Wissenschaftler Gabriel Daniel Fahrenheit (1696–1736). Um negative Temperaturen vermeiden zu können, legte er als Nullpunkt die tiefste Temperatur fest, die er erzeugen konnte (–17,78 °C). Er verwendete dafür eine Kältemischung aus Eis, Wasser und Salmiak. Als zweiten Fixpunkt seiner Skala, dem er willkürlich die Zahl 100 zuordnete, soll Fahrenheit seine Körpertemperatur gewählt haben. Heute sind die Fixpunkte über den Gefrierpunkt (32 °F) und den Siedepunkt (212 °F) von Wasser bei Normaldruck (1013 hPa) festgelegt.

Kelvin

Kelvin

Wissenschaft und Technik bedienen sich vor allem der Kelvin-Skala (K). Benannt ist diese Skala nach William Thomson, Lord Kelvin (1824–1907), sie wird aber auch thermodynamische oder absolute Temperaturskala genannt. Bei der Kelvin-Skala liegt der Nullpunkt bei der absolut tiefsten theoretisch denkbaren Temperatur, die nicht unterschritten werden kann. Es gibt daher bei ihr keine negativen Temperaturen. Der absolute Nullpunkt liegt bei umgerechnet –273,15 °C. Gefrier- und Siedepunkt von Wasser liegen bei 273,15 K respektive 373,15 K.

Warum frieren wir am Morgen?

Wer friert, wärmt sich auf; wer schwitzt, kühlt sich ab. Das zeigt sich gut bei Fieber. «Am Anfang des Fiebers friert man, denn der Körper wärmt sich auf, um gegen einen Infekt zu kämpfen», sagt Wenger. «Irgendwann wird einem heiss. Das ist ein Zeichen dafür, dass der Infekt durch ist und das Fieber nicht mehr nötig ist. Das Hirn signalisiert dann dem Körper, dass er wieder abkühlen kann.» Ähnliches passiert im Schlaf: Während der Nacht sinkt die Körpertemperatur. Am Morgen muss sich der Körper wieder auf die 37 °C aufwärmen – ergo friert man, um den Körper vor dem Aufstehen wieder auf «Betriebstemperatur» zu bringen.

Kann man trainieren, Hitze oder Kälte besser auszuhalten?

«Man weiss, dass Menschen, die in der Arktis leben, kälteresistenter sind, genauso wie Menschen nahe dem Äquator Hitze besser aushalten. Letztere schwitzen beispielsweise früher und mehr, der Schweiss enthält aber weniger Salz, um Verlusten vorzubeugen.» Auch Menschen, die aus gemässigten Regionen kommen, können sich an extremeres Klima gewöhnen. «Das dauert aber nicht Stunden, sondern Tage und Wochen.»

Warum bekommen wir so rasch kalte Hände und Füsse?

«Im Gesicht, in den Fingern und Füssen gibt es sehr viele Temperaturrezeptoren. Darum ist man an diesen Stellen besonders temperaturempfindlich». Und: «Zehen, Finger oder Ohrläppchen haben ein schlechtes Verhältnis von Oberfläche zu Gewicht. Darum ist die Wärmeabstrahlung dort relativ hoch, auch das begünstigt das Frieren.» Schliesslich hat der Körper nicht überall dieselbe Temperatur. «37 °C haben wir nur im Körperkern. Arme oder Beine sind nie so warm. Das ist auch nicht nötig, da Gewebe, Muskeln oder Gefässe viel weniger empfindlich sind als die inneren Organe.» Dass die Wärme nicht von innen nach aussen strömt, ist übrigens die Folge des sogenannten Gegenstromaustausches: «Warmes Blut strömt durch die Arterien und wird am zurückströmenden kalten Venenblut vorgekühlt. Umgekehrt wärmt sich das venöse Blut an den Arterien wieder auf, wenn es in den Körperkern zurückkehrt.»

Am Abend am heissesten

Die Körperkerntemperatur des Menschen beträgt normalerweise rund 37 Grad, allerdings scheint die Normaltemperatur in den letzten Jahrzehnten abgenommen zu haben. Damit ist die Temperatur im Inneren des Körpers gemeint. Je nach Ort variiert sie. Der Brustkorb oder das Gehirn beispielsweise sind wärmer als die Oberarme, und Füsse und Hände sind noch kühler. Die Körpertemperatur schwankt ausserdem im Laufe des Tages, am Morgen ist sie am tiefsten, am Abend am höchsten. Bei Frauen steigt sie zudem in der zweiten Hälfte des Zyklus, also nach dem Eisprung bis zur nächsten Periode, um etwa 0,5 Grad an. Normalerweise liegt die Körpertemperatur nicht über 37,8 Grad. Steigt sie höher, hat man Fieber.

Helfen heisse Getränke beim Aufwärmen und kalte beim Abkühlen?

Ist es im Winter klirrend kalt, gibt es nichts Schöneres als eine heisse Tasse Tee. Das wärmt zwar, aber nicht anhaltend: «Wenn wir ein warmes Getränk trinken, müssen wir nachher relativ rasch zur Toilette, und mit dem Urin, der immer ungefähr 37 °C hat, geht viel der aufgenommenen Wärmeenergie wieder verloren.» Um sich richtig aufzuwärmen, ist es besser, proteinreich zu essen. «Bei der Verdauung von Proteinen wird ein Fünftel bis ein Viertel der chemischen Energie allein durch die Verdauung als Wärme freigesetzt, viel mehr, als beispielsweise bei Fett oder Kohlenhydraten. Da der Verdauungsprozess relativ lange dauert, bleibt die Wärme einer festen Mahlzeit auch länger im Körper.»

Umgekehrt im Sommer: «Da essen wir eher kalt und leicht, bevorzugen Fette und Kohlenhydrate, wie zum Beispiel eine Glace, die weniger Energie frei geben bei der Verdauung als Proteine und uns nicht noch zusätzlich aufwärmen.» Um sich besonders rasch abzukühlen, rät Wenger übrigens nebst kühlenden Getränken nasse Tücher auf die Haut zu legen: «Der Entzug der Verdunstungswärme kühlt sehr effizient.»

Autorin: Bettina Epper
Redaktion: Bettina Epper, Vanessa Naef
Wissenschaftliche Kontrolle: Dr. phil. nat. Anita Finger Weber
Quellen
  • Drogistenstern

  • Professor Dr. Roland Wenger

  • www.medizin.plus

  • www.internisten-im-netz.de

  • Universität Bremen, Institut für Didaktik der Naturwissenschaften