Glossar
Fast alle kommen irgendwann in eine Krise, haben depressive Verstimmungen oder schlimmeres. Ein paar wichtige Fachausdrücke kurz erklärt.
Folgende Themen werden in diesem Artikel behandelt
Angststörung
Angst ist eigentlich eine gute Sache. Sie tritt auf, wenn Gefahr besteht, und hilft, zu überleben, etwa beim Überqueren einer Strasse. Allerdings kann Angst auch in Situationen auftreten, die eigentlich ungefährlich sind, zum Beispiel in einer grossen Menschenmenge. Wer an einer sogenannten Angststörung leidet, zeigt verschiedene Symptome wie Brustschmerzen, Zittern, Schwindel, Herzrasen oder Atemnot. Angststörungen sind gut behandelbar, aber je länger abgewartet wird, desto schlimmer können die Angstzustände werden.
Big Five
Psychologen teilen die Persönlichkeit, das Wesen eines Menschen, in fünf Faktoren (englisch: «Big Five») ein. Damit lassen sich Persönlichkeitsunterschiede in allen Kulturen beschreiben:
Offenheit: Je offener ein Mensch ist, desto mehr liebt er neue Erfahrungen. Offene Menschen sind kunstverständig, intellektuell, kultiviert und fantasievoll. Weniger offene Menschen sind eher traditionell, konservativ und weniger experimentierfreudig, dafür aber sachlicher und realistischer.
Gewissenhaftigkeit: Gewissenhafte Menschen planen ihre Handlungen sorgfältig, sind zuverlässig, genau und beharrlich. Weniger gewissenhafte Menschen sind eher spontan, weniger sorgfältig, lockerer und oft auch unordentlich.
Extraversion: Extravertierte Menschen sind gesprächig, freimütig, unternehmungslustig, gesellig, introvertierte Menschen dagegen zurückhaltend, in sich gekehrt (introvertiert), reserviert, ruhig und unabhängig.
Verträglichkeit: Menschen mit hoher Verträglichkeit sind oft sozial eingestellt. Sie sind gutmütig, wohlwollend, freundlich, kooperativ. Weniger verträgliche Menschen sind tendenziell egozentrisch, begegnen ihren Mitmenschen mit Misstrauen und Unverständnis.
Neurotizismus: Menschen mit ausgeprägtem Neurotizismus gelten als ängstlich, nervös, angespannt. Sie sind oft unsicher und verlegen. Menschen mit weniger ausgeprägtem Neurotizismus hingegen sind stabil, entspannt, zufrieden und ruhig.
Burnout
Der Ausdruck «Burnout» kommt vom englischen «to burn out», was so viel wie «ausbrennen» bedeutet. Ein Burnout entwickelt sich schleichend und bleibt oft lange unbemerkt. Wer hoher Belastung ausgesetzt ist, gepaart mit wenig Erholungsphasen, ist irgendwann überfordert. Dauert dieser Zustand lange Zeit an, kann eine massive psychische Erschöpfung entstehen – ein Burnout. Ein deutliches Zeichen ist, wenn sich jemand trotz der Möglichkeit dazu nicht mehr richtig erholen kann. Typische Symptome sind chronische Müdigkeit, Distanzierung von der Arbeit, körperliche Beschwerden (z. B. Schlafprobleme, höhere Anfälligkeit für Krankheiten), psychische Veränderungen (z. B. erhöhte Gereiztheit, innere Unruhe), kognitive Leistungseinschränkungen (z. B. Konzentrationsstörungen, Entscheidungsunfähigkeit) oder Änderungen im Verhalten (z. B. sozialer Rückzug, Hyperaktivität). Burnout geht oft mit einer psychischen Krankheit einher, ist aber keine. Insbesondere mit einer Depression kann es nicht gleichgesetzt werden.
Coping
Wer in eine Krise gerät, versucht, sich daraus zu befreien. Das ist ein individueller Prozess. Die Strategien, die jemandem zur Bewältigung einer Krise zur Verfügung stehen, heissen Coping. Die Psychologie unterscheidet fünf Coping-Strategien:
Aggression, also gewaltsame Krisenbewältigung
Supplikation, also hilfesuchende/unterwerfende Krisenbewältigung
Invention, also problemlösende/erfinderische Krisenbewältigung
Revision, also neubewertende Krisenbewältigung
Akklimatisation, also anpassende Krisenbewältigung
Diese Strategien stehen allen zur Verfügung. Wer welche in welcher Situation anwendet, hängt von der Situation, von der Einstellung, der Stimmung, dem Temperament und auch den Lebenserfahrungen ab. Coping bezeichnet ausschliesslich das Bemühen einer Person, mit der Situation umzugehen, nicht um die erfolgreich angewendete Bewältigungsstrategie selber.
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Depressionen
Eine Depression ist eine psychische Erkrankung, die sich ganz unterschiedlich äussern kann. Etwa mit anhaltend gedrückter Stimmung, Antriebslosigkeit oder Interessenverlust. Dazu kommen vielfältige körperliche Symptome, die von Schlaflosigkeit über Appetitstörungen bis hin zu Schmerzzuständen reichen. Diese Symptome können auf eine Depression hinweisen, sie können aber auch andere Ursachen haben. Lassen Sie sich auf alle Fälle von einem Arzt beraten. Depressionen können über längere Zeit oder wiederkehrend auftreten und Betroffene stark beeinträchtigen, etwa bei der Arbeit, beim Lernen oder einfach im Alltag. Im schlimmsten Fall kann eine Depression zum Suizid führen. Die Krankheit auslösen kann das Zusammenspiel verschiedener Faktoren, besonders von biologischen Gegebenheiten (z. B. genetische Veranlagung) sowie von psychosozialen Faktoren (z. B. belastende Ereignisse). In der Schweiz berichten fast 30 Prozent der Bevölkerung von Depressionssymptomen, wie das Monitoring 2016 des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums zeigt. Leichte Depressivität ist bei Frauen demnach häufiger als bei Männern, mittlere bis schwere Symptome nennen beide etwa gleich häufig. Mit zunehmendem Alter und mit höherer Bildung nimmt die erlebte Depressivität ab.
So viele Gefühle!
Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass es die sechs Grundgefühle Angst, Ekel, Glück, Trauer, Überraschung und Wut gibt, aus denen sich alle anderen Gefühle zusammensetzen. Nun haben Forscher der US-Universität Berkeley eine viel grössere Palette an Emotionen entdeckt: 27*. Die Wissenschaftler hatten 853 Teilnehmern 30 Videos gezeigt, die unter anderem lachende und weinende Kinder, herzige Katzenbabys, Autounfälle, Sex oder Stürme zeigten. Ihr Zweck: Emotionen auslösen. Die Teilnehmer nannten danach Gefühlszustände wie Anbetung, Langeweile, Gelassenheit oder Neid. So haben die Forscher schliesslich 27 unterschiedliche Gefühle identifiziert. Jetzt hoffen sie, dass die Erkenntnisse dabei helfen, die psychiatrischen Behandlungsmethoden zu verbessern. Menschen mit Depressionen könnte durch die differenzierte Emotionseinteilung gezielter geholfen werden, wenn die Stimmungsschwankungen über Wut und Angst hinaus eingeordnet würden, hoffen die Wissenschaftler.
* Angst, Ekel, Schrecken, Besorgnis, sexuelles Verlangen, Romantik, Nostalgie, Trauer, Wut, Schmerz, Überraschung, Erleichterung, Aufregung, Interesse, Langeweile, Verwirrung, Verzückung, Gelassenheit, Verlangen (nach Essen), ästhetische Wertschätzung, Bewunderung, Verehrung, Freude, Staunen, Belustigung, Zufriedenheit, Befangenheit.
Kohärenz
Der Begriff «Kohärenz» steht vereinfacht gesagt dafür, über genügend Ressourcen zu verfügen, um den Anforderungen des Lebens zu begegnen. Das Konzept der Kohärenz wurde vom Medizinpsychologen Aaron Antonovsky entwickelt und bildet das Kernstück der sogenannten Salutogenese. Antonovsky hatte in den 1970er-Jahren festgestellt, dass viele Holocaust-Überlebende noch Jahrzehnte später psychisch und körperlich am Erlebten litten, andere jedoch gesundeten. Er folgerte, dass es gewissen Menschen offenbar gelingt, traumatische Erfahrungen gedanklich einzuordnen und zu verarbeiten, auch wenn sie noch so schrecklich sind. Antonovsky stellte diesen «Kohärenzsinn» als zentrale Eigenschaft für das heraus, was heute mit «Resilienz» oder psychischer Widerstandsfähigkeit bezeichnet wird.
Krise
Der Begriff «Krise» leitet sich ab vom griechischen Wort «krisis» und bedeutet Scheidung, Streit oder Entscheidung nach einem Konflikt. Das Wort bezeichnet im Allgemeinen einen Zustand akuter Schwierigkeiten. Zum Beispiel wird damit in der Ökonomie die Übergangsphase vom wirtschaftlichen Aufschwung zum Abschwung bezeichnet oder in der Medizin das Auftreten von Krankheitszeichen (Krankheit, Symptom) mit besonderer Heftigkeit. Im psychologischen Sinn ist unter Krise der Verlust des seelischen Gleichgewichts zu verstehen. Wesentlich ist, dass der Betroffene diesen Zustand nicht selbst überwinden kann. Solche dramatischen Auseinandersetzungen mit psychischen Konflikten können durch besondere Situationen hervorgerufen werden, zum Beispiel Prüfung oder Scheidung, aber auch durch bestimmte Lebensphasen wie Pubertät oder Klimakterium.
Midlife-Crisis
Der Begriff «Midlife-Crisis» wurde 1965 vom Psychologen Elliot Jaques geprägt. Er steht dafür, dass viele Menschen zwischen 40 und 60 in eine Krise fallen. Aus verschiedenen Gründen: Man erkennt, dass gewisse Wünsche und Lebensträume sich nicht mehr erfüllen werden, viele Partnerschaften gehen zu Bruch, die Kinder werden langsam flügge. Ausserdem machen sich die ersten körperlichen Alterserscheinungen bemerkbar, und auch die nahenden Wechseljahre bei der Frau oder der mit zunehmendem Alter oft sinkende Testosteronspiegel beim Mann bringen so manche Herausforderung mit sich. In einer Midlife-Crisis fragen sich Betroffene, was das Leben künftig noch zu bieten hat. Die Midlife-Crisis ist aber keine Krankheit. Und nicht jede Krise im mittleren Alter ist eine Midlife-Crisis. Es kann sich auch um eine Depression handeln, die unter Umständen behandelt werden sollte.
Optimismus
Pessimismus und Optimismus sind zwei grundsätzlich verschiedene Eigenschaften: Wer optimistisch ist, erwartet grundsätzlich eher das Positive, wer pessimistisch, das Negative. Diverse wissenschaftliche Studien haben in den letzten Jahren einen positiven Einfluss von Optimismus auf die Gesundheit gezeigt. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Es könnte sein, dass Optimisten grundsätzlich gesünder leben, da sie weniger rauchen und sich mehr bewegen. Ausserdem sehen sie ihre Lebensziele als erreichbar an, wodurch sich ihr Engagement verstärkt und sie eher Erfolg haben. Optimistische Menschen gehen ausserdem besser mit stressigen Zeiten um und nehmen beispielsweise eher Hilfe an. Sogar auf Ebene der Chromosomen finden sich Unterschiede, nämlich in den Telomerlängen. Telomere schützen die Chromosomenenden vor Schädigungen. Forscher haben herausgefunden, dass Personen mit stärkerer pessimistischer Orientierung kürzere Telomerlängen haben.
Posttraumatische Belastungsstörung
Die posttraumatische Belastungsstörung ist eine verzögerte psychische Reaktion auf ein extrem belastendes Ereignis (Trauma) wie beispielsweise schwere Unfälle, Gewalt, Naturkatastrophen oder Krieg, wobei die Betroffenen Gefühle wie Angst und Schutzlosigkeit erleben sowie Hilflosigkeit und Kontrollverlust empfinden. Typische Merkmale einer posttraumatischen Belastungsstörung sind das wiederholte Erleben des traumatischen Ereignisses, etwa in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks) oder in Träumen (Albträume). Ebenso können Gefühle von Betäubung und emotionaler Stumpfheit, Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen und Teilnahmslosigkeit auftreten. Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen, werden vermieden. Häufig besteht eine übermässige Erregbarkeit des vegetativen Nervensystems mit verstärkter Wachsamkeit, Schreckhaftigkeit und Schlaflosigkeit. Die Störung kann sich kurz nach dem traumatischen Ereignis, aber auch erst Monate oder Jahre später entwickeln.
Stress
Das Leben stellt den Menschen immer wieder vor Herausforderungen. Jede Situation wird vom Gehirn in Sekundenschnelle analysiert und bewertet, beispielsweise als angenehm oder bedrohlich. Bei Bedrohungen reagiert der Körper. Er schüttet Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol aus, dank denen der Mensch auf die Gefahr angemessen reagieren kann, sei es durch Kampf oder Flucht. Ist die Gefahr vorüber, kehrt der Körper in seinen Normalzustand zurück. Oder er sollte es zumindest. Passiert das nicht und wird der Stress dauerhaft, etwa durch grossen Druck am Arbeitsplatz, in der Schule, durch immer schnellere Kommunikationsmittel oder allgemein gestiegene Erwartungen, kann der Mensch krank werden. Der Gestresste fühlt sich unwohl, wird ängstlich oder traurig, launisch oder ungeduldig.
Trauma
Der Begriff Trauma geht zurück auf das altgriechische Wort «traûma», was «Wunde» bedeutet. Als traumatisierend erleben Menschen einschneidende Erfahrungen wie schwere Unfälle, Erkrankungen und Naturkatastrophen, aber auch erhebliche psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt sowie schwere Verlust- und Vernachlässigungserfahrungen. Traumatische Erlebnisse können zu einer posttraumatischen Belastungsstörung führen.
Wissenschaftliche Kontrolle: Dr. phil. nat. Anita Finger Weber
- Quellen
M. A. Wirtz (Hrsg.): «Lexikon der Psychologie», Verlag Hogrefe, 2014
Christina Berndt: «Resilienz. Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft», Deutscher Taschenbuchverlag, 2013
Online-Lexikon für Psychologie und Pädagogik, www.lexikon.strangl.eu
Staatssekretariat für Wirtschaft Seco (Hrsg.): «Erschöpfung frühzeitig erkennen – Burnout vorbeugen», Broschüre, 2015
«Medizinisches Fachwörterbuch von A – Z. Kleines Lexikon für Pflege- und Gesundheitsfachberufe», Elsevier, 2018
Dr. med. Eva Kalbheim: «Resilienz für Dummies», Wiley-VCH Verlag GmbH, 2016
Daniela Schuler, Alexandre Tuch, Nathalie Buscher, Paul Camenzind: «Psychische Gesundheit in der Schweiz. Monitoring 2016», Schweizerisches Gesundheitsobservatorium, 2016
Alan S. Cowen and Dacher Keltner: «Self-report captures 27 distinct categories of emotion bridged by continuous gradients», PNAS, 2017
Jürgen Bengel, Lisa Lyssenko: «Resilienz und psychologische Schutzfaktoren im Erwachsenenalter», Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2012
Sigrun-Heide Filipp, Peter Aymanns: «Kritische Lebensereignisse und Lebenskrisen: Vom Umgang mit den Schattenseiten des Lebens», Kohlhammer Verlag, 2018
Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs, www.gesundheit.gv.at
Universität Zürich, Klinik für Konsiliarpsychiatrie und Psychosomatik, www.psychiatrie.usz.ch
Dr. phil. nat. Anita Finger Weber, Anania Hostettler, eidg. dipl. Apothekerin Christine Funke: «Fachdossier Stress», Schweizerischer Drogistenverband SDV, 2018
Deutsche Traumastiftung, www.deutsche-traumastiftung.de
Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie, www.degpt.de