Griff in die Trickkiste
Weiter, höher, schneller – so lautet die Devise vieler Amateursportler. Um die gewünschten Ziele zu erreichen, greifen sie zu Nahrungsmittelergänzungen – oft ohne Aussicht auf Erfolg.
Powerriegel, Energiegels oder Proteindrinks – Nahrungsergänzungsmittel sind bei Amateursportlern beliebt. Oft sind die Erwartungen aber viel zu hoch geschraubt, denn aufgrund solcher Zusätze ist noch niemand Weltmeister geworden. Ernährungswissenschaftler Christof Mannhart über Sinn und Unsinn bei der Einnahme sogenannter Supplemente.
Herr Mannhart, überall auf der Welt versuchen Sportler ihre Leistungen mit Nahrungsmittelergänzungen zu steigern. Ist die Einnahme dieser oft teuren Supplemente auf die Kaufkraft in den einzelnen Ländern zurückzuführen?
Christof Mannhart: Nur zum Teil – manche Nationen versprechen sich einen höheren Nutzen von Supplementen und gehen mit Medikamenten im Allgemeinen etwas lockerer um. Unter dem Strich stellen wir fest, dass gerade Menschen, die bereits sehr gesundheitsbewusst leben, zu diesen Produkten greifen.
Christoph Mannhart
Christof Mannhart ist Dipl. Ing. Agr. ETH Zürich, hat ein Nachdiplomstudium Humanernährung ETH Zürich, ein Zertifikat für Hochschuldidaktik Berner Fachhochschule sowie das Certificate of Advanced Studies in Counseling Universität Zürich.
Wann sind Nahrungsergänzungen angezeigt?
Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn jemand aufgrund einer Diät zu wenig isst oder einen nachgewiesenen Mangel hat. Eine Supplementierung kann auch aus präventiven Gründen von Nutzen sein. Wer Nahrungsmittelergänzungen zu sich nimmt, sollte dies grundsätzlich in Absprache mit einer Fachperson, sprich Arzt, Drogist oder Ernährungsberater tun.
Wie gross ist die tatsächliche Leistungssteigerung nach der Einnahme von Supplementen?
Der Nutzen dieser Präparate ist nicht genau messbar. Wenn jemand einen Mangel hat, wird er nach deren Einnahme sicher etwas leistungsfähiger. Anders verhält es sich bei einem Weltklassesportler, dessen Grundfaktoren wie Training, Leistungsbereitschaft usw. stimmen. Hier kann die Leistung nach gezielter Einnahme im Prozentbereich differieren – und vielleicht über Sieg oder Niederlage entscheiden. Was aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass gerade Amateursportler, die nicht über ähnliche Voraussetzungen wie Weltklassesportler verfügen, oft zu grosse Hoffnungen in Supplemente setzen. Leistungen kann man sich weder mit einem leichteren Fahrrad usw. noch mit Supplementen «erkaufen». Einzig ein konsequentes Training führt letztendlich zum Erfolg.
Umfrage
Was für eine Rolle spielt die Ernährung?
Eine sehr grosse! Supplemente können eine qualitativ hochwertige Ernährung mit Gemüse, Fleisch, Früchten usw. nur ergänzen. Wer also denkt, in Quantität und Qualität ungesundes Essen liesse sich mit der Einnahme von Vitamintabletten usw. ausgleichen, ist auf dem Holzweg.
Folglich haben Banane, Apfel und Co. als Energiespender nicht ausgedient?
Auf keinen Fall. Sie liefern dem Körper wichtige Stoffe, wie zum Beispiel Pflanzeninhaltsstoffe. Es stellt sich aber die Qualitätsfrage von Frischprodukten. Die Herkunft, Lagerung usw. spielen diesbezüglich eine grosse Rolle.
Pharmariesen wie auch Discounter bieten Nahrungsergänzungsmittel an. Wo sind die qualitativen Unterschiede?
Bezüglich Inhaltsstoffmenge bieten der Fachmarkt und der Discounter oft ähnliche Produkte an. Bei genauerer Betrachtung schneiden die Produkte der Pharmaindustrie, was die Inhaltsstoffqualität betrifft, meist besser ab. Es kann also qualitative Unterschiede geben, welche die höheren Preise der Pharmaindustrie durchaus rechtfertigen.
Kann eine Supplementierung gesundheitsschädigend sein?
Wenn man sich an die verordneten Dosierungen hält, geht man sehr geringe Risiken ein. Wer jedoch nach der Devise «je mehr, desto besser» agiert, bei dem können unerwünschte Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen werden. Bei den Nahrungsmittelergänzungen ist es wie bei vielen anderen Sachen auch: Allzu viel ist ungesund!
Wie fliessend sind die Übergänge zwischen Nahrungsmittelergänzungen und Doping?
Dort lässt sich anhand der Dopingliste eine klare Linie ziehen. Sie gibt darüber Auskunft, welche Substanzen und Methoden verboten sind. Zusätzlich gibt es auch ethische Aspekte im Umgang mit leistungsfördernden Supplementen. Teilweise werden bereits Zwölfjährige von übereifrigen Eltern mit Kreatin-Präparaten versorgt. Dies obwohl man noch nicht genau weiss, wie sich dieses Supplement auf die langfristige Gesundheit der Kinder auswirkt. Zudem stellt sich die Frage, wie die Jugendlichen, die in frühen Jahren mit Nahrungsmittelergänzungen experimentierten, später mit Medikamenten und verbotenen Substanzen umgehen.
Hand aufs Herz: Greifen Sie als Ernährungswissenschaftler auch zu Supplementen?
Als begeisterter Bergsportler gibt es Situationen, in denen auch ich spezielle Getränke zur Regeneration einnehme. Neben dem Konsum qualitativ hochwertiger Lebensmittel wie Früchte, Gemüse, Salat, Nüsse ergänze ich meine Basisernährung mit einem ausgewogenen Multivitaminpräparat.
- Quelle
«WB extra»