Kinder unter Strom: Stress abbauen!
In der heutigen Gesellschaft fängt der Stress früh an. Bereits Kinder im Primarschulalter beklagen Schlafprobleme, Nervosität und Bauchschmerzen. Wenn solche Symptome auftreten, ist es wichtig, zu handeln.
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Stress nimmt bei Kindern zu. Das bestätigt Stefan von Wartburg, Berater bei Pro Juventute. Es ist aber nicht nur ein Gefühl, das ihn leitet, sondern es sind auch Zahlen der Weltgesundheitsorganisation. Diese hat in Studien herausgefunden, dass sich Schlafprobleme, Kopfschmerzen und Bauchweh, Nervosität und Niedergeschlagenheit seit einer ersten Befragung im Jahr 2002 verdoppelt haben. Allesamt Stresssymptome, die auch Stefan von Wartburg immer häufiger geschildert sieht. «Während früher eher Streit mit den Eltern, der Umgang mit der eigenen Sexualität oder Suchtmittel im Zentrum der Gespräche lagen, sind es heute Überforderungsphänomene.»
Vier Stressfaktoren
Das Stresserleben der Kinder sei dabei auf vier Faktoren zurückzuführen, erklärt Stefan von Wartburg: Einmal ist da die Gesellschaft, die mit ihrem hohen Tempo, dem hohen Leistungsniveau und einer Vielzahl an Möglichkeiten Kinder und Jugendliche stresst. «Dank Social-Media-Plattformen nimmt der Quervergleich untereinander zu. Dies baut Druck auf. Dann sind viele bereits überfordert, wenn es um die Berufswahl geht. Alle möglichen Türen stehen offen.»
Meistens wollen auch die Eltern hier ein Wörtchen mitreden, wobei wir bei dem zweiten Stressfaktor angekommen wären: der Rolle der Eltern. «Sie investieren viel, um ihr Kind zu fördern, ermöglichen eine gute Schulbildung, fördern ihre Kinder beim Sport und musikalisch. Doch nicht alle Kinder brillieren. Dieses Investment kann sich bei Kindern als Druck bemerkbar machen», erklärt der Fachberater. Auch die Schule selber bilde einen Stressfaktor. Immer mehr Eltern geben einen Teil ihrer Erziehungsarbeit ab – und wünschen sich von den Lehrerinnen und Lehrern, «dass sie aus ihrem Kind einen sozialkompetenten, talentierten jungen Menschen formen».
Drei Tipps für gestresste Kinder
«Unter Stress wird die Atmung oberflächlich. Atmen Sie zusammen mit Ihrem Kind tief ein. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit dann besonders auf die Ausatmung. Dabei verlangsamt sich der Puls um bis zu zehn Schläge pro Minute.»
«Beobachten Sie Ihr Kind ein paar Wochen und tragen Sie alle Termine in eine Agenda ein. Halten Sie fest, wie lange Ihr Kind für die Schule arbeitet, wie viel Freizeit es hat und wie es seine freie Zeit verbringt. Fragen Sie am Ende des Tages, was ihm gefallen hat und wie anstrengend der Tag war. So erhalten Sie einen Einblick, wie viel Ihr Kind erledigen muss und wie es damit umgeht.»
«Tagebuchschreiben ist eine gute Möglichkeit, Stress abzubauen und anstrengende Tage zu verarbeiten. Jüngeren Kindern kann es helfen, zu malen, ältere Kinder möchten vielleicht lieber etwas auf ihrem Computer festhalten.»
Langeweile tut gut
Und als letzter Faktor seien da die hohen Erwartungen an einen selber, die Ansprüche des Kindes, perfekt, leistungsstark und dynamisch zu sein. Einmal im Hamsterrad drinnen, ist es gar nicht so einfach, wieder herauszukommen. «Immer wieder treffe ich Familien mit Kindern, deren Terminkalender durchorganisiert ist, von Montag bis Freitag, hinzu kommen Pfadi, Sportwettkämpfe oder Theaterproben am Wochenende.»
Deshalb rät von Wartburg, wieder einmal einen Gang herunterzuschalten. Gemeinsam zu schauen, wo man Freiräume schaffen kann. Freiräume, die einem Kind erlauben, einfach einmal nichts zu tun, ein Buch zu lesen, zu spielen, einer Langeweile zu frönen, sich mit sich selber zu beschäftigen. «Die Eltern müssen dies aber auch glaubhaft vorleben. Wenn es ihnen gelingt, etwas Tempo aus dem Alltag zu nehmen und beispielsweise einfach mal eine Tasse Tee am Küchentisch zu trinken oder auf dem Sofa ein Buch zu lesen, ist das sicher ein gutes Vorbild für die Kinder.»
Dinge ansprechen
Stefan von Wartburg gibt zu, dass dieser Schritt auch etwas Rückgrat braucht bei den Eltern. Nein sagen zu können zu Events, auch einmal zu verzichten, wo alle anderen teilnehmen. Einen Schritt zurückmachen, als Familie wieder näher zusammenrücken und einfach mal zusammen spazieren, die Natur beobachten, ein Spiel spielen, ohne Blick auf die Uhr, weil der nächste Termin ansteht.
Stefan von Wartburg rät zu einer offenen Kommunikation, Dinge anzusprechen – und vor allem: sie auch wahrzunehmen. «Wenn der Sohn immer bis 2 Uhr morgens lernt für eine gute Note, dann als Eltern unbedingt das Gespräch suchen. Und erklären, dass es keine 5,5 sein muss und auch eine 4,5 sehr gut ist.» Auch in Sachen Berufswahl ist es für manche Eltern schwierig, die eigenen Wünsche zu begraben. «Ist das Kind handwerklich begabt und freut sich am Umgang mit Werkzeug, ist vielleicht eine handwerkliche Lehre eher passend als der akademische Weg mit einem Studium.» Wenn man mit Gesprächen und Änderungen im Alltag nicht weiterkommt, rät Stefan von Wartburg, beratende Hilfe in Anspruch zu nehmen. Denn im Kindesalter werden die Weichen gelegt, für eine hoffentlich zufriedene Zukunft.
Redaktion: Bettina Epper
Wissenschaftliche Kontrolle: Dr. phil. nat. Anita Finger Weber
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