Lichen sclerosus: Therapie und Pflege

Lichen sclerosus, eine Hautkrankheit im Genitalbereich, wird oft mit einer Pilzinfektion oder Blasenentzündung verwechselt. Für viele Betroffene führt das zu einem jahrelangen Leidensweg.

Lichen sclerosus. Hinter diesem kaum aussprechbaren Namen verbirgt sich eine unheilbare chronische Hautkrankheit im Genitalbereich (siehe Kasten), von der meistens Frauen betroffen sind, aber auch wenige Männer und Kinder. Die wenigsten haben je von dieser Krankheit gehört – und auch viele Gynäkologinnen und Gynäkologen kennen sich nicht gut mit der Krankheit aus. So entsteht für Betroffene oft ein jahrelanger Leidensweg. Dr. Inês Vaz, Fachärztin Gynäkologie und Geburtshilfe am gyn-zentrum in Luzern: «Bevor solche Patientinnen zu uns in die Behandlung kommen, haben sie häufig schon mehr als drei verschiedene Ärzte konsultiert. Viele leiden schon über mehrere Jahre an Beschwerden wie Jucken, Brennen, Schmerzen beim Sex und Wasserlassen.» Im Interview spricht die Ärztin über die Therapie und Pflege.

Fakten über Lichen sclerosus

Lichen sclerosus ist wahrscheinlich eine Autoimmunkrankheit, sicher eine chronisch entzündliche Hautkrankheit im äusseren Genitalbereich. Dazu gehören Schamlippen, Klitoris, Vorhaut der Klitoris, Vaginaeingang. In etwa 15 Prozent der Fälle tritt die Krankheit auch an anderen Körperstellen auf. Die Krankheit ist nicht heil-, aber behandelbar. Weil Lichen sclerosus keine Infektionskrankheit ist, ist sie weder ansteckend noch sexuell übertragbar.

Ursachen: Die genaue Ursache der Krankheit ist unbekannt. Ärzte vermuten, dass genetische und hormonelle Komponenten eine Rolle spielen. Häufig sind innerhalb der Familie mehrere Personen von Lichen sclerosus betroffen.

Symptome: Jucken, Brennen, Rötungen, Schmerzen beim Wasserlassen, weisslicher Belag, kleine Hautrisse an den äusseren Genitalien wie Schamlippen, Damm und Anus. Betroffene haben häufig auch Pilzinfektionen oder wiederkehrende Blasenprobleme ohne bakteriellen Befund. Kinder spüren häufig ein Jucken und Brennen und leiden ebenfalls oft zusätzlich an Blasenbeschwerden.

Verlauf: Körpereigene Zellen zerstören im Genitalbereich das elastische Bindegewebe der Unterhaut und die Gefässe entzünden sich. Das reizt die Haut und sie wird empfindlich. Die Folgen sind Wunden und Verschorfungen. Längerfristig bilden sich bei Frauen die kleinen Schamlippen zurück, der Scheideneingang wird enger, die Vorhaut begräbt die Klitoris und das Risiko für Vulva-Krebs steigt. Bei Männern kann es zu einer Harnröhren- und Vorhautverengung kommen. Schreitet die Krankheit weiter voran, kann operiert werden, damit die Genitalien wieder funktionieren. Die Krankheit verläuft bei den meisten Betroffenen in Schüben, wobei manchmal auch jahrelang keine Symptome spürbar sind.

Dr. med. Inês Vaz: Warum hat die Krankheit Lichen sclerosus einen Namen, den kaum jemand richtig gut aussprechen kann?

Dr. med. Inês Vaz: Lichen Sclerosus stammt aus dem Griechischen. Leichén heisst Flechte und sklerós trocken. Die kranke Haut ähnelt Zigarettenpapier. Sie ist weiss, dünn, trocken und sehr empfindlich.

Betroffen von der Krankheit sind rund drei Prozent der Frauen. Wie sieht es bei den Männern und Kindern aus?

Bei den Kindern sind es etwa 0.1 bis 1 Prozent. Bei den Männern ist zirka einer unter 1000 betroffen. Ich glaube aber, dass die Betroffenheitszahlen höher sind.

Warum?

Viele Knaben oder junge Männer werden beispielsweise wegen Vorhautverengung operiert. Wahrscheinlich war Lichen sclerosus die primäre Ursache. Aber es kann sein, dass die Krankheit nicht diagnostiziert wurde. Männer gehen auch seltener zum Arzt, selbst wenn sie Beschwerden wie Juckreiz haben oder eine zu enge Vorhaut. Und bei den Kindern gibt es noch ein anderes Problem. Ein Kind sagt vielleicht einfach: ‹Es juckt›. Die Eltern denken dann vielleicht, dass das an den Windeln, den Hosen oder einer zu wenig guten Hygiene liegt. Dazu kommt, dass die Krankheit im Frühstadium schwierig zu erkennen ist. Die typischen Vernarbungen, klare Anzeichen von Lichen sclerosus, sind meistens noch nicht vorhanden. Das macht die Diagnose schwierig.

Was raten Sie Eltern, wenn ein Kind häufig über Juckreiz im Genitalbereich klagt?

Wichtig ist, dass die Eltern von dieser Krankheit wissen und sich beim Kinderarzt beraten lassen. Weniger Beschwerden haben Kinder, wenn die Genitalien nur mit Wasser gewaschen werden, die Unterhosen aus 100 Prozent Baumwolle bestehen und eine nasse Badehose sofort durch eine trockene ersetzt wird. Auch Feuchttücher sollten vermieden werden.

Aber auch bei Frauen wird die Krankheit oft nicht sofort erkannt …

Ja. Viele Ärzte kennen die Krankheit noch nicht so gut. Und das Problem ist, dass Lichen sclerosus ähnliche Symptome zeigt wie eine Blasenentzündung oder Pilzinfektion, was häufig zu einer falschen Diagnose führt. Oder wenn Frauen in den Wechseljahren Schmerzen beim Sex haben, denkt man einfach, dass das normal ist, weil schliesslich viele Frauen in dieser Phase unter Scheidentrockenheit leiden.

Warum kennen Frauenärzte Lichen sclerosus nicht?

Das hat wahrscheinlich mit der Grundausbildung und Erfahrung zu tun. Nicht immer wird diese Krankheit gleich intensiv thematisiert. Beim Verein Lichen Sclerosus kann man sich über die Krankheit informieren und erfährt, welche Ärzte sich in diesem Fachgebiet spezialisiert und am meisten Erfahrung haben.

Wie behandelt man die Krankheit?

Die Krankheit kann nicht geheilt werden. Gegen das Jucken, Brennen, die Entzündung und Vernarbung hilft lokal eine Cortisonsalbe. Am Anfang der Behandlung wendet man sie einmal pro Tag während 12 Wochen an. Danach in der Regel noch zweimal pro Woche. Die Therapie ist aber sehr individuell.

Auf der Haut angewendetes Cortison kann brennen oder die Haut dünner machen. Was tun bei diesen Nebenwirkungen?

Wenn es immer brennt, gibt es Alternativen. Zum Beispiel Salben mit den immunsuppressiven und entzündungshemmenden Wirkstoffen Tacrolimus oder Pimecrolimus. Aber diese Salben wirken weniger schnell als Cortison. Und so ein Produkt soll zweimal täglich angewendet werden. Zu einer Hautverdünnung durch Cortison kommt es meistens, wenn zu viel Salbe aufgetragen wird. Eine Menge in der Grösse einer Perle reicht.

Was gilt bei der Intimpflege zu beachten?

Die Haut muss gut und richtig gepflegt werden. Das heisst, die Genitalien nur mit lauwarmem Wasser waschen. Von pH-neutralen Produkten rate ich ab, weil die Haut selbst dafür zu empfindlich ist. Zum Pflegen und rückfetten der Haut empfehle ich fetthaltige Cremes aus dem Fachhandel. Wir haben auch Patientinnen, die sehr zufrieden sind mit Mandel-, Kokosnuss-, Aprikosen- oder Olivenöl. Man muss ausprobieren und herausfinden, was sich gut anfühlt. Wichtig ist, keine synthetische Unterwäsche zu tragen, weil sie die Haut reizen kann. Gut sind Stoffe aus 100 Prozent Baumwolle oder Seide. Und während der Menstruation tragen Frauen am besten waschbare Baumwollbinden oder die Menstruationstasse. Aber Hygieneprodukte, vor allem Slipeinlagen, sollten Frauen nur während der Menstruation tragen, damit die Haut atmen kann und nicht gereizt wird.

Was sind die Folgen, wenn Lichen sclerosus nicht erkannt und behandelt wird?

Lichen sclerosus ist eine chronische Hautentzündung. Nach jeder Entzündung muss sich die Haut erholen, es bilden sich Narben. In einem frühen Stadium sieht man das nicht. Später dagegen kann sich die Anatomie komplett verändern. Die kleinen Schamlippen verschwinden, die Vorhaut wird enger und begräbt die Klitoris oder die Eichel des Mannes unter sich. Der Vaginaeingang verengt sich, wodurch beim Sex Hautrisse und Schmerzen entstehen. Oder der Sex ist gar nicht mehr möglich. In so einem Fall kann operiert werden.

Warum nicht gleich operieren statt ein Leben lang Cortison nehmen?

Die Operation heilt die Krankheit nicht. Sie korrigiert nur die Vernarbung und Verengung. Nach der Operation muss weiterhin Cortison angewendet werden.

Gibt es zusätzliche hilfreiche Therapien im Naturheilkundebereich?

Es wird vermutet, dass Lichen sclerosus eine Autoimmunkrankheit ist. Deshalb hilft alles, was das Immunsystem unterstützt. Wenn die Körperabwehr gut funktioniert, haben Betroffene weniger Schübe. Wichtig sind auch genug Zink und Vitamin D und A. Sie fördern die Wundheilung. Bei Vitaminmangel sind Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sowie eine Ernährungsumstellung. Im Fachhandel sind auch Zinksalben erhältlich, die die Wundheilung bei offenen Rissen und Wunden zusätzlich unterstützen.

Was machen Lichen-sclerosus-Betroffene psychisch durch?

Viele sind sehr beschränkt in ihrer Sexualität, ob jung oder alt. Schwierig ist für eine Partnerschaft, wenn kein Geschlechtsverkehr möglich oder ein Kinderwunsch da ist. Kürzlich behandelte ich eine frisch verheiratete, 25-jährige Muslimin. Sie muss Geschlechtsverkehr haben, sonst kann die Ehe aufgehoben werden. Bei psychischen Problemen sind Sexualtherapeuten, die Lichen sclerosus kennen, gute Anlaufstellen. Bei Vulvaproblemen helfen auch Physiotherapeuten und Beckenbodenspezialisten (siehe Kasten «Mehr Wissen»).

Was hilft sonst noch gegen Beschwerden oder Schmerzen beim Sex?

Eine leere Blase, um besser entspannen zu können. Und ein gutes Gleitmittel. Am verträglichsten sind wasserbasierte Gels ohne Parfüm und ohne kühlenden oder wärmenden Effekt. Wasserbasierte Gleitgels vertragen sich auch gut mit Latexkondomen, sie greifen das Material nicht an.

Wie sollen Lichen-sclerosus-Patientinnen am besten verhüten?

Gleich wie Frauen ohne die Krankheit. Aber es gibt Patientinnen, die das Kondom stören und ein zusätzliches Trauma verursachen kann. Und bei bestimmten Frauen kann die Pille ein potenzieller Auslöser für Lichen sclerosus sein.

Autorin und Redaktion: Vanessa Naef

Quellen
  • Verein Lichen sclerosus

  • Dr. Inês Vaz, Fachärztin Gynäkologie und Geburtshilfe am gyn-zentrum in Luzern

  • gynaekologie.usz.ch