Was den Geschmackssinn beeinflussen kann

Essen oder ein Getränk schmecken nicht immer gleich. Je nach dem, wo und in welcher Atmospähre man sie zu sich nimmt, kann sich der Geschmack verändern.

Die meisten kennen solche Situationen: In den Ferien in Frankreich, ein Altstadtrestaurant, französische Chansons aus dem Radio und dieser exzellente Rotwein, von dem man unbedingt ein paar Flaschen nach Hause nehmen muss. Nur: Daheim schmeckt der Wein plötzlich gar nicht mehr so gut. Das ist nicht nur Einbildung, wie Lebensmitteltechnikerin Prof. Dr. Irene Chetschik von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZAHW) sagt. «Die Rezeptoren funktionieren selbstverständlich immer gleich, es laufen immer dieselben biochemischen Prozesse ab. Aber das ganze Drumherum, die Atmosphäre, spielt eben auch eine Rolle. Das wurde bereits in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen.»

Das Ohr isst mit

Geschmäcke lassen sich auch über das Gehör beeinflussen, etwa durch Musik, wie Sensorikerin Christine Brugger sagt. «Der britische Gastronom Heston Blumenthal zum Beispiel setzt seinen Gästen Kopfhörer mit Meeresrauschen auf, während sie Austern essen, damit diese noch intensiver schmecken.»

Luftdruck verändert Geschmack

Der Luftdruck kann den Geschmack eines Lebensmittels ebenfalls verändern. Darum schmeckt das Essen im Flugzeug oft anders als gewohnt. Ein tiefer Luftdruck, wie er in einem Flugzeug herrscht, reduziert den Geschmack. Essen verliert 20–30 Prozent an Salzigkeit, 15–20 Prozent an Süsse. Sauer und bitter hingegen bleiben mehr oder weniger unverändert, und umami wird als bevorzugt empfunden.

Thermal-Taster

Dass nicht nur der Druck, sondern vor allem die Temperatur eines Lebensmittels einen Einfluss auf dessen Geschmack hat, wissen die meisten aus eigener Erfahrung. Eine warme Cola schmeckt zum Beispiel viel süsser als eine eiskalte. Etwa die Hälfte aller Menschen sind sogar sogenannte Thermal-Taster. Sie können etwas schmecken, obwohl gar kein Geschmacksträger vorhanden ist. Das passiert, wenn die Temperatur der Geschmacksrezeptoren auf der Zunge, beispielsweise mit einem Eiswürfel, verändert wird. Das löst bei den Thermal-Tastern einen Reiz aus und lässt sie einen Geschmack wahrnehmen, der gar nicht vorhanden ist. Sie schmecken zum Beispiel «süss», obwohl gar kein Zucker vorhanden ist.

Aus sauer wird süss

Der Geschmackssinn kann auch getäuscht werden. Das beweist die afrikanische Wunderbeere Synsepalum dulcificum. Sie hat selber keinen Geschmack, kommt sie aber mit Säure in Berührung, schmeckt alles plötzlich sehr süss. Das Wunder liegt im Protein Miraculin, das an die Geschmacksknospen der Zunge andockt und sie so «verwandelt». Jene Rezeptoren, die auf Zucker ansprechen, werden dadurch aktiviert, obwohl gar kein Zucker da ist. Der Effekt dauert mehrere Stunden an. Mit diesem Trick lockt die Beere Vögel an, die eigentlich nur auf süsse Früchtchen fliegen. Miraculin wäre als kalorienfreies Süssungsmittel interessant, die künstliche Herstellung ist aber kompliziert und entsprechend teuer. Die Wissenschaft arbeitet derzeit an gentechnisch veränderten Bakterien, die Miraculin erzeugen sollen. In Japan gibt es ausserdem bereits transgenen Salat, der Miraculin erzeugt und der entsprechend süss schmeckt.

Autorin und Redaktion: Bettina Epper
Wissenschaftliche Kontrolle: Dr. phil. nat. Anita Finger Weber
Quellen
  • Sensorikwissenschaftlerin Christine Brugger

  • Lebensmitteltechnikerin Prof. Dr. Irene Chetschik, Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZAHW

  • Jonas Inderbitzin; Leyla Roth-Kahrom: «Grundlagen der Sensorik», Agroscope (Hrsg.), 2020

  • Karlsruher Institut für Technologie, www.botanik.kit.edu