Zecken: Die ganze Schweiz ist Risikogebiet
Zecken sind auf dem Vormarsch. Für den Menschen ist das gefährlich. Zeckenforscher Werner Tischhauser über die Ausbreitung der Tiere, die Gefahren und Prävention.
Herr Tischhauser, was fasziniert Sie an Zecken?
Werner Tischhauser: Zecken besitzen ganz besondere Fähigkeiten. Zum Beispiel können sie anhand von Wärme oder höheren CO2-Konzentrationen sich nähernde Wirte wie Tiere und Menschen aufspüren. Oder um unbemerkt Blut zu saugen, betäuben sie die Stichstelle. Und: Zecken sind fast nicht totzukriegen. Eine Nacht im Gefrierfach oder einen Wäschegang bei 40 °C überleben sie locker. Sibirische Winter mit konstant minus 20 °C oder Hitze über 30 °C kombiniert mit Trockenheit bekommt ihnen dagegen nicht gut.
Warum gibt es diese Tiere?
Man hat beobachtet, dass Waldameisen vollgesogene Zeckenweibchen abtransportieren, weil das Blut einen hohen Nährwert hat. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Zecke die Aufgabe hat, Mikroorganismen im Umlauf zu halten und so einen Beitrag an die Biodiversität leistet.
Ich werde viel häufiger von Zecken gestochen als mein Partner. Warum?
Die Zecke reagiert auf Stoffwechselabbauprodukte wie Schweiss oder flüchtige Stoffe, die wir über die Haut ausscheiden. Auf was Zecken genau abfahren, weiss aber niemand.
Zecken mögen nicht nur mich. Im letzten Jahr haben sie für so viele Borreliose- und FSME-Fälle gesorgt wie nie zuvor. Warum?
Der Frühling war temperaturmässig günstig für die Zecken. Und bei schönem Wetter sind die Menschen mehr draussen. Jedoch kann es auch sein, dass die Klimaveränderung sich günstig auf die übertragbaren Krankheitserreger auswirkt und dadurch mehr von ihnen in Zecken vorkommen. Vieles wissen wir nicht mit Sicherheit.
Wie hoch ist das Risiko, aufgrund eines Zeckenstichs krank zu werden?
Wenn man die Schlagzeilen der Medien betrachtet, könnte man schnell den Eindruck bekommen, dass Borreliose und FSME ein riesiges Problem sind. Doch die Statistik zeigt, dass es nur bei 3 von 100 Zeckenstichen zu einer Borreliose-Infektion und bei weniger als einem Prozent aller Zeckenstiche in Risikogebieten zu FSME kommt. In den meisten Fällen bekämpft das Immunsystem eine Zeckenkrankheit, ohne dass wir es merken.
Machen wir uns also zu viele Sorgen?
Zecken sind eine reale Gefahr. Aber deshalb aus Angst auf tolle Aktivitäten in der Natur verzichten, wäre falsch. Ich empfehle, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, sich gut zu schützen.
Wie schnell sticht eine Zecke?
Ein paar Experten sind der Meinung, dass eine Zecke nach einer dünnen, feuchten und gut durchbluteten Hautstelle sucht. Ich glaube, dass sie sich mit der erstbesten Stelle zufriedengibt. Dank unserer App wissen wir, dass alle Körperteile betroffen sind. Bei Erwachsenen saugen sich Zecken häufiger unterhalb des Bauchnabels fest, bei Kindern am Kopf.
Zecken breiten sich immer mehr aus. Warum?
Wir erhalten aus jeder Region der Schweiz Zeckenmeldungen. Wo es Wälder gibt, kommen Zecken wahrscheinlich sogar bis zur Waldgrenze auf 2000 Meter über Meer vor. Weil die Jahresdurchschnittstemperaturen gestiegen sind, hat sich das mögliche Verbreitungsareal in den Höhenlagen ausgeweitet. Der Zecke zugute kommen zusätzlich ökologische Aufwertungsmassnahmen, Renaturierungen von Flussläufen und die generelle Ausweitung von Waldflächen. Wenn die Erderwärmung weiter zunimmt, wird es der Zecke wahrscheinlich erst 2040 zu trocken – den Menschen jedoch auch.
Werner Tischhauser ist Zeckenforscher an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Er hat unter anderem die Zeckenpräventions-App mitentwickelt. Diese hilft, mehr über die Parasiten und ihre Verbreitung zu erfahren sowie die Übertragung von Krankheiten zu verhindern.
- Artikel Drogistenstern [1.04 MB]
Wissenschaftliche Kontrolle: Dr. phil. nat. Anita Finger Weber
- Quellen
Werner Tischhauser, Zeckenforscher an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW)