Nachtlärm: Kein Gewöhnen möglich

Es gibt Menschen, die können ruhig neben einer vielbefahrenen Strasse schlafen. «Man gewöhnt sich dran», sagen sie. Das stimmt aber nur vordergründig.

Ohren schlafen nie, sie hören alles. Auch nachts. Ebenso ist unser Gehirn nachtaktiv. Dies sind die Faktoren, weshalb Nachtlärm schadet, auch wenn man sich dessen nicht bewusst ist.

  • Es sind die Nerven, die auf Lärm reagieren. Das Gehör wird erst bei sehr lauten Schalleinwirkungen geschädigt. Anders die Nerven, sie reagieren selbst auf leisen Lärm. Lärm versetzt uns in Alarmbereitschaft, der Körper stellt sich auf Flucht ein. Liegen wir sicher im Bett und vor dem Haus braust ein Lastwagen vorbei, müssen wir zwar nicht fliehen, im Körper wird aber doch ein Fehlalarm ausgelöst. Der Körper wiegt sich in Ungewissheit und seine Reaktionsbereitschaft wird unnötig hoch gehalten. Die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol werden ausgeschüttet. Unsere Wachsamkeit ist erhöht, der Blutdruck und die Herzfrequenz steigen.

  • Lärm am Tag lenkt ab und schwächt die Konzentration. Lärm in der Nacht stört das Ein- und Durchschlafen und verkürzt die Tiefschlafphasen. Schlafen ist kein Luxus, es ist lebensnotwendig. Wer lange Zeit schlecht schläft, zahlt einen hohen Preis: chronische Müdigkeit, erhöhte Reizbarkeit und Abnahme der Leistungsfähigkeit sind die Folgen.

  • Lärm ist störender Schall, der keine Rücksicht darauf nimmt, ob man ihn wahrnehmen will oder nicht. Lärm zwingt das menschliche Hirn zu einer aufwändigen Filterleistung, die viel Energie braucht. Wer trotz Lärm konzentriert arbeiten oder durchschlafen will, muss lernen, welche Schallereignisse von Bedeutung sind (leises Piepsen des Weckers) und welche nicht (vorbeidonnernder Lastwagen). Dieses Abwägen und Aussortieren führt dazu, dass dem Unterbewusstsein kaum eine Verschnaufpause gewährt wird.

  • Lärm wirkt immer als Weckreiz, wird aber je nach Herkunft ganz unterschiedlich wahrgenommen. Die störende Wirkung steigt jedoch keineswegs parallel zur physikalisch messbaren Lärmintensität. So können johlende Jugendliche auf dem Nachhauseweg unbemerkt bleiben, aber das leiseste Brabbeln eines Säuglings die Mutter aufwecken.

  • Lärm ist jedoch nicht nur eine direkte Störquelle. Auch dauernder Lärm am Arbeitsplatz und bei Freizeitaktivitäten wirkt sich belastend auf das vegetative Nervensystem aus. Taglärm kann dann die Ursache für Schlafstörungen sein.

Was tun gegen Lärm?

  • Als Schlafzimmer jenes Zimmer wählen, das von der Strasse abgewandt liegt.

  • Dichte lärmminderne Vorhänge oder Teppiche aufhängen bzw. auslegen.

  • Auch gibt es schalldämpfende Wandbespannungen (Spezialtapeten) zu kaufen.

  • Hingegen muss der Einbau von Schallschutzfenstern gut überlegt sein, steht er doch in Konkurrenz mit einem notwendigen Luftaustausch. Auf der Wiener Technischen Universität wurde berechnet, dass die höchsten chemischen Schadstoffpegel in Räumen mit modernen Isolationsfenstern zu finden sind. Der notwendige Luftaustausch wird durch lärmisolierende Fenster verhindert.

  • Auch Ohropax oder akustische Watte können kurzfristig helfen.

  • Gegen Nachtlärm hilft manchen Menschen das Abspielen von Weissem Rauschen. Unter Weissem Rauschen versteht man Geräusche, die sich aus allen Frequenzen des hörbaren Bereichs (16 Hz bis 20 kHz) zusammensetzen. In ihm sind alle Frequenzen mit gleicher Amplitude, d.h. dem gleichen Lautstärkepegel enthalten. Es wird vom Ohr als eine Art Zischen wahrgenommen. Weisses Rauschen verursachen beispielsweise Haarföhns oder Ventilatoren, Radiostationen ohne definierten Empfang.

  • Geht es um ein gelegentliches Gestörtsein durch Nachtlärm gilt es den Rat des Zurzacher Schlafmediziners Jürg Schwander zu befolgen: «Sich nicht ärgern, lautet die Regel Nr. 1.» Wer sich enerviert, ist gestresst und kann erst recht nicht mehr einschlafen.

Körpereigene Verteidigungslinie gegen Stress

Auch wenn man sich nicht an Lärm gewöhnen kann, so schafft es der Körper dennoch zu einem gewissen Mass, eine Verteidigungslinie gegen lärmbedingten Stress aufzubauen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München haben herausgefunden, dass das Gehirn seinen Schlaf aktiv gegen Lärm verteidigt. Das funktioniert so: Meldet das Gehör einer schlafenden Person Reize, die leicht von der gewohnten Geräuschkulisse abweichen, passieren zweierlei Dinge. Die normale Reaktion der Ohren bleibt aus, man «hört» nichts. Gleichzeitig werden bestimmte Bereiche des Gehirns gedrosselt. Die Forscher halten dies für einen Schutzmechanismus, der verhindern soll, dass Schlafende ständig aufwachen. Dadurch werden quasi die Alarmantennen besänftigt. Dies funktioniere aber nur bei leicht abweichenden Reizen: klingelt der Wecker, ist man beim ersten Ton wach.

Wer ist von Lärm besonders betroffen

Bestimmte Gruppen sind auf Lärmbelastung besonders anfällig. Da Kinder länger schlafen als Erwachsene, sind sie nächtlichem Lärm in verstärktem Masse ausgesetzt. Chronisch Kranke und ältere Menschen sind allgemein anfälliger für Ruhestörung. Schichtarbeiter tragen ein besonders hohes Risiko, da ihre Schlafstruktur durchs Schlafen tagsüber permanent gestört ist. Sie reagiern auf Lärm besonders sensibel. Generell sind einkommensschwache Bevölkerungsschichten überproportional von Lärmbelästigungen betroffen, da sie sich ein Leben in ruhigen Wohngebieten oder gut schallisolierten Wohnungen meist nicht leisten können. «Wenn der Staat nichts gegen Lärmbelastung unternimmt, muss mit einer Ausweitung der Kluft zwischen Arm und Reich gerechnet werden», warnt die WHO.

Autorin und Redaktion: Katharina Rederer
Quellen
  • WHO - Night Noise Guidelines for Europe (www. Euro.who.int), 2009

  • ddeutsche.de

  • wissen aktuell Radio DRS2 Juni 2012

  • Baudirektion des Kantons Zürich

  • artikelmagazin.com