Schmerzmittel und Alkohol

Gefährlicher Mix

Rezeptfreie Schmerzmittel sind nicht per se ungefährlich. Viele Gesundheitsexperten raten beispielsweise von der Kombination Schmerzmittel und Alkohol ab. Worauf Sie achten sollten.

Wieder einmal eine Erkältung, Kopfschmerzen oder etwas verstaucht? Schnell sind rezeptfreie Schmerzmittel mit den Wirkstoffen Paracetamol, Diclofenac, Ibuprofen, Acetylsalicylsäure oder Naproxen zur Hand und die Schmerzen wie weggeblasen. Trotzdem wäre es schön, am Abend mit Freunden ein Bier oder zum Abendessen ein Glas Wein zu geniessen. Nun steht aber in der Packungsbeilage, dass Alkohol verboten ist.

Schmerzmittel schnell aufgenommen

Ein paar Stunden nach der Einnahme eines rezeptfreien Schmerzmittels ein Glas Wein oder Bier zu trinken ist allerdings nicht gefährlich. «Nicht bei einem gesunden Menschen», sagt Christian Hebeisen, Biologe und Berufsschullehrer an der Höheren Fachschule für Drogistinnen und Drogisten (ESD). «Nüchtern eingenommen, braucht der Körper zwischen 30 bis maximal 60 Minuten, bis er den Wirkstoff des Schmerzmittels vollständig aufgenommen hat.» Wer also ein paar Stunden später ein alkoholisches Getränk konsumiere, müsse in der Regel nicht mit zusätzlichen Risiken und Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen rechnen.

Katerstimmung

Auch bei einem Kater dürfe man problemlos ein bis zwei Schmerztabletten zu sich nehmen. «Man soll aber unbedingt immer auf die richtige Dosierung achten.» Personen, die jedoch über einen längeren Zeitraum Schmerzmittel schlucken müssen oder höhere Dosierungen einnehmen, empfiehlt Hebeisen, auf alkoholische Getränke zu verzichten.

Beratung ist wichtig

Der Gesundheit schaden, können Schmerzmittel grundsätzlich dann, wenn jemand zu viel davon einnimmt oder sie länger als empfohlen schluckt. «Je höher die Dosis und je länger Einnahmedauer, desto stärker die Nebenwirkungen und grösser die Risiken. Ob mit oder ohne Alkohol», sagt Hebeisen. Am besten sollten sich alle, die zu frei verkäuflichen Schmerzmitteln greifen, professionell beraten lassen und sich stets an die Empfehlungen und richtige Dosierung halten. Gerade für Schwangere, Kinder und kranke Menschen gelten andere Grenzwerte. Weiter können bestimmte Schmerzmittel zum Beispiel andere Medikamente beeinflussen. Wer mit einer Fachperson spricht, kann schädliche Folgen vermeiden.

Leberversagen durch Paracetamol?

Immer wieder warnen Medien vor der Kombination Alkohol und Paracetamol. Es heisst, dies könne Leberversagen verursachen, weil die Leber durch den Abbau beider Substanzen angeblich doppelt belastet werde. Hebeisen widerspricht dieser Theorie und erklärt: «Ethanol im Alkohol und Paracetamol werden grösstenteils von zwei verschiedenen Enzymen in der Leber abgebaut. Deshalb ist sie nicht so schnell überbelastet.» Ein erhöhtes Risiko für Leberversagen bestehe aber dann, wenn jemand übermässig Paracetamol einnehme oder regelmässig übermässig Alkohol konsumiere.

Paracetamol-Vergiftungen nehmen zu

Baut die Leber Paracetamol ab, entsteht das giftige Stoffwechselprodukt N-Acetyl-p-benzochinonimin (NAPQI). «Bei korrekter Dosierung ist dies für den Körper verträglich. Doch bei Überdosierung entsteht zu viel NAPQI. Das kann Leberzellen zerstören und schlimmstenfalls zum Tod führen.» Die Anzahl der Vergiftungen durch Überdosierung mit Paracetamol hat sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt. 2005 verzeichnete der schweizerische Vergiftungsnotruf Tox Info Suisse rund 600 Beratungsfälle, 2016 waren es 1200 – also täglich mehrere Anrufe. Seit 2005 habe es zudem vermehrt schwere und sogar tödliche Paracetamol-Vergiftungen gegeben.

Paracetamol: Richtige Dosierung

Paracetamol in Kombinationsmitteln

Bei Fieber und Erkältung greifen viele zu Erkältungs- oder Fiebersenkungsmitteln. Diese enthalten oft bereits Paracetamol. Achten Sie darauf, dass Sie die tägliche Dosis nicht überschreiten, indem Sie gegen Schmerzen zusätzlich Einzelpräparate mit Paracetamol schlucken. Ob ein Kombinationspräparat diesen Wirkstoff enthält, sehen Sie in der Packungsbeilage. «Ein gesunder erwachsener Mensch sollte über den Tag verteilt nicht mehr als 4 Gramm Paracetamol einnehmen», sagt Christian Hebeisen, Biologe und Berufsschullehrer an der Höheren Fachschule für Drogistinnen und Drogisten (ESD).

Empfehlung für Alkoholabhängige

Alkoholabhängigen empfiehlt der Fachmann, eine niedrigere Dosis einzunehmen – eine maximale Tagesdosis von 3 Gramm. Menschen mit einer schweren Leberkrankheit wie Leberzirrhose oder Hepatitis sollten auf Paracetamol verzichten.

Überdosierung mit Paracetamol

Symptome einer Paracetamol-Überdosierung sind unter anderem:

  • Übelkeit

  • Appetitlosigkeit

  • Erbrechen

  • Unterleibsschmerzen

Wer dies verspürt, sollte zum Arzt. In einem Notfall können Betroffene auch die Telefonnummer von Tox Info Suisse wählen (145).

So wirkt Paracetamol

Wie die Paracetamol genau wirkt, ist noch nicht restlos geklärt. Der Arzneistoff hemmt vermutlich via Gehirn die Bildung von Prostaglandinen. Das sind Botenstoffe, die die Entstehung von Schmerzen beeinflussen. Daneben wirkt das Medikament auf das Temperaturregulationszentrum im Gehirn ein und kann so Fieber senken.

Paracetamol gilt als veträglich

Viel weniger oft kommen beispielsweise Vergiftungen mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Acetylsalicylsäure und praktisch gar keine mit Ibuprofen vor, sagt Hugo Kupferschmidt, Direktor von Tox Info Suisse. «Das liegt daran, dass eine Überdosierung mit Paracetamol viel schneller zu einer Vergiftung führt, als wenn jemand zu viel eines NSAR einnehme.» Trotzdem sei therapeutisch eingenommenes Paracetamol im Vergleich zu den NSAR meistens viel verträglicher (siehe Zusatzinformationen: Alles Wichtige über die NSAR).

NSAR und Alkohol

Schlimmstenfalls und nur ganz selten führt die Kombination Acetylsalicylsäure/Ibuprofen und Alkohol zu Magenblutungen und Magendarmgeschwüren. Christian Hebeisen, Biologe und Berufsschullehrer an der Höheren Fachschule für Drogistinnen und Drogisten (ESD): «Diese Gefahr besteht primär, wenn jemand die Dosierung stark überschreitet oder von Schmerzmitteln Magenbeschwerden bekommt.»

Das passiert im Körper

Acetylsalicylsäure und Ibuprofen gehören zur gleichen Medikamentengruppe – zu den nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR). Sie inaktivieren die Enzyme Cyclooxygenasen (COX). Dadurch werden die schmerz-, entzündungs- und fieberfördernden Botenstoffe Prostaglandine, die durch die COX produziert werden, reduziert. So lässt der Schmerz nach und das Fieber sinkt. Warum es schlimmstenfalls zu einer Magenblutung kommen kann: Die Prostaglandine reduzieren neben Schmerzen auch die Magensäureproduktion. Ausserdem sorgen sie dafür, dass sich im Magen Schleim bildet, der die Magenwand vor der Magensäure schützt. Doch weniger der Botenstoffe bedeuten auch weniger Schleim und mehr Säure. So kann die Magensäure die Magenwand angreifen – und weil Alkohol die Magenschleimhaut zusätzlich reizt, ist das Risiko, eine Magenblutung zu bekommen, erhöht.

Ibuprofen ist oft verträglicher

Laut Hebeisen ist Ibuprofen verträglicher und nebenwirkungsarmer als Acetylsalicylsäure. «Es gibt Studien, die zeigen, dass Ibuprofen weniger Magendarmbeschwerden verursacht, als andere NSAR-Medikamente.» Dafür nennt Hebeisen einen möglichen Grund: «Acetylsalicylsäure inaktiviert die COX für immer. Ibuprofen dockt dagegen nur für kurze Zeit an die Enzyme an. Dieser Wirkungsmechanismus ist schonender.» Deshalb empfiehlt Hebeisen besonders Menschen, die einen empfindlichen oder übersäuerten Magen haben, eher Schmerzmittel mit Ibuprofen oder noch besser, Paracetamol einzunehmen.

Überdosierung mit Acetylsalicylsäure

Eine Überdosierung mit Acetylsalicylsäure kann zu einer Vergiftung führen. Symptome einer Acetylsalicylsäure-Überdosierung sind unter anderem:

  • Übelkeit und Erbrechen

  • Schwitzen

  • Ohrengeräusche

Bei einer schweren Vergiftung ausserdem beispielsweise:

  • Fieber

  • Benommenheit

  • Atembeschwerden

  • Krämpfe

  • Verwirrtheit

Vergiftungssymptome können bereits innerhalb weniger Stunden auftreten oder erst nach Tagen. Wer eine Vergiftung vermutet, sollte zum Arzt. In einem Notfall können Betroffene auch die Telefonnummer von Tox Info Suisse wählen (145).

Schmerzmittel nicht mit Alkohol mischen

Ein No-go ist, ein Schmerzmittel mit einem alkoholischen Getränk runterzuspülen. Alkohol regt die Durchblutung an und wirkt im Magen wie ein Lösungsmittel. «Das kann dazu führen, dass Paracetamol, Ibuprofen und Co. im Körper schneller aufgenommen werden und stärker wirken. So können auch die Nebenwirkungen verstärkt auftreten», sagt Hebeisen. Das gilt allerdings nicht nur für die Kombination Schmerzmittel und Alkohol. «Der Ethanol im Alkohol kann die Wechselwirkungen zwischen jedem Medikament und dem Körper beeinflussen.» Medikamente nimmt man am besten mit einem Glas Wasser zu sich.

Mehr über die verschiedenen Wirkstoffe und welches Schmerzmittel wann hilft, finden sie hier.

Autorin und Redaktion: Vanessa Naef
Wissenschaftliche Kontrolle: Dr. phil. nat. Anita Finger Weber
Quellen
  • Christian Hebeisen, Dr ès sciences, Biologe und Berufsschullehrer an der Höheren Fachschule für Drogistinnen und Drogisten (ESD)

  • Hugo Kupferschmid, Dr. med und Direktor von Tox Info Suisse

  • Pharmawiki