Wechselwirkungen von Medikamenten

Alles sagen ist wichtig!

Aufs Maul hocken kann schiefgehen. Denn für Kunden in Drogerien oder Apotheken gilt: Je mehr Informationen fliessen, desto sicherer und zielführender ist der Einsatz von Medikamenten.

Warum warnen Sie Ihre Kundschaft vor Wechselwirkungen?

Kaja Vela: Weil ganz viel passieren kann. Je nachdem, welche Kombination man einnimmt, kann sich die Wirkung verstärken, sodass ein giftiger Medikamentenmix entsteht. Oder ein Medikament kann die Wirkung eines zweiten hemmen oder sogar ausschalten. Tatsache ist, dass es viele verschiedene Wechselwirkungsmechanismen gibt, für die es das nötige Fachwissen braucht.

Wie häufig kommt es zu Wechselwirkungen?

Das ist schwierig abzuschätzen, da es auf die Substanz ankommt. Es reagiert auch nicht jeder Mensch gleich. Selbst ob ein Medikament vor oder nach dem Essen eingenommen wird, und wie lange davor oder danach, kann eine entscheidende Rolle spielen.

Haben Sie Beispiele aus der Praxis?

Zum Beispiel die Kombination von Blutverdünnern mit bestimmten entzündungshemmenden Schmerzmitteln kann innere Blutungen auslösen. Einige Blutdrucksenker können ebenfalls mit dieser Schmerzmittelklasse interagieren, was zu Nierenversagen führen kann.

Das heisst, auch rezeptfreie Medikamente wie eine Kopfwehtablette bergen Gefahren?

Ja! Sogar ein generell sehr gut verträgliches Schmerzmittel wie Paracetamol kann in Kombination mit einigen Substanzen zu Leberschädigungen führen. Oder die Kombination bestimmter Erkältungskombipräparate mit Beruhigungsmitteln kann Schläfrigkeit verursachen, gerade am Steuer eine fatale Wechselwirkung. Aber auch die Dosis macht oft das Gift. Dazu mein Vater als Beispiel: Plötzlich kämpfte er mit Schwindelanfällen. Er nahm seine sehr kleinen Tabletten gegen Bluthochdruck zwar regelässig ein, aber in doppelter Menge, weil er die «Minitabletten» nicht wie vorgesehen halbieren wollte.

Wie steht es mit rein pflanzlichen Produkten?

Auch da ist Vorsicht geboten. Denn die Formel «pflanzlich = natürlich = gut = gesund» stimmt nur bedingt. Johanniskraut, das oft gegen Stimmungsschwankungen eingesetzt wird, kann unter anderem die Wirkung der Pille aufheben und eine Schwangerschaft ermöglichen. Sogar Grapefruitsaft kann in Kombination mit Medikamenten wie Cholesterinsenkern verhängnisvoll sein: Eine durch Grapefruitsaft ausgelöste Überdosierung kann zu gefährlichen Muskelbeschwerden führen.

Dann lohnt sich also die Fachberatung …

Unbedingt! Für etwas habe ich ja auch fünf Jahre lang Pharmazie an der Universität studiert. Wir Apotheker sind die Profis der Medikamente, das Fachwissen hat der Laie nicht. Im Internet hat er nebst seriösen Quellen leider auch Zugriff auf verheerende Fehlinformationen.

Was raten Sie Menschen, die ihre Gesundheit gerne selbst in die Hand nehmen?

Egal, ob sie ein scheinbar harmloses Multivitaminpräparat einnehmen, wichtig ist, dass der Apotheker das weiss. Denn auch gewisse Nahrungsergänzungsmittel, etwa Mineralstoffe wie Eisen oder Magnesium, können verhindern, dass die Wirkstoffe anderer Medikamente ins Blut aufgenommen werden und diese «unverrichteter Dinge» wieder ausgeschieden werden. Mein Anspruch als Apothekerin ist, das zu verhindern. Es lohnt sich also, dass Kunden möglichst alle Informationen über ihre Gesundheit auf den Tisch legen. Und lieber zu viel als zu wenig fragen.

Kaja Vela, eidg. dipl. Apothekerin

Die Bernerin wohnt mit Ehemann und Tochter in der Romandie. Den Apothekerberuf fasste sie ins Auge, weil ihr nebst der Liebe zur Naturwissenschaft eine hohe Sozialkompetenz attestiert wurde und sie deshalb «nicht nur Physikerin» werden wollte.

Autorin: Rahel Rohrer
Redaktion: Vanessa Naef
Wissenschaftliche Kontrolle: Elisabeth von Grünigen-Huber, Drogistin HF und Leiterin Politik und Branche des Schweizerischen Drogistenverbandes SDV
Quellen
  • Kaja Vela, eidg. dipl. Apothekerin