Trauer

Schmerzhafte Erinnerungen

Wer traurig ist, weint, ist verzweifelt, wütend und fühlt sich oft wie gelähmt.

Trauer ist die Reaktion auf einen schwerwiegenden Verlust wie den Tod eines nahestehenden Menschen. Trauer ist wohl einer der grössten seelischen Schmerzen, die ein Mensch empfinden kann. Sie kann Gefühle verschiedener Arten hervorrufen wie Verzweiflung, Wut oder Hilflosigkeit.

Trauern in Phasen

Es gibt keine für alle typische Reaktion auf den Tod eines Menschen. Aber es gibt Stadien der Trauer, die sich ähneln. Verschiedene Forscherinnen und Forscher haben entsprechende Modelle entwickelt. Hier sei beispielhaft das Modell der Schweizer Psychologin Verena Kast erwähnt:

1. Phase: Nicht-Wahrhaben-Wollen. Der Verlust wird verleugnet, der Trauernde ist starr und empfindungslos.

2. Phase: Aufbrechende Emotionen. Trauer, Wut oder Angst beherrschen den Trauernden, manchmal auch begleitet von Schuldgefühlen.

3. Phase: Suchen und Sich-Trennen. Der Verstorbene wird gesucht, in der Erinnerung, aber auch in Träumen und in Gesprächen mit anderen Menschen.

4. Phase: Neuer Selbst- und Weltbezug. Der Verlust ist so gut akzeptiert, dass der Trauernde langsam loslassen und auch neue Bindungen eingehen kann.

Wenn Trauer krankhaft wird

Victoria, von 1837 bis 1901 Königin des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Irland, trauerte fast ihr halbes Leben lang. Nachdem ihr Mann Prinz Albert 1861 mit nur 42 Jahren starb, trug sie bis zu ihrem Tod 40 Jahre später nur noch Trauerkleidung. Prinz Alberts Bettwäsche wurde regelmässig gewechselt, am Tisch war immer für ihn mitgedeckt. 40 Jahre trauern, das ist bestimmt nicht mehr gesund. Wann «normale» Trauer zur krankhaften Trauer wird, ist aber unklar. Nur schon die vielen verschiedenen Bezeichnungen wie pathologische, traumatische oder komplizierte Trauer weisen darauf, dass sich die Wissenschaft uneinig darüber ist, um was es sich genau handelt. Ja, man ist sich nicht einmal darüber einig, ob Trauer überhaupt krankhaft sein kann. Wie lange jemand trauert, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die Trauerphase ist individuell verschieden, hat aber auch mit der Kultur zu tun. Es kann auch damit zusammenhängen, wen man verloren hat. Eltern, deren Kind gestorben ist, zeigen häufiger sehr starke Trauerreaktionen, genauso wie Menschen, die innerhalb kurzer Zeit verschiedene Menschen verloren haben.

Eine Frage der Kultur

Alle trauern anders. Was manche total aus der Bahn wirft, bringt andere kaum ins Schwanken. Trauer hängt aber nicht nur von der Persönlichkeit eines Menschen ab, sie hat auch viel mit Kultur und Tradition zu tun. So trauern amerikanische Ureinwohner aus der Gegend von Nevada, die Hopi, drei Tage lang. Danach verbrennen sie alles, was dem Verstorbenen gehört hat. Danach ist die Trauerzeit vorüber. In manchen afrikanischen Ländern hingegen ist es Tradition, dass Witwen ein Jahr lang schwarze Trauerkleider tragen. Schwarz ist übrigens nicht überall die Trauerfarbe. In China oder Indien tragen Trauernde weiss, in Griechenland lila.

So sieht Trauer aus

In einem traurigen Gesicht zeigen die Mundwinkel nach unten, die inneren Augenbrauen nach oben. Das innere Ende der Augenlider hebt sich, so entsteht auf der Stirn ein kleiner Wulst, manchmal sogar tiefe Falten. Das allein genügt allerdings nicht, dass das Gegenüber die Trauer auch erkennt. Kommen noch Tränen hinzu, wird die Emotion in der Regel richtig gedeutet. Das hat auch ein wissenschaftliches Experiment aus dem Jahr 2009 bewiesen: Forscher zeigten 80 Personen jeweils zwei identische Porträts trauriger Gesichter. Einmal mit Tränen, einmal ohne. Die Versuchspersonen fanden die Porträts mit Tränen ausnahmslos trauriger als jene ohne. Ausserdem zeigte sich, dass der gleiche Gesichtsausdruck ohne Tränen häufiger missverstanden wurde etwa als Nachdenklichkeit, Verwirrung oder Ehrfurcht.

Tränen – das Sinnbild der Trauer

Es gibt drei Arten von Tränen: emotionale, basale und reflektorische. Die reflektorischen Tränen kommen dann, wenn etwas von aussen das Auge reizt, Rauch zum Beispiel und auch die Tränen vom Zwiebelschneiden gehören in diese Kategorie. Basale Tränen befeuchten und reinigen das Auge und schützen es. Die emotionalen Tränen schliesslich fliessen, wie es der Name schon sagt, wenn starke Gefühle im Spiel sind wie Trauer, aber auch grosse Freude. Alle drei Tränenformen bestehen aus Elektrolyten, Wasser und Proteinen, doch die Konzentration ist unterschiedlich. Emotionale Tränen enthalten bis zu einem Viertel mehr Proteine als reflektorische Tränen, dafür deutlich weniger Flüssigkeit, mehr des Hormons Serotonin und bei Frauen mehr des Hormons Prolaktin. Tränen aus emotionalen Gründen gibt es nur beim Menschen. Babys weinen, wenn sie sich nicht wohlfühlen, Hunger haben oder einfach Nähe brauchen. Die Tränen sind also eine Art Hilferuf – und der funktioniert auch bei Erwachsenen, die Trost brauchen.

Autorin und Redaktion: Bettina Epper
Wissenschaftliche Kontrolle: Dr. phil. nat. Anita Finger Weber
Quellen
  • Giovanni Frazzetto: «Der Gefühlscode. Die Entschlüsselung unserer Emotionen», Carl Hanser Verlag, 2014

  • Robert Provine, Kurt Krosnowski, Nicole Brocato: «Tearing: Breakthrough in Human Emotional Signaling», Evolutionary Psychology

  • Paul Ekman: «Gefühle lesen. Wie Sie Emotionen erkennen und richtig interpretieren», Springer-Verlag, 2017

  • Domicele Jonauskaite, Jörg Wicker, Christine Mohr, Nele Dael, Jelena Havelka, Marietta Papadatou-Pastou, Meng Zhang, Daniel Oberfeld: «A machine learning approach to quantify the specificity of colour–emotion associations and their cultural differences», The Royal Society Publishing, 2019

  • Pharmazeutische Zeitung

  • www.wissenschaft.de

  • Drogistenstern