Alles über die Harnblase
Ein Urologe gibt Antworten auf neun Fragen rund um die Blase.
Folgende Themen werden in diesem Artikel behandelt
- 1. Stimmt es, dass Frauen tendenziell häufiger auf die Toilette müssen als Männer?
- 2. Warum muss man urinieren, wenn man nervös ist? Ist etwas dran am berühmten «Angstbisi»?
- 3. Warum bekommen eher Frauen eine Blasenentzündung als Männer?
- 4. Kann man der Blase Gutes tun und sie auch trainieren?
- 5. Ist Urin unhygienisch?
- 6. Was sagt die Farbe des Urins über die Gesundheit aus?
- 7. Weshalb kommt bei gewissen Menschen nur ein kurzer Strahl, während andere eine gefühlteEwigkeiturinieren?
- 8. Wie verändert sich die Blase im Alter?
- 9. Was genau passiert bei einer Urininkontinenz?
Dass der Mensch eine Blase hat, vergisst er nicht so rasch. Schliesslich meldet sie sich mehrmals täglich und möchte entleert werden. Das Wissen um das Organ ist trotzdem oft mangelhaft. Wir haben beim Urologen Dr. med Marko Kozoma-Hocke vom Universitätsspital Zürich nachgefragt.
1. Stimmt es, dass Frauen tendenziell häufiger auf die Toilette müssen als Männer?
Nein, wenn keine gesundheitlichen Probleme oder Beschwerden vorliegen, haben beide Geschlechter dieselbe Voraussetzung. Will heissen, dass beide Blasen im Normalfall dieselbe Kapazität besitzen und gleich viel aufnehmen können.
2. Warum muss man urinieren, wenn man nervös ist? Ist etwas dran am berühmten «Angstbisi»?
Ja. Dieser Harndrang bei Nervosität hängt mit dem vegetativen Nervensystem zusammen. Ist dieses gestresst oder zusätzlich gereizt, wie etwa bei Nervosität, Angst oder Kälte, senkt dies die Reizschwelle und man hat folglich bei geringerem Blasenvolumen einen Harndrang und das Gefühl, dass man urinieren muss. Entspannt man sich wieder, geht der Druck meistens weg. Auch Ablenkung hilft. Wenn man aber wirklich dringend auf Toilette muss, bevor beispielsweise ein sportlicher Wettkampf startet, sollte man das falls möglich noch tun.
3. Warum bekommen eher Frauen eine Blasenentzündung als Männer?
Das Frauen eher eine Blasenentzündung bekommen hängt mit der Harnröhrenlänge zusammen. Diese ist bei den Frauen etwas kürzer und somit ist der Abstand zwischen Umwelt und Blase bei Frauen geringer als bei Männern. Bakterien können somit besser und schneller eindringen, und auch Reizungen etwa beim Geschlechtsverkehr oder durch Kälte werden bei weiblichen Harnröhren empfindlicher aufgenommen. Weitere Risikofaktoren für einen Harnwegsinfekt sind die sexuelle Aktivität, die Wechseljahre oder der Gebrauch eines Diaphragmas. Bakterien sind aber nicht per se schlecht für die Blase. Bei bleibendem Harndrang, Brennen beim Wasserlassen, häufigem Gang zur Toilette oder Schmerzen sollte man einen Facharzt aufsuchen.
4. Kann man der Blase Gutes tun und sie auch trainieren?
Ja und nein. Trainieren kann man sie, ihr vorbeugend Gutes tun nicht – zumindest nichts, was wissenschaftlich belegt ist. Trainieren kann man sie beispielsweise mit einem Physiotherapeuten mittels Beckenbodentraining, mit gezielten Atemübungen, bestimmten Sitzpositionen oder einfach, indem man immer wieder versucht, die Abstände zwischen dem Urnieren zu verlängern. Dies sollte aber nicht als Wettkampfsport betrieben werden, sonst kann es zu einer sogenannten Chauffeur-Blase kommen. Lastwagenchauffeure oder auch Kioskangestellte, die das Urinieren ständig unterdrücken, können irgendwann eine überdehnte Blase erleiden. Die Blase kann in der Folge nicht mehr vollständig entleert werden.
5. Ist Urin unhygienisch?
Eigentlich nicht. Es gibt Leute, die den eigenen Morgenurin trinken, um das Immunsystem zu stärken. Davon rate ich allerdings ab. Denn Urin ist zwar nicht unhygienisch und enthält auch keine lebensbedrohlichen Bakterien, aber er enthält auch null Nährwerte. Denn über den Urin scheiden wir allesamt Abfallstoffe des Körpers aus, also Dinge, die der Organismus nicht mehr braucht.
6. Was sagt die Farbe des Urins über die Gesundheit aus?
Nichts Bestimmtes. Am Morgen ist er meist dunkler, da konzentrierter. Wenn wir Randen essen, ist er rötlich, bei bestimmten Medikamenten kann er auch orange sein, ganz hell ist er, wenn wir tagsüber viel trinken und regelmässig urinieren. Erst wenn man Blut im Urin hat, sollte man unbedingt zum Arzt, um weitere Abklärungen zu treffen.
7. Weshalb kommt bei gewissen Menschen nur ein kurzer Strahl, während andere eine gefühlteEwigkeiturinieren?
Das hängt oft mit der Kontrolle beziehungsweise Entspannung des Beckenbodens zusammen. Wer ihn gut an- und entspannen kann, kann folglich kürzer und stärker urinieren. Oft haben Leute, die in der Kindheit einen schwerwiegenden Übergriff oder Einschnitte ins Leben erfahren haben, später Probleme, richtig zu urinieren. Solche Erlebnisse können unter anderem zur Verspannung des Beckenbodens führen. Die Betroffenen haben sich diese über die Jahre angeeignet. Loszulassen, ist dann später gar nicht so einfach. Aber auch bei diesem Problem können Fachärzte und ein Beckenbodentraining bei einem Physiotherapeuten oder einer Physiotherapeutin helfen.
8. Wie verändert sich die Blase im Alter?
Frauen haben bereits ab 30 erste Veränderungen, nicht selten durch eine Schwangerschaft hervorgerufen. Es kommt zu Belastungsinkontinenzen, also dass man unkontrolliert Wasser lässt beim Lachen, Husten oder Niesen. Bei Männern treten Veränderungen der Blase meist erst ab 50 auf, wenn sich auch die Prostata verändert. Der Harndrang kann beispielsweise zunehmen, also die Abstände zwischen dem Gefühl, dass man aufs WC muss, weil die Prostata in die Blase drückt. Mit 80 sind beide Geschlechter gleichberechtig, und mindestens 40 Prozent haben mit Drangbeschwerden und Urininkontinenz zu kämpfen.
9. Was genau passiert bei einer Urininkontinenz?
Der Schliessmuskel unterhalb der Blase ist defekt oder geschwächt – folglich kann der Urin beim Belasten nicht mehr gänzlich zurückgehalten werden. Wir sprechen von Belastungsinkontinenz. Bei der Dranginkontinenz kann die Blase nicht kontrolliert werden und sie zieht sich so stark zusammen, dass wir trotz eines starken Schliessmuskels Urin verlieren. Bei beiden kann man etwas tun, mittels Medikamenten, Operationen, Implantaten oder etwa Beckenbodenphysiotherapie und elektrischer Therapie. Wichtig ist, über das Leiden zu sprechen und sich fachliche Hilfe zu holen. Sonst kann eine Inkontinenz aus Scham zu einer starken Beeinträchtigung der Lebensqualität und zu Isolation führen.
Redaktion: Bettina Epper
Wissenschaftliche Kontrolle: Drogistin HF Elisabeth von Grünigen-Huber
- Quellen
Drogistenstern
Dr. med. Marko Kozomara-Hocke, Urologe Universitätsspital Zürich