Und ewig lockt der nächste Tag…

Viele Menschen schaffen es nicht, völlig banale Dinge zu erledigen. Selbst dann nicht, wenn ihr Nichthandeln ernste Konsequenzen nach sich zieht.

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Ein längst fälliges Telefon erledigen, das Altpapier bündeln, den Bürotisch aufräumen, die Schuhe putzen... Das sind keine grossen Sachen. Und doch schieben manche solche Alltäglichkeiten oft tagelang vor sich her.

Verheerende Folgen

«Aufschieben ist nicht in jedem Fall schlimm, und nicht immer muss man sein Verhalten ändern», sagt Sylvia Kohli, Inhaberin des «Büros für klare Verhältnisse» in Bern. Sie hilft Menschen von Berufs wegen, ihr Leben zu ordnen und ihre Pendenzen in den Griff zu bekommen. «Erst wenn jemand darunter leidet, besteht Handlungsbedarf», sagt sie. Leidensdruck entsteht, wenn einem das Unerledigte besetzt und blockiert.

«Ständiges Hinausschieben ist dann problematisch, wenn man beispielsweise wegen eines Versäumnisses eine Busse bezahlen muss», sagt auch die Berner Ergotherapeutin Ruth Joss, «aber gar kein Geld dafür hat.» Ruth Joss ist Leiterin der «Ergopraxis beim Bahnhof» in Bern und berät unter anderem Menschen mit notorischem Aufschiebeverhalten. Sie gibt ein weiteres Beispiel: Wenn es ein Arbeitsloser nicht schafft, Bewerbungen zu schreiben und deswegen kein Geld von der Arbeitslosenkasse erhält, «dann ist das verheerend», hält Ruth Joss fest. In Joss’ Praxis schreiben Betroffene konzentriert an ihren Bewerbungen: «Etwas, das sie zu Hause nicht schaffen würden.» Allein schon ein Tapetenwechsel kann also helfen, jemanden endlich zum Handeln zu bringen und sich zu konzentrieren.

Total blockiert

Doch was steckt hinter eingefleischtem Aufschieben? «Die Betroffenen sind blockiert», sagt Joss. Sie hat für dieses Phänomen den bildhaften Begriff «Erledigungsblockade» kreiert, der zunehmend auch von Fachleuten benutzt wird. Ist er doch eingängiger als der lateinische Fachbegriff Prokrastination, der so viel bedeutet wie: «Etwas auf morgen verschieben.» Doch das Problem sitzt bei den Betroffenen tiefer, sie verschieben nicht auf morgen, sondern auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. «Das Zentrale ist nicht das Verschieben, sondern die Blockade. Und diese ist unsichtbar, ja sie ist völlig absurd», erklärt Joss, «es ist ja nicht so, dass die Menschen nicht wüssten, wie sie all diese alltäglichen Dinge angehen müssten.» Wer also an einer Erledigungsblockade leidet, hat Mühe, sich zu etwas zu überwinden, das einfach getan werden muss, aber möglicherweise keinen grossen Spass macht.

Die gute Nachricht: Es gibt Wege, wie solche Blockaden durchbrochen werden können. Es geht darum, wieder Herr über sein Handeln zu werden, statt sein Leben fahrlässig durch Sachzwänge einengen zu lassen.

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Autorin: Ann Kugler
Redaktion: Katharina Rederer
Quellen
  • «Drogistenstern»

  • Monica R. Basco: «Schluss mit Prokrastinieren. Wie Sie heute beginnen, mit dem Aufschieben aufzuhören», Verlag Hans Huber, 2012

  • Werner Tiki Küstenmacher und Lothar J. Seifert: «Simplify your life. Einfacher und glücklicher leben», Knaur Taschenbücher, 2008

  • Karen Kingston: «Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags», Rowohlt Taschenbuch, 2009