Niedriger Testosteronspiegel

Testosteron-Klischee entlarvt

Hohe Testosteronwerte blähen die Muckis, machen zeugungsfähig und halten leistungsfähig. Doch dieses Klischee vom potenten Mann stimmt nur bedingt.

Wenn Männer altern, sinkt oft der Testosteronspiegel. Das kann sich das körperlich und seelisch bemerkbar machen: Der Mann ist oft schlapp und müde, schläft nicht mehr so gut, hat keine Lust auf Unternehmungen, nimmt ein paar Kilos zu und die gute Laune lässt ebenfalls zu wünschen übrig. Ein wunder Punkt ist bei vielen Männern auch das Sexualleben. Die Libido lässt nach, Erektionen werden seltener und mehr als die Hälfte der fünfzigjährigen Männer hat das Gefühl, den Zenit des Lebens überschritten zu haben. Sind das nun die viel zitierten «männlichen Wechseljahre»? Doch zunächst ein Überblick über die Auswirkungen des Hormons Testosteron auf den männlichen Köper.

Testosteron bei Jugendlichen

Bis zur Pubertät haben Knaben nur wenig höhere Testosteronwerte als Mädchen. Danach beeinflussen Schübe dieses Hormons das Wachstum des Penis, der Samenblasen und der Prostata. Bindegewebe und Muskulatur werden aufgebaut, der Kehlkopf wächst, und die Stimmbänder verdicken sich, was sich als Stimmbruch bemerkbar macht. Die männertypische Körperbehaarung spriesst, wofür übrigens auch bei der Frau das Testosteron zuständig ist. Mit etwa 17 Jahren sind die Hormonspiegel des Mannes erreicht. Das Sexualhormon wird hauptsächlich in den Hoden produziert und beeinflusst neben Muskel- und Knochenaufbau die weitere Ausprägung der sekundären Geschlechtsmerkmale und die Libido, also das sexuelle Verlangen.

Testosteron bei jungen Männern

Bei einem gesunden, erwachsenen Mann liegt der Testosteronspiegel zwischen 12 und 30 Nanomol pro Liter Blut. Diese Spannweite ist normal, da der Wert tageszeitlichen Schwankungen unterliegt. Abends, zwischen 18 und 22 Uhr, sind die Werte am niedrigsten. Früh morgens liegen sie 35 Prozent über dem Durchschnitt. Anzeichen dafür ist die spontane Erektion oder salopp: die Morgenlatte. Zu tiefe Testosteronwerte sind bei jungen Männern meist auf ernsthafte Krankheiten oder Unfall zurückzuführen und bewirken Stimmungsschwankungen, Depression, Müdigkeit und Libidoverlust.

Testosteron be Männern mittleren Alters

Beim Mann nehmen die Testosteronwerte ab dem 30. Lebensjahr um jährlich etwa ein Prozent ab (im Gegensatz zu den Frauen, bei denen in den Wechseljahren die Eierstöcke die Produktion der Östrogene brüsk einstellen). In der Regel bereitet die geringe Hormonabnahme den Männern keine gesundheitlichen Probleme. Dass die Potenz dadurch beeinträchtigt ist, ist ein Irrtum. Erektionsstörungen liegt nur selten ein Mangel am Sexualhormon zugrunde. Meist haben sie organische Ursachen, zum Beispiel wegen Durchblutungsstörungen, Nebenwirkungen von Medikamenten, Nikotin- oder Alkoholkonsum. Liegt dagegen eine Osteoporose vor, kann ein geringer Hormonspiegel nicht ausgeschlossen werden.

Testosteron bei reifen Männern

Erst in den letzten Jahrzehnten hat man erkannt, dass es auch altersbedingt zu Testosteronmangel kommen kann. Die meisten Männer sind in der zweiten Lebenshälfte von einem Mangel betroffen. Beim alternden Mann ab vierzig Jahren spricht man bei einem Testosteronwert von unter zwölf Nanomol pro Liter Blut von Partieller Androgen-Defizienz. Das Testosteron-Mangel-Syndrom (TMS) fasst alle Beschwerden zusammen, die durch einen Mangel an Testosteron entstehen können. Es wird in der Fachsprache oft PADAM abgekürzt. Das ist der englische Fachbegriff: partial androgen deficiency in the aging male. Auf Deutsch: partielles Androgen-Defizit beim alternden Mann.

So vielfältig die Aufgaben der männlichen Hormone sind, so unterschiedlich können auch die Symptome und Beschwerden sein, die durch einen deutlichen, altersbedingten Mangel an Androgenen und speziell an Testosteron entstehen bzw. begünstigt werden.

Nicht alle leiden unter Hormondefizit

Längst nicht bei jedem Mann tritt mit dem Alter deutlicher Testosteronmangel auf: «Nur etwa zwanzig bis dreissig Prozent der Pensionäre weisen überhaupt tiefere Werte auf, und die meisten haben deswegen keine Beschwerden», sagt der Hormonspezialist Christian Meier. Der Mediziner führt in Basel eine endokrinologische Praxis. Er entlarvt damit ein Klischee und widerlegt, dass Männer im Alter zwangsläufig weniger männliche Hormone produzieren und körperlich abbauen.

Testosteron gegen das Altern

Testosteron ist zur Lifestyle-Droge gegen das Altern im Internet erhältlich. Wer sich die oftmals illegalen und potenziell gesundheitsschädigenden Produkte als Spritze, Pflaster oder Gel verabreicht, erhofft sich mehr Muskelmasse, Manneskraft und Mut. Die Vorteile scheinen bestechend. Doch über die Langzeitwirkungen solcher Therapien ist erst sehr wenig bekannt und die Risiken sind nicht zu unterschätzen. «Testosteron kann das Wachstum bereits bestehender Prostatatumore fördern, das Blut verdicken und ein Schlafapnoesyndrom verstärken», fasst Christian Meier die Erkenntnisse von Studien zusammen. Die medikamentöse Behandlung von Testosteronmangel ist nur empfehlenswert, wenn der Betroffene schwerwiegende Probleme hat und sollte ausschliesslich auf Verschreibung eines Arztes hin durchgeführt werden.

Autorinnen: Claudia Merki, Nadja Mühlemann
Redaktion: Nadja Mühlemann, Vanessa Naef
Quelle
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