Sich selbt verbessern
Menschen streben immer danach, Herausforderungen zu meistern. Doch es kann auch zu viel werden.
Selbstoptimierung entspricht der menschlichen Natur. Motivationspsychologin Prof. Dr. Veronika Brandstätter erklärt im Interview, warum das so ist und wann Vorsicht geboten ist.
Frau Professor Brandstätter, warum möchten Menschen immer besser werden?
Prof. Dr. Veronika Brandstätter: Der Mensch hat den Drang, zu lernen, sich ständig neue Ziele zu setzen. Er ist voller Neugier und freut sich, wenn er etwas bewältigt hat. Man sieht das sehr schön, wenn ein Kind mit dem Gehen anfängt. Würde es sich nach dem ersten Sturz sagen, «Dann halt nicht», würde es nie laufen lernen. Das Kind aber steht auf und versucht es erneut … Dieses Besser-werden-Wollen und Misserfolge überwinden gehört zur Grundausstattung des Menschen.
Aber nicht alle Menschen haben denselben Drang, sich beständig zu verbessern, oder?
Es gibt individuelle Unterschiede. Die Entwicklung eines Strebens nach Leistung hat unter anderem mit den Anforderungen zu tun, die Eltern an ihre Kinder stellen. Haben die Kinder stets nur leichte Aufgaben zu bewältigen, für deren Lösung sie sich nicht anstrengen müssen, haben sie nie das Gefühl, stolz auf ihre Leistung sein zu können. Stetige Überforderung auf der anderen Seite führt zu Frustration und Leistungsangst.
Prof. Dr. Veronika Brandstätter
Veronika Brandstätter ist Professorin für Allgemeine Psychologie (Schwerpunkt Motivation) an der Universität Zürich.
Kann das Streben nach Perfektion also problematisch werden?
Ja, ein übersteigerter Perfektionismus kann sich ungünstig auf das Wohlbefinden auswirken. Körperlich und psychisch. Wer alles aus seinem Leben herausholen, alles fehlerfrei erledigen will, bei dem sind Unzufriedenheit und Frustration quasi vorprogrammiert. Denn fehlerfrei ist einfach nicht menschlich.
Welche Rolle spielen die sozialen Medien, also das Urteil Dritter, für das Selbstwertgefühl?
Wir brauchen soziale Kommunikation und Rückmeldungen über uns als Person und unsere Leistung. Wir wollen Zuwendung und anerkannt sein. Und der Mensch hat die Tendenz, sich an anderen zu orientieren. So kann man auch seine eigene Leistung einordnen. Allerdings kommt es darauf an, woran man sich orientiert. Wenn ich als ganz passable Klavierspielerin mich mit einem Konzertpianisten vergleiche, muss meine Leistung abfallen.
Ist das problematisch?
Es kann das Selbstwertgefühl gefährden, wenn jemand permanent Rückschläge erlebt, weil er sich zu hohe Ziele setzt. Aber sich Herausforderungen zu stellen, ist auf der anderen Seite auch positiv. Denn wer etwas Schwieriges gemeistert hat, dessen Selbstwertgefühl wird gestärkt. Und wer viel Selbstdisziplin hat, hat die Kontrolle über sich und seine Umwelt. Das ist sehr befriedigend. Problematisch wird es, wenn jemand permanent Dinge tut, die er zur Selbstoptimierung braucht, die ihm aber an und für sich keine Freude machen.
Warum?
Klar, es gehört im Leben dazu, auch mal die Zähne zusammenzubeissen und sich zu überwinden. Aber wenn es immer nur darum geht, bestimmte Ziele zu erreichen, wenn also allein der Zweck im Vordergrund steht, kann das problematisch werden. Ohne Freude an der Tätigkeit braucht alles sehr viel Energie, und das kann auf lange Sicht zu Erschöpfung führen.
Wissenschaftliche Kontrolle: Dr. phil. nat. Anita Finger Weber
- Quellen
Drogistenstern
Prof. Dr. Veronika Brandstätter