Kein Streit an Weihnachten
Zank und Streit statt Friede und Harmonie – die Feiertage am Jahresende sind dafür berüchtigt. Fachleute erklären die Gründe und geben hilfreiche Tipps.
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Ein gemütliches Fest im Kreis der Familie. So möchten wohl die meisten die Weihnachtstage verbringen. Doch vielen gelingt das nicht. Zwist und Streitereien verderben die Freude. Die Gründe sind vielfältig. Dominique Holstein, Leitender Psychologe an der Uni Bern, erklärt: «In der heutigen Zeit besteht ein Zwang, auf Kommando fröhlich und glücklich sein zu müssen.» Das erzeuge einen hohen Druck. Kommt dazu, dass sich während der Adventzeit viel Spannung aufbaue. Dies durch beruflichen Stress, Geschenke einkaufen, Fest planen, Kinder beschäftigen und mehr. In vielen Familien treffen ausserdem Menschen aufeinander, die sich oftmals schon länger nicht mehr gesehen haben und vielleicht alte, ungelöste Konflikte mit sich herumtragen. All das lasse die Reizschwelle sinken, das Gemüt sei empfindlicher und deshalb reagiere mancher heftiger als sonst. Holstein: «In einer benzingeschwängerten Luft braucht es nur einen Funken, damit es zur Explosion kommt.» Eskaliere dann ein Streit, sei die Enttäuschung umso grösser. Manchmal gehen dabei die Emotionen so hoch, dass Beteiligte gewalttätig werden und die Polizei einschreiten muss, um zu schlichten. Das bestätigt Christoph Gnägi von der Kantonspolizei Bern: «Wir stellen an den Festtagen eine massvolle Zunahme von Meldungen zu häuslicher Gewalt fest.»
Viel zu tun für Scheidungsanwälte
Das Beisammensein während Stunden oder gar Tagen zwingt die Menschen, sich miteinander zu beschäftigen, während sich Berufstätige im Alltag oft nur sehen, wenn sie sich die Klinke in die Hand drücken. Die ungewohnte Nähe offenbart so manchem Paar den wahren Zustand der Beziehung. Das bestätigt Madeleine Stucky. Die Juristin aus dem aargauischen Mellingen sagt: «Sobald die Leute auf engem Raum zusammen <eingesperrt> sind, fliegen die Fetzen.» Im Aufruhr der Gefühle wollten die Streithähne nur eins: sich so schnell wie möglich scheiden lassen. Doch da täuschen sich die meisten. «Ein Scheidungsverfahren dauert mehrere Monate, das geht nicht eben so von heute auf morgen.» Welchen Stellenwert Weihnachten für Familien hat, erlebt Madeleine Stucky in ihrer täglichen Arbeit. «Bei welchem Elternteil die Kinder die Festtage verbringen, ist oft Bestandteil der Scheidungskonventionen.»
Die 10 besten Tipps für ein gelungenes Weihnachtsfest
Planen Sie die Feier frühzeitig. Legen Sie fest, wer kocht, einkauft, die Kinder beschäftigt, beim Aufräumen hilft und den Baum schmückt
Legen Sie verbindlich fest, wer wann bei wem feiert und etablieren Sie dies als Ritual. Beispiel: Heiligabend im engsten Familienkreis. Der Weihnachtstag bei den Grosseltern, der Stephanstag bei den Schwiegereltern.
Wenn Sie Streit befürchten kann es sinnvoll sein, im Vorfeld klare Regeln auszuhandeln. Zum Beispiel einen «Friedensvertrag» für das Fest. Vereinbaren Sie aber auch gleich klare Konsequenzen für jene, die sich nicht daran halten.
Wenn ein Streit schon ausgebrochen ist: Schreiten Sie klar und bestimmt ein. Trennen Sie die Streithähne – am besten auch räumlich – und lassen Sie ihnen Zeit, den Kopf auszulüften.
Lassen Sie bei Bedürfnis die Streitenden einen späteren Zeitpunkt vereinbaren, an dem sie sich aussprechen können und die Wogen geglättet sind.
Schenken Sie den Kindern nur Dinge, die sie sich wirklich wünschen und mit denen sie sich beschäftigen möchten. Omas selbstgestrickte Socken sind für einen 6-Jährigen nicht sehr fesselnd.
Denken Sie daran: Kinder möchten, dass Erwachsene sich mit ihnen beschäftigen.
Paare sollten ihre Konflikte nicht am Fest regeln wollen. Sprechen Sie im Vorfeld über Ihre Bedürfnisse und Vorstellungen – dies am Besten während des ganzen Jahres und nicht nur im Hinblick auf Weihnachten.
Zwingen Sie sich nicht, am Fest gutgelaunt und fröhlich zu sein, wenn Ihnen nicht danach ist. Denn zwangsverordnete Fröhlichkeit ist unecht und nicht mit positiven Gefühlen verbunden.
Erlauben Sie sich, sich in dieser besinnlichen Zeit auch negativen Gefühlen hinzuwenden. Sie sind ebenfalls ein Schlüssel zu unseren Bedürfnissen. Können wir unangenehme Gefühle zulassen und akzeptieren, schwächen sie sich in der Regel eher ab, als dass sie sich, wie zumeist befürchtet, ins Unermessliche steigern.
Einsamkeit wiegt doppelt schwer
Weihnachten ist nicht nur das Fest der Liebe sondern auch der Geselligkeit. Das empfinden vor allem allein lebende Menschen und jene, die von Armut betroffen sind als bedrückend. Über Einsamkeit und Armut zu reden fällt schwer. Das erfährt Tony Styger in seiner Arbeit als Stellenleiter der Dargebotenen Hand Zürich. Die Organisation bietet in der ganzen Schweiz kostenlose und anonyme Gespräche an, telefonisch und online, rund um die Uhr. Er stellt fest, dass sich zahlreiche Menschen bereits im November Gedanken darüber machen, wie sie die Festtage verbringen sollen. Styger sagt: «Allein zu sein fällt gerade an Weihnachten doppelt schwer, wenn alle andern von ihren Plänen für die Familienfeiern erzählen.» Obwohl es zahlreiche Angebote für öffentliche Weihnachtsfeiern gebe, würden wenige den Mut aufbringen, sich diesen anzuschliessen, sagt er. Streit innerhalb der Familie ist laut Styger auch oft der Grund, weshalb sich Menschen an die Dargebotene Hand wenden. Ein Beispiel: «Eine Mutter erzählte, wie sehr sie darunter leidet, dass ihre beiden erwachsenen Kinder zerstritten sind.» Beide würden nicht mit ihr Weihnachten feiern wollen, wenn das Geschwister dabei sei. Oder eine andere Mutter rief an, weil sie nicht wusste, wie sie es schaffen sollte, kurz nach einer schweren Operation für die ganze Verwandtschaft ein Weihnachtsmenu aufzutischen. «Sie traute sich nicht, mit ihren Angehörigen darüber zu sprechen, weil sie niemanden verletzen wollte, wenn sie die Feier absagen würde.» Meistens müssen die freiwilligen Mitarbeitenden der Dargebotenen Hand keine Ratschläge erteilen. Styger sagt, «Zuhören und versuchen, zu verstehen, hilft schon viel». Oft würden die Hilfesuchenden im Gespräch selber Lösungen finden.
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