Erröten
Erröten geschieht blitzschnell und lässt sich nicht verhindern. Was geschieht im Körper? Und welchen Sinn hat die Reaktion?
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Jeder Mensch kann aus Scham, Schuldgefühl oder Ärger erröten. Die Hände werden kalt, der Schweiss bricht aus und für kurze Zeit fühlt man sich schlapp. Den Vorgang bremsen ist unmöglich.
Eine amerikanische Psychologin hat in einer Studie herausgefunden: Erröten löst ähnliche Symptome aus wie eine Infektion. Die Wissenschaftlerin hat beobachtet, dass Scham dazu führt, dass der Körper Botenstoffe ausschüttet, die zu Entzündungen führen.
Das passiert im Körper
Was beim Erröten im Organismus genau passiert, ist noch nicht vollständig geklärt. Sicher involviert ist das vegetative Nervensystem, der Sympathikus. Deshalb ist der Vorgang für den Menschen unkontrollierbar. Zudem dehnen sich die Blutgefässe aus, der Blutdruck steigt und die Durchblutung wird angekurbelt. Stress kann diese körperlichen Reaktionen zudem unterstützen.
Weil die Gefässe im Gesicht, am Hals und an den Ohren dicht unter der Hautoberfläche liegen, wird dort die Röte gut sichtbar. Je heller und dünner die Haut, desto auffälliger ist das Erröten. Wobei es auch eine Rolle spielt, ob der Betroffene sich schnell wieder beruhigt und sich die Gefässe wieder verengen – oder nicht.
Ursache des Rotwerdens
Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das Erröten kann. Was die Reaktion auslöst, ist umstritten. Evolutionspsychologen argumentieren, dass sie eine Art Entschuldigungsfunktion hat. Passiert jemandem beispielsweise ein Missgeschick oder übertritt er Grenzen, signalisiert der rote Kopf: Es tut mir leid – und zwar ehrlich, weil Erröten weder vorgetäuscht noch unterdrückt werden kann. Experimente beweisen auch, dass die Botschaft bei anderen ankommt. Studienteilnehmer, die sahen, wie jemand rot anlief, reagierten verständnisvoll oder wurden selbst verlegen. Die Probanden beurteilten Menschen, die rot wurden, ausserdem als sympathischer und würden ihnen eher helfen als Personen, die ungerührt blieben. Rotwerden hat sozusagen eine soziale, überlebenssichernde Funktion.
An dieser Begründung zweifelt Errötungs-Forscherin Samia Härtling vom Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Technischen Universität Dresden in einem Interview beim Südwestrundfunk SWR2. Für sie spricht gegen diese These, dass der Urmensch dunkelhäutig und die Röte dadurch schwer beobachtbar war. Die Forscherin ist sich aber sicher, dass das Erröten ausschliesslich in Kontakt mit anderen Menschen auftritt. Andere Forscher haben bemerkt, dass viele Menschen erstaunlicherweise schon rot werden, wenn sie keinen Fauxpas begangen haben. Allein die Angst, zu Unrecht verdächtigt zu werden, reicht.
Errötungsangst
Rotwerden ist für viele Menschen unangenehm, aber auch schnell wieder vergessen. Doch manche leben in ständiger Angst, zu erröten und vis-à-vis von anderen deshalb schlecht dazustehen. Das heisst Erythrophobie. Die Angst kann so weit gehen, dass Betroffene nur noch ungern zur Schule oder Arbeit gehen und sich sozial isolieren. Der psychische Leidensdruck kann so gross werden, dass der Alltag kaum mehr zu bewältigen ist. Für schwer Geplagte ist eine Verhaltenstherapie sinnvoll. Wer sich seinen Ängsten stellt, kann lernen, damit umzugehen. Wird also jemand in Ihrer Nähe rot, lachen Sie nicht darüber und unterlassen Sie unnötige Kommentare. Gemäss Studien ist passiert es nämlich schnell, die Angst vor dem Erröten bei anderen anzufachen.
Erröten
Buchtipp
Das Buch «Soziale Angst verstehen und verändern» von Prof. Dr. Jürgen Hoyer und Dr. Samia Härtling liefert Strategien zum Umgang mit sozialen Ängsten wie Erröten, Schüchternheit, Zittern oder Schwitzen.
Springer Verlag, 2017, ISBN: 978-3-642-37167-7
Wissenschaftliche Kontrolle: Dr. phil. nat. Anita Finger Weber