Die Faszination des Räucherns

Räuchern kann entspannend und energiespenden wirken. Gerade nach den kalten und grauen Monaten, wenn der Winterblues vielen zusetzt.

Schon seit Jahrtausenden wird geräuchert. In unterschiedlichen Kulturen, in unterschiedlichen Formen, mit unterschiedlichen Zielen. Früher wurde vor allem zum Schutz geräuchert. Zur Heilung von Mensch und Tier, gegen Krankheit und Seuchen. Mit den Heilkräutern sollten negative Einflüsse vertrieben oder aufgelöst werden.

Entschleunigendes Ritual

Kurt Altermatt, eidg. dipl. Drogist und Betriebsleiter der Hildegard Stadtdrogerie in Basel, kennt die historischen Hintergründe des Räucherns, zumindest jene der Indianer: «Sie glaubten an die Heilkraft des Räucherns, haben die verschiedenen Kräuter genutzt, um beispielsweise die geistige Wachsamkeit zu steigern. Oder auch einfach, um Hämorrhoiden zu heilen. Für alle möglichen Leiden gab es ein entsprechendes Kraut.» Mit der Geschichte habe er sich zwar auseinandergesetzt, «für mich ist das Räuchern aber in erster Linie ein schönes Ritual, das entschleunigt». Es bringe Ruhe, man müsse sich Zeit nehmen für das Räuchern, ausserdem vereine es Licht, Wärme und Feuer. «Den aufsteigenden Rauch nehmen wir mit den Augen, aber auch mit der Nase war. Der Duft des entsprechenden Krautes löst in uns etwas aus, Kindheitserinnerungen, vergangene Erlebnisse oder vielleicht auch eine Sehnsucht», sagt Altermatt, der mit seiner Partnerin regelmässig räuchert.

Die Faszination dafür habe er vor einigen Jahren entdeckt, als er mit dem Räucherspezialisten Marc Gloor in Kontakt kam. «Er ist für mich ein Indianer, der am falschen Ort zur Welt kam», sagt Altermatt und lacht. Gloor habe viel von den Indianern gelernt, ist mit Medizinmännern in Europa herumgereist, um die Wirkungen der Heilmittel besser kennenzulernen. «Der Austausch mit Gloor war derart spannend, dass ich gemeinsam mit ihm erstmals einen Vortrag für meine Kundschaft in der Drogerie organisiert habe. Das Interesse war gross.»

Gegen Schlafprobleme

Bis heute klärt Kurt Altermatt über das Räuchern auf und führt in den Wintermonaten auch Kundenvorträge durch. «Gerade in den kalten Monaten, wenn es draussen oft grau und nass ist, kann das Ritual dazu dienen, über ein Stimmungstief hinwegzukommen.» Mit der Betonung auf Können. «Ich rate immer dazu, das Räuchern begleitend einzusetzen, weil es die Menschen wieder zur Ruhe kommen lässt», sagt der Solothurner. Ausserdem würden Harze wie Weihrauch belebend wirken, die Wachsamkeit fördern. Beifuss hingegen kann Frauen helfen, die über Menstruationsbeschwerden klagen. Auch bei Kindern, die über längere Zeit Schlafschwierigkeiten haben, sich im dunklen Zimmer fürchten, rät er den Eltern zu einem Räucherritual. «Es ist eine Zeit, die Kinder und Eltern bewusst gemeinsam verbringen.» Ausserdem seien die Kinder fasziniert von dem aufsteigenden Rauch, die freigesetzte Wärme wirke entspannend. Und wer eine beruhigende Essenz wie den weissen Copal oder Lavendel räuchert, könne das Einschlafen der Kinder zusätzlich begünstigen.

So funktionierts

Zum Räuchern braucht es eine feuerfeste Form, die mit etwas Sand oder Kieselsteinen gefüllt wird. Darauf kommt eine Räucherkohle, die in Drogerien gekauft werden kann. Wenn Sie diese angezündet haben, legen Sie die Kohle auf den Sand und warten ab, bis sie weiss ist und genügend Hitze erreicht hat. Das ist nach circa drei bis fünf Minuten der Fall. Dann eine Prise Kraut oder ein Stück Harz auf die Kohle legen. «Weniger ist mehr», sagt Altermatt, «man sollte sehr massvoll dosieren, denn hinzugeben kann man später immer noch.»

Dann gehe es darum, den Moment zu geniessen, den Rauch, den Duft auf sich wirken zu lassen, ihn einzuatmen, die Augen zu schliessen und in sich hineinzukehren. «Einige Menschen meditieren während des Räucherns, andere beten, und Dritte beobachten einfach nur den aufsteigenden Rauch.» Jeder müsse für sich selber seine Form finden, die ihm am meisten zusagt. «Die Indianer haben eine Feder verwendet, um den Rauch zu sich oder zu jemand anderem zu führen.» Auch solche Federn bietet er in seiner Drogerie an. «Allerdings stammen sie nicht von einem Weisskopfadler, sondern von einem Truthahn.» Die Indianer würden darauf Wert legen, dass eine Feder noch nie den Boden berührt hat, «sie fangen sie quasi in der Luft auf», und dass niemand anderes die Feder anfasst. «Es sind schöne Rituale, die nun schon mehrere Jahrtausende bestehen. Das ist es, was mich fasziniert.»

Diese Kräuter können zum Räuchern verwendet werden:

  • Boldoblätter wachsen in Südamerika und gelten als grosses Heilmittel der Indianer. Die Blätter werden auch für Zeremonien verwendet. So soll ein Bündel Boldoblätter an der Haustüre vor negativen Einflüssen schützen. Ausserdem sollen sie den Geist öffnen, Blockaden lösen, sie wirkten aber auch beruhigend und ausgleichend bei Nervosität und Schlafstörungen.

  • Weisser und schwarzer Copal werden als Harz aus dem Baum gewonnen. Der Copal gilt als heilig. Der weisse soll innerlich reinigen und das Herz öffnen. Ausserdem verschaffe er geistige Klarheit. Der schwarze Copal hingegen wird bei Lebenskrisen eingesetzt und soll helfen, den richtigen Weg zu finden. Er soll auch gut zum Einschlafen sein.

  • Juniper sind Wacholderspitzen, die aus dem Wacholderbusch gewonnen werden. Er wird bei den Indianern zur Begrüssung einer Gruppe verwendet und zum Reinigen von Gegenständen. Er soll die geistige Wachsamkeit steigern und bei Nervosität und Stressbelastung helfen. Ausserdem befreie er die Atemwege.

  • Lavendel kann bei Prüfungsängsten eingesetzt werden. Er soll beruhigend, entspannend und harmonisierend wirken und begünstige den Schlaf. Da der Duft des Lavendels bei vielen Menschen ein Gefühl von Frische und Geborgenheit verleiht, kann er auch als Begleitung in depressiven Zeiten helfen.

  • Osha-Wurzel kann Blockaden lösen und die Atemwege befreien. Die Indianer tragen die Wurzel auch als Schutzamulett oder im Medizinbeutel mit sich. Sie wird bei vielen Indianerstämmen Nordamerikas für medizinische Rituale verwendet.

  • Pinienharz/-holz/-nadeln ist für viele Indianer die «heilige Medizin». Es wirkt beruhigend, dient der Entspannung und wird begleitend bei Heilungszeremonien eingesetzt. Auch bei Erkältungen und zur Reinigung von Räumen, Orten, Plätzen und Gegenständen. Die Piniennadeln sollen ausserdem schleimlösend wirken und wecken die innere Neugier.

  • Weisser Salbei ist das «heilige Kraut» der Indianer. Er wird häufig zur Reinigung von Räumen und Gegenständen verwendet, da er antibakteriell wirke. Ausserdem sei Salbei stärkend für Geist und Gedächtnis, verbreite Frieden und Heilung und gebe geistige Klarheit.

  • Süssgras wird von den Indianern auch «Mutterhaar» genannt, ist bei uns besser als Mariengras bekannt. Wird als Platzreiniger in einer Gruppe verwendet, unterstützt angeblich den Prozess des inneren Loslassens. Kann auch die Heiterkeit fördern und positive Energien anziehen.

  • Tonkabohne wird oft als Amulett oder im Lederbeutel getragen. Zum Räuchern verwenden die Indianer die dunkelbraunen, mandelförmigen Samen, um in die Zukunft zu schauen. Ausserdem wirke sie ausgleichend bei Ärger, Reizbarkeit und Stress, wecke die Sinnlichkeit und wirke aphrodisierend. Steht für Glück, Wohlstand und Liebe.

  • Traumkraut: Das Kraut der Zacatechichi-Pflanze soll die Traumphasen im Schlaf verstärken. Deshalb räuchern die Indianer es vor dem Schlafengehen. Die Mayas verwenden es bis heute als Wahrsagerpflanze.

  • Wacholderbeeren gelten als besonders heilig und werden auch oft im Medizinbeutel getragen. Sie würden neue Lebensenergie und Mut schaffen, Schutz und Sicherheit geben und die Achtsamkeit stärken. Gelten auch als Schutzmittel vor ansteckenden Krankheiten und würden bei Asthma helfen.

  • Weihrauch wird bis heute häufig in der Kirche verwendet. Die Indianer räuchern das Harz zur Desinfizierung von Räumen. Es wirke aber auch stressabbauend, kläre die Sinne und verschaffe Klarheit. Ausserdem unterstütze es geistige Arbeiten. Weihrauch vertreibe ausserdem Insekten.

  • Wüstenbeifuss ist für Situationen im Leben, die Entscheidungen erfordern. Beifuss stärkt nach den Indianern die weibliche Seite und wird bei Menstruationsbeschwerden sowie in den Wechseljahren eingesetzt. Ausserdem könne es beruhigen und entspannen.

Autorin: Denise Muchenberger
Redaktion: Lisa Heyl
Quellen

«Räuchern mit indianischen Kräutern» von Marc Gloor