Albträume

Schrecken der Nacht

Einen Albtraum erleben fast alle einmal im Leben. Regelmässige Alpträume haben aber zum Glück die wenigsten.

Verfolgt. Ermordet. Wach. Zum Glück nur ein schlechter Traum. Somnologin und Psychotherapeutin Daniela Janssen vom Zentrum für Schlafmedizin Hirslanden Zürich erklärt im Interview, was hinter Albträumen steckt.

Frau Janssen, was war Ihr schlimmster Albtraum?

lic. phil. Daniela Janssen: Ich habe glücklicherweise fast nie Albträume oder vergesse sie zumindest sehr schnell wieder. Aber mich plagen manchmal Stressträume. Zum Beispiel, dass ich eine Prüfung ablegen muss und nicht gelernt habe oder das Flugzeug erwischen sollte und noch nicht gepackt habe.

Was tun Sie, wenn Sie schlecht geträumt haben?

Wache ich mit negativen Gefühlen auf, sage ich mir ganz bewusst: ‹Das war nur ein Traum› und dass diese Gefühle nicht zur Realität, sondern zum Traum gehören. Dann verschwinden Traurigkeit, Angst oder Wut schneller.

Was ist ein Albtraum?

Bei einem Albtraum hat der Betroffene eine detaillierte Erinnerung an den Trauminhalt und erlebt starke negative Gefühle. Nach einem Albtraum wacht er nicht zwingend auf. Aber in der Regel schon. Eventuell nassgeschwitzt, mit Herzklopfen, Angstgefühlen oder starker Traurigkeit. Treten Albträume häufig auf, können sie sehr belastend sein.

Was sind die häufigsten Albträume?

Verfolgung, Bedrohung, Kampfsituationen, Verletzung durch Menschen oder Tiere oder dass man selber oder jemand, der einem nahesteht, stirbt oder schwer erkrankt. Auch ins Unendliche fallen wird oft genannt.

Träumen Kinder und Erwachsene das gleiche?

Ähnlich. Man weiss, dass Kinder viel häufiger Albträume haben als Erwachsene. Unter den Erwachsenen sind es etwa 5 Prozent, die regelmässige Albträume haben, unter den Kindern 20. Regelmässig bedeutet mindestens einmal pro Woche oder häufiger. Nach der Pubertät nehmen die Alpträume oft spontan ab. Babys befinden sich zur Hälfte ihres Schlafs im REM-Schlaf, der sogenannten Traumschlafphase. Bei einem Erwachsenen beträgt die REM-Phase nur 20 Prozent pro Nacht.

Wann spricht man von chronischen Albträumen?

Wenn jemand mehr als einmal pro Woche Albträume durchlebt, sind sie chronisch. Betroffen sind oft Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen. Chronische Albträume können die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Viele haben Angst, einzuschlafen. Helfen kann in diesem Fall eine spezifische Psychotherapie oder das Schlafzentrum.

Gibt es ein Medikament gegen Albträume?

Leider existiert das Anti-Albtraum-Medikament noch nicht. Bei einem Medikament gegen Bluthochdruck hat man aber beobachtet, dass bei Patienten, die es einnehmen, weniger häufig Albträume auftreten. Es gibt jedoch Medikamente, die Albträume auslösen oder aufrechterhalten wie bestimmte Psychopharmaka oder einige Schlaf- und Beruhigungsmittel.

lic. phil. Daniela Janssen

lic. phil. Daniela Janssen ist Somnologin und Psychotherapeutin im Zentrum für Schlafmedizin Hirslanden Zürich.

Warum träumt der Mensch überhaupt?

Träumen hilft wahrscheinlich beim Verarbeiten und Probleme lösen. Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass Paare, die sich getrennt haben und von der Trennung geträumt haben, besser mit dem Aus der Beziehung umgehen konnten als diejenigen, die nicht davon geträumt haben. Die Forschung hat zudem gezeigt, dass im Schlaf das Gedächtnis konsolidiert wird und wir während der REM-Schlafphasen Gelerntes festigen.

Es ist also eine schlechte Idee, die ganze Nacht zu büffeln und dann ohne Schlaf an die Prüfung zu gehen?

Ja, das ist eine ziemlich schlechte Idee. Der Stoff wird viel schneller wieder vergessen.

Warum träumen Menschen ein Leben lang denselben Albtraum immer wieder?

Meistens geht es im Traum um etwas, das die Person sehr beschäftigt. Manchmal sind wiederkehrende Albträume ein Zeichen einer psychischen Krankheit oder eines Traumas. Dann ist eine Fachperson gefragt. Hat ein Traum immer den gleichen Inhalt, kann er relativ gut bekämpft werden.

Wie?

Ein Kind träumt beispielsweise immer wieder, dass es von einem Wolf angegriffen wird. Eine Behandlungsstrategie ist, dass das Kind sich tagsüber vorstellt, wie es den Wolf bekämpfen würde. Vielleicht mit einem Schwert oder Zauberstab. So schafft es das Kind irgendwann, den Wolf auch im Albtraum zu besiegen. Das gleiche Vorgehen gilt auch für Erwachsene.

Warum sind Träume oft unrealistisch?

Im Gehirn ist der präfrontale Cortex, kurz PFC, zuständig für die Logik und die Vernunft. In der REM-Phase ist der PFC ausgeschaltet und darum können Träume unrealistisch sein und sich trotzdem echt anfühlen. Ausserdem sind die Gehirnteile Hippocampus und Amygdala, die für Emotionen verantwortlich sind, aktiver als sonst. Im REM-Schlaf kann der Mensch zudem echte Geräusche aus seiner Umgebung wie das Bellen eines Hundes oder ein Gewitter hören und in einen Traum integrieren.

Haben Schlafwandeln, Zähneknirschen, Sprechen oder Schreien in der Nacht mit Träumen zu tun?

Nein. Im REM-Schlaf ist die Muskulatur wie gelähmt. Nur die geschlossenen Augen bewegen sich (siehe Kasten). Wer schlafwandelt, befinden sich in der Tiefschlafphase und macht dies meist in der ersten Nachthälfte. Wer mit den Zähnen knirscht oder im Schlaf spricht, ist eher in einer Leichtschlafphase. In der Tiefschlafphase kommt es zudem manchmal zu einem normalen Entwicklungsphänomen, von dem meistens Kinder betroffen sind, dem Nachtschreck oder Pavor Nocturnus. Das Kind schreit oder schlägt um sich und hat Angst. Obwohl es die Augen geöffnet hat, ist es nicht ansprechbar und die Eltern können es kaum beruhigen. Der Nachtschreck ist aber harmlos und gehört zu den häufigsten Aufwachstörungen in der Kindheit.

Beim Träumen kann es passieren, dass man ins Leere boxt oder dummerweise die Person, die neben einem schläft …

Ja. Wenn dies sehr häufig geschieht, ist vielleicht eine REM-Verhaltensstörung vorhanden, weil im REM-Schlaf die Muskeln komplett entspannt sein sollten. Von einer Störung sind eher ältere Menschen betroffen. Ganz normal sind dagegen die sogenannten Einschlafmyoklonien. Man vermutet, dass der Körper beim Einschlafen zuckt, weil sich die Nervenzellen entladen.

Warum erinnert man sich an manche Träume, an manche nicht?

Menschen erinnern sich besser an Träume, die im letzten Schlafzyklus auftreten und an solche, aus denen sie aufwachen. Im Schlaf ist zudem der Noradrenalinspiegel tiefer, was dafür sorgt, dass wir Träume vergessen. Noradrenalin ist ein Botenstoff, der wach und aufmerksam macht und dem Gehirn hilft, Erinnerungen zu speichern.

Autorin und Redaktion: Vanessa Naef
Quellen
  • Somnologin und Psychotherapeutin Daniela Janssen vom Zentrum für Schlafmedizin Hirslanden Zürich

  • Broschüre «Schlaf fürs Gehirn», Universität Bern, 2019

  • Netflix-Dokumentation «Explained: Unser Kopf» von Ezra Klein mit Vox Media, 2019

  • www.schlaf-wach-epilepsie-zentrum.insel.ch/de/der-gesunde-schlaf/