Placebo

Wirkung nur zum Schein

Placebos enthalten keine Wirkstoffe, wirken aber trotzdem. Wie kann das sein?

Ein Placebo ist ein Scheinmedikament ohne Wirkstoff, das genauso aussieht wie ein echtes Arzneimittel. Der Name stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie «Ich werde gefallen». Placebo-Reaktionen sind daher Reaktionen des Körpers, für die es keine erkennbare medizinische Erklärung gibt.

Placebos werden seit Mitte des 20. Jahrhunderts in klinischen Studien eingesetzt, um die Wirksamkeit von Medikamenten zu untersuchen. Eine sogenannte doppelte Verblindung wird in klinischen Studien angewendet, um das Risiko einer Verzerrung zu reduzieren, die absichtlich oder unabsichtlich passieren kann. In einer solchen doppelblinden Studie wissen weder Forscher noch Probanden, welcher Teilnehmer ein Placebo und welcher das richtige Medikament bekommt. Bei Studien, bei denen die Forscher wissen, wer das Placebo bekommt, die Probanden aber nicht, werden entsprechend auch «einfachblinde Studien» genannt.

Den ersten dokumentierten Versuch mit Placebos führte der US-Naturwissenschaftler Benjamin Franklin durch, um die Wirksamkeit einer damals populären Heilmethode zu widerlegen. Placebos werden aber auch therapeutisch eingesetzt. Nicht nur als Medikament übrigens, es gibt auch Scheinoperationen oder Scheinakupunktur. Wie genau der Placeboeffekt funktioniert, ist noch nicht ausreichend erforscht. Wichtige Einflussfaktoren dürften die Erwartungshaltung des Patienten sowie die Kommunikation zwischen Arzt und Patient sein.

Wer Böses erwartet …

Der Nocebo-Effekt ist quasi der böse Bruder des Placebo-Effekts. Der Name «Nocebo» ist abgeleitet vom lateinischen «nocere», was «schaden» bedeutet. Der Nocebo-Effekt beschreibt die negative Wirkung einer Scheinbehandlung. Er beruht, wie der Placebo-Effekt auch, oft auf einer bewussten Erwartungshaltung. So kann die Angst, dass bestimmte Dinge krank machen, tatsächlich zu entsprechenden Krankheitssymptomen führen.

Auch deklarierte Placebos wirken

Ein offen verabreichtes Placebo kann genauso gut wirken wie ein Placebo, das als Täuschung abgegeben wird. Dies haben Psychologen der Universität Basel und der Harvard Medical School 2017 herausgefunden.

Dafür führten sie eine Studie mit 160 gesunden Probanden durch, denen am Unterarm ansteigende Hitze zugeführt wurde. Die Studienteilnehmer wurden gebeten, den Versuch zu stoppen, sobald sie die Hitze nicht mehr aushalten. Danach sollte der Schmerz mit einer Creme gelindert werden. Alle Teilnehmer erhielten ein Placebo. Einem Teil wurde jedoch gesagt, dass die Creme den Wirkstoff Lidocain enthalte. Bei der zweiten Gruppe war die Creme mit «Placebo» beschriftet. Sie wurden ausserdem vorab über den Placebo-Effekt informiert. Die dritte Gruppe erhielt eine angeschriebene Creme ohne weitere Erläuterungen. Das Resultat: Bei den Probanden der beiden ersten Gruppen half die Creme gut gegen die Schmerzen. Fehlten ausführliche Erläuterungen über den Placebo-Effekt wie in der dritten Gruppe, hatten die Probanden deutlich intensivere und unangenehmere Schmerzen.

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Psychologische Placebos

Placebos können auch eine Wirkung haben, wenn man ihnen bestimmte psychologische Effekte zuschreibt. Das haben Forschende der Universität Basel in Experimenten mit über 400 gesunden Teilnehmenden herausgefunden. Als Placebo verwendeten sie Filme, in denen die Farbe Grün vorherrschte. Diese Filme wurden mit oder ohne eine Erklärung wie «Grün beruhigt, weil es früh geprägte emotionale Schemata aktiviert» sowie von einer neutralen oder einer freundlichen Person präsentiert. Die Probanden bewerteten danach ihre persönliche Befindlichkeit. Dabei zeigte sich: Das Placebo hatte dann eine positive Wirkung auf die Befindlichkeit, wenn es zusammen mit einer Erklärung sowie in einem freundlichen Kontext verabreicht wurde.

Placebo by Proxy

Placebos sollen auch bei Tieren, Kleinkindern oder Pflanzen wirken, die offensichtlich gar nicht an eine Wirkung glauben können beziehungsweise von der Behandlung gar nichts mitbekommen. Dieses Phänomen nennt sich «Placebo by Proxy», das bedeutet in etwa so viel wie «Placebowirkung durch Nahestehende». In diesem Fall sind Eltern oder Besitzer und ihre positive Erwartungshaltung Auslöser für die heilende Wirkung. Ihr Verhalten verändert sich im Laufe der Behandlung. Erst sind sie nervös und angespannt, weil beispielsweise ihr Hund krank ist. Dann widmen sie ihm mehr Aufmerksamkeit und entspannen sich zusehends, wenn sie dem Tier etwas verabreicht haben, von dessen Wirkung sie überzeugt sind. All diese Faktoren wirken sich positiv auf den Krankheitsverlauf aus.

Autorin und Redaktion: Bettina Epper
Wissenschaftliche Kontrolle: Dr. phil. nat. Anita Finger Weber
Quellen
  • Christine Gitter: «Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Apothekerin», Droemer Verlag, 2019

  • Universität Basel

  • Christopher Baethge: «Nocebo: Die dunkle Seite der menschlichen Einbildungskraft», Deutsches Ärzteblatt, 2013

  • Matthias Breidert, Karl Hofbauer: «Placebo. Missverständnisse und Vorurteile», Deutsches Ärzteblatt, 2009

  • Deutsche Bundesärztekammer (Hrsg.): «Placebo in der Medizin», Deutscher Ärzte-Verlag, 2010

  • Europäische Patientenakademie EUPATI, www.euati.eu

  • Elsevier GmbH: «Medizinische Fachwörter von A-Z», Urban & Fischer, 2018

  • Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik, www.lexikon.stangl.eu