Tipps bei Paarkonflikten

Feuer unter dem Dach: Eine Psychotherapeutin erklärt im Interview, wie Paare Konflikte am besten vermeiden und richtig lösen.

Liebesbeziehungen führen ist nicht einfach. Manche Partnerschaften kommen an ihre Grenzen, sagt Dania Schiftan, Sexual- und Psychotherapeutin vom Zentrum für interdisziplinäre Sexologie und Medizin ZiSMed. Im Interview erklärt sie, warum es häufig knallt und wie Paare ihre Konflikte lösen können.

Frau Schiftan: Was sind zurzeit die Herausforderungen in Ihrer eigenen Partnerschaft, die Sie meistern müssen?

Dr. phil. in Clinical Sexology (USA) Dania Schiftan: Wir haben zwei Kinder und müssen uns täglich mit den Bedürfnissen von uns allen auseinandersetzen. Oft geht es darum, wer wie viel Freiraum braucht oder wir müssen planen, wer sich wann um die Kinder kümmert.

Was sind die häufigsten Gründe für Konflikte in der Partnerschaft?

Viele streiten sich über Kleinigkeiten, zum Beispiel das Aufräumen, das Kochen oder ob man dem Kind ein Glace erlaubt oder nicht. Oft stecken hinter solchen Diskussionen aber grössere Probleme. Vielleicht fühlt sich jemand mit seinen Wünschen oder Bedürfnissen nicht respektiert. Oder der eine Partner kann dem anderen nicht sagen, dass das ständige Beisammensein unangenehm ist. Oder eine Person fühlt sich gestresst und der Partner wird zum Blitzableiter.

Wie können Diskussionen über Banalitäten vermieden werden?

Indem man lernt zu verstehen, wieso ein Streit wirklich entsteht. Meine Kollegin Felizitas Ambauen macht den Unterschied zwischen den wichtigen Themen, dem «Gaggi» und den unwichtigen Themen, den «Fürzen». Wichtig ist, über den «Gaggi» zu reden. Und nicht nur über die «Fürze». Auch wenn das natürlich bedrohlicher ist.

Sonst noch heisse Tipps, wie Paare den Alltag besser überstehen?

Mit möglichst viel Struktur im Tag wie einem Stundenplan. Es soll geregelt werden, wer wann was macht. Es muss zum Beispiel geklärt sein, wer wann wo arbeitet, kocht, Pause macht und so weiter. Falls ein Paar Kinder hat, kann es entspannend sein, wenn nicht beide Elternteile non-stopp ansprechbar sind, sondern wenn ein Elternteil jeweils für eine bestimmte Zeit für die Kinder zuständig ist.

Dania Schiftan, Dr. phil. in Clinical Sexology (USA) und eidg. anerkannte Psychotherapeutin.

Was tun, wenn trotzdem Konflikte entstehen?

Am besten werden Konfliktzeiten und Konflikträume definiert. Es muss klar sein, wann das Gespräch stattfindet, wie lange es dauert und wo geredet wird. Ein Paar kann zum Beispiel abmachen, sich jeden Morgen von 7 bis 8 Uhr draussen auf dem Balkon oder während eines Spaziergangs zu unterhalten. Wichtig ist auch, dass beide wissen, was das Thema des Gesprächs sein wird. Solche Rahmenbedingungen helfen, dass es einfacher verläuft. Aber man darf nicht erwarten, dass ein Konfliktgespräch etwas Schönes ist.

Welche Gesprächstechnik ist die beste?

Viele Therapeuten bringen Paaren eine bestimmte Kommunikationstechnik bei. Bekannt ist die Technik, Ich-Botschaften zu formulieren. Zum Beispiel zu sagen, «ich fühle mich nicht ernst genommen» statt «du nimmst mich nicht ernst». Mir sind zusätzlich noch andere Dinge wichtig. Ich habe beobachtet, dass es einem Paar viel bringt, wenn beide vor einem Gespräch versuchen herauszufinden, was ihr eigentlicher Wunsch ist. Geht es mir primär darum, meine Gefühle zu teilen? Oder will ich eine Entschuldigung? Oder brauche ich Unterstützung? Wer seinen Kernpunkt herausfindet und kommuniziert, übernimmt viel mehr Selbstverantwortung und ist klarer. Und das ist gut für die Beziehung.

Was empfehlen Sie, damit ein Konfliktgespräch auch am Telefon oder via Textnachricht gelingt?

Die vorher angesprochenen Rahmenbedingungen sind auch hier wichtig. Manchmal verlaufen schwierige Gespräche am Telefon sogar besser, als wenn man sich gegenübersteht. Die körperliche Distanz kann dafür sorgen, dass man sich selbst besser spürt und besser für sich einstehen kann. Wenn Paare sich Textnachrichten senden, kommt es häufiger zu Missverständnissen. Es fehlen wichtige Kommunikationskanäle wie Ton, Körpersprache und Mimik. Und auch Wörter können falsch interpretiert werden und triggern. Zum Beispiel wenn ich das Wort «Gof» benutze, meine ich es liebevoll. Für jemand anderes kann das Wort abwertend sein.

Ist Versöhnungssex ein guter Streitschlichter?

Das ist sehr individuell. Es gibt Paare, die Sex als Streitpause nutzen, solche, die Sex haben, um einen Streit zu beenden und andere, die erst wieder Sex haben, wenn alles geklärt ist. Dies hängt davon ab, wie jemand Sex gelernt hat. Spürt Erregung man Erregung, wenn man mit den eigenen Emotionen im Reinen ist oder auch dann, wenn man den Partner doof findet?

Wann schädigt Streit die Beziehung längerfristig?

Wenn es nur noch darum geht, zu streiten und nicht mehr darum, eine Lösung zu finden. Besonders zerstörerisch sind ständige Kritik, Abwehr, Verachtung und Rückzug. Das heisst, wenn jemand den anderen häufig kritisiert. Oder wenn jemand das Gesagte des Partners ständig abwehrt oder sich immer rechtfertigt. Oder wenn man den Partner verachtet, so à la «was du schon wieder sagst …». Oder wenn man den Partner einfach ignoriert und null Gesprächsbereitschaft zeigt.

Wann ist Streit etwas positives?

Streiten ist kein Zeichen dafür, das ein Paar nicht zusammenpasst. Oder umgekehrt ist es auch kein Signal dafür, dass eine Beziehung gesund ist, wenn sich ein Paar nie streitet. Es kommt auf die Art und Weise an, wie zwei Personen miteinander kommunizieren. Wenn ein Paar sich mit der Beziehung auseinandersetzt und sich für die Beweggründe und das Befinden des anderen interessiert, dann ist Streit etwas gutes.

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Wie soll ein Paar Konflikte lösen, ohne dass die Kinder darunter leiden?

Es ist ein Mythos, dass Kinder nicht mitbekommen sollten, wenn sich Eltern streiten. Kinder dürfen Zeugen eines Streits sein. Aber wichtig ist, dass Eltern produktiv streiten und nicht destruktiv, sich nicht nur angifteln, sondern Dinge aushandeln. Kinder lernen so auch, Konflikte richtig zu lösen. Eltern sollten ihren Kleinen auch sagen, dass der Streit nichts mit ihnen zu tun hat, dass Mami und Papi Probleme selber klären können.

Wann braucht ein Paar professionelle Hilfe?

Paare sollten besser früh und rechtzeitig eine Therapie starten und nicht erst, wenn sie alleine keine Lösungen mehr finden. Dann ist meistens schon viel kaputt und die Therapie schwieriger.

In Krisenzeiten ist das Grundgefühl manchmal negativ. Was können Paare tun, um in eine positive Energie zu kommen?

Mehr Verantwortung für sich selber übernehmen. Sich beispielsweise bewusst werden: Welche Bedürfnisse habe ich? Was sind meine Ängste? Je klarer mir diese Sachen sind, desto besser kann ich sie kommunizieren. Zudem sollten alle lernen, sich auch einmal selber beruhigen zu können, um nicht alles in die Beziehung zu tragen. Und auch Toleranz dem Partner gegenüber entspannt sowie das Leben ein bisschen lockerer zu nehmen.

Autorin und Redaktion: Vanessa Naef
Quellen
  • Dania Schiftan, Dr. phil. in Clinical Sexology (USA) und eidg. anerkannte Psychotherapeutin.