Was sind Krampfadern?
Krampfadern sind unschön, aber selten gefährlich. Venenspezialist Privatdozent Dr. med. Torsten Willenberg im Interview.
Herr Dr. Willenberg, was ist eine Krampfader?
Dr. Torsten Willenberg: Der Wortteil «Krampf» kommt vom althochdeutschen «krumm». Eine Krampfader ist eigentlich eine «Krummader», hat also mit Krämpfen direkt nichts zu tun. Solche krummen Venen sind äusserlich gut als Erhebung erkennbar. In «Krummadern» sind die Venenklappen, welche das Blut herzwärts fliessen lassen, defekt. Kann das Blut nicht mehr optimal zum Herzen transportiert werden, bildet sich ein Stau. Das Blut sammelt sich lokal an und wird so zur «Krampfader» – auch Varize genannt.
Ist die Neigung zu Krampfadern vererbbar?
Ganz klar ja. Das Erbliche steht bei dieser Krankheit im Vordergrund. In der Regel ist mindestens ein Eltern- oder zumindest Grosselternteil ebenfalls betroffen. Doch es gibt Faktoren, welche diese Beschwerden verstärken: vor allem stehende, aber auch ausschliesslich sitzende Berufe. Übergewicht ist ein zusätzlicher Risikofaktor, denn dies erhöht den Blutdruck und verengt die Venen. Positiv beeinflussen kann man Venenerkrankungen durch Bewegung (Laufen, Spazieren etc.) oder Liegen. Bewegung tut den Venen grundsätzlich gut, da so der Blutfluss erleichtert wird.
Dr. med. Torsten Willenberg
Gefäss- und Venenspezialist Torsten Willenberg gehört zum Nachfolgeteam des Venenchirurgen Dr. Andreas Oesch. Dieser hat das Oesch-Häklein entwickelt, ein wichtiges Instrument für Venenoperationen.
Wann ist eine Operation unumgänglich?
Es gibt zwei medizinische Gründe für eine Operation. Beim Patienten entstehen Beschwerden wie Schmerzen, Kribbeln, Gefühlsstörungen, Krämpfe… Diese machen sich typischerweise am Ende des Tages bemerkbar und werden durch das Hochlagern der Beine gelindert.
Der zweite Grund sind Hautveränderungen: Wenn eine Schwellung am Bein, vor allem im Bereich des Knöchels, entsteht und bei Druck mit dem Finger eine klar sichtbare Delle zurückbleibt. Dies beweist eindeutig, dass ein erhöhter Venendruck im Bein gegeben ist. Doch auch in diesem Fall muss nicht immer sofort operiert werden. Die regelmässige Überprüfung durch einen Spezialisten ist jedoch zentral.
Grundsätzlich gilt: Mit Varizen kann man gut leben, und sie sind in der Regel nicht gefährlich. Trotzdem sollte man auf der Hut sein und das letzte Stadium von Krampfadern, das sogenannte offene Bein (eine nässende, offene Wunde am Unterschenkel, die nicht abheilt) unbedingt vermeiden. Krampfadern erhöhen auch nicht zwingend das Thromboserisiko, wie häufig vermutet wird. Auch bei Venenentzündungen gilt: Immer besser von einem Experten abklären lassen.
- Venenübungen [1.03 MB]
Welches sind die häufigsten Komplikationen von Venenoperationen?
Diese sind insgesamt sehr selten. Ab und zu kommen Nervenverletzungen vor, da Venen und Nerven oft nahe beieinanderliegen und deshalb beim Eingriff verletzt werden können. Dies kann zu Empfindungsstörungen führen.
Was hilft vorbeugend gegen Krampfadern?
Wichtig ist, das Normalgewicht zu halten und sich ausreichend zu bewegen. Auch wenn die erbliche Komponente sehr stark ist, können die Beschwerden so positiv beeinflusst werden. Durch den Verzicht aufs Beine-Übereinanderschlagen ist keine Prävention möglich, denn es konnte nie wissenschaftlich erwiesen werden, dass das Überkreuzen der Beine die Entstehung von Krampfadern begünstigt. Andererseits ist klar, dass nach einigen Stunden des Beine-Überkreuzens die Venen eine Art leichte Quetschung erfahren, welche sicher nicht gesund ist für die Venen.
Wie gesund sind Ihre Beinvenen?
86 Prozent aller Erwachsener haben geringe bis schwerwiegende Veränderungen der Beinvenen. Testen Sie, wie gesund Ihre Venen sind.
Was halten Sie von Stützstrümpfen?
Wichtig ist, dass es nicht einfach Stützstrümpfe sind, sondern medizinische Kompressionsstrümpfe. Damit ist die Symptomatik von Varizen gut behandelbar. Sie sind vielleicht auch gut geeignet, um neuen Varizen nach Operationen vorzubeugen, bewiesen ist das allerdings nicht. Und: Auf längeren Flugreisen würde ich solche Strümpfe jeder und jedem empfehlen, da in diesen Situationen das Thromboserisiko für alle erhöht ist.
Sind Frauen stärker von Krampfadern betroffen als Männer?
Nein. Varizen kommen bei beiden Geschlechtern etwa gleich häufig vor. Dass oft der Eindruck entsteht, mehr Frauen seien betroffen, hat sicher mit ästhetischen Gründen zu tun. Frauen reagieren schneller, wenn sie eine unschöne Veränderung an den Beinen entdecken.
Redaktion: Bettina Epper
- Quelle
«Drogistenstern»