Reizende Pflanzen

Grüne Kosmetik boomt. Doch nicht alles von Mutter Natur ist per se sanft und harmlos. Dermatologin Laurence Imhof im Interview.

Zertifizierte Naturkosmetik besteht hauptsächlich aus natürlichen Stoffen, und was natürlich ist, kann nicht schaden. Von wegen! Laurence Imhof, Leiterin der ästhetischen Dermatologie am Universitätsspital Zürich, spricht über Risiken und Nebenwirkungen von grüner Kosmetik und gibt Tipps zum Umgang mit neuen Produkten.

Frau Imhof, viele Menschen haben auf Naturkosmetik umgestellt. Und Sie?

Ich benutze keine Naturkosmetik. Lieber sind mir Produkte von Herstellern, die mit Dermatologen zusammenarbeiten und Cremes, die ich schon lange kenne und weiss, dass meine Haut sie verträgt.

Gerade grüne Kosmetik ist doch besonders hautverträglich. Oder?

Die Haut kann auf synthetische und natürliche Stoffe empfindlich oder gar allergisch reagieren, bekanntlich zum Beispiel auf Duftstoffe, Fruchtsäuren und ätherische Öle wie Kamillenblütenextrakt. Bergamottöl kann unter Einfluss von Sonnenlicht einen Ausschlag mit anschliessend streifigen braunen Flecken auf der Haut verursachen.

Sind Unverträglichkeiten die Regel oder die Ausnahme?

Menschen, die eine gesunde und pflegeleichte Haut haben und zu einer neuen, gewöhnlichen Naturkosmetik-Tages- oder -Nachtcreme greifen, sollten keine Hautprobleme bekommen. Personen mit einer empfindlichen, zu Allergien oder Ekzemen neigenden Haut, die schnell gerötet ist, juckt, spannt oder schuppt, können neue Produkte zuerst auf der Arminnenseite testen. Die Creme einfach über mehrere Tage hinweg immer wieder auf die gleiche Hautstelle auftragen. Bleibt eine unangenehme Hautreaktion aus, kann man sie grossflächig anwenden.

Antifalten-, Augen-, Cellulitecreme … Bei vielen platzt das Beautyschränkchen schier aus allen Nähten. Brauchen wir das alles wirklich?

Viele überpflegen sich, sei es mit zu häufigem Waschen oder Eincremen. Das greift den Schutzfilm der Haut an, und sie gerät aus dem Gleichgewicht. Die Folgen davon können trockene Haut oder beispielsweise ein hartnäckiger Ausschlag im Gesicht sein.

Existiert eine Faustregel für das richtige Mass an Pflege?

Wichtig ist, dass die Produkte auf den Hauttyp abgestimmt sind. Junge gesunde Haut benötigt im Prinzip nur ein Minimum an Pflege. Ab circa dem 30. Lebensjahr nimmt die Talgdrüsenfunktion ab. Das heisst, die Haut trocknet schneller aus und spannt häufig. Das kann mit einer individuell angepassten Pflege ausgeglichen werden. Richtig gepflegte Haut ist glatt und geschmeidig.

Warum müssen wir unsere Haut überhaupt pflegen, kann sie sich von Natur aus nicht selber regenerieren?

Teilweise schon. Die oberste Hautschicht erneuert sich monatlich komplett. Die Haut kann sich auch zu einem gewissen Grad selbst vor äusseren Faktoren wie Kälte oder Sonne schützen. Doch Umwelteinflüsse und unsere Lebensweise bringen sie aus dem Gleichgewicht. Oder bei Menschen mit Neurodermitis ist die Hautbarriere bereits genetisch bedingt gestört. Die richtigen Pflegeprodukte helfen der Haut, ihre Barrierefunktion wiederherzustellen.

Laurence Imhof, Leiterin der ästhetischen Dermatologie am Universitätsspital Zürich.

Autorin und Redaktion: Vanessa Naef
Quelle
  • Laurence Imhof, Leiterin der ästhetischen Dermatologie am Universitätsspital Zürich