Kardinalfrage Hormone

Ein Drittel der Frauen mit Wechseljahrbeschwerden stellt sich die Frage: Hormone schlucken, ja oder nein? Zwei Standpunkte.

Hormonersatztherapien sorgen selbst unter Fachleuten immer wieder für hitzige Diskussionen. Wann sind Hormone sinnvoll, und wann sollte man die Finger davon lassen? vitagate.ch hat zwei Spezialisten zu den Vor- und Nachteilen befragt.

Pro: Dr. med. Reto Stoffel, Facharzt FMH für Gynäkologie und Geburtshilfe

Was raten Sie einer Patientin mit Wechseljahrbeschwerden?

Dr. med. Reto Stoffel: Im Gespräch finde ich heraus, inwiefern und wie stark die Patientin durch die Beschwerden beeinträchtigt ist. Bei der Behandlung gibt es zwei Therapieformen: eine hormonelle und eine pflanzliche. Die Therapie auf pflanzlicher Basis ist nur bei leichten bis mässigen Beschwerden hilfreich und braucht eine Anlaufzeit von drei bis sechs Monaten. Bei starken Beschwerden ist eine Hormonersatztherapie die einzig effiziente Behandlung.

Die Einnahme von Hormonpräparaten wird auch mit gesundheitlichen Risiken in Verbindung gebracht. Wie gross sind diese aus medizinischer Sicht?

Östrogen aktiviert die Blutgerinnung, sodass Thrombosen bei Hormoneinnahmen häufiger auftreten können – gleich wie bei der Einnahme der «Pille». Das Schlaganfallrisiko ist ebenfalls erhöht. Östrogene allein steigern das Brustkrebsrisiko aber nicht. Dies ist nur in Kombination mit Gestagen oder bei einer Einnahmedauer von über acht Jahren der Fall. Übergewicht und Alkoholkonsum erhöhen das Brustkrebsrisiko weit stärker.

Wann soll eine Frau mit der Einnahme von Hormonen beginnen?

Studien belegen, dass Frauen am meisten profitieren, wenn sie frühzeitig mit einer Hormontherapie beginnen. Bezüglich der Dosierung gilt: So lange wie nötig und so tief dosiert wie möglich. Das heisst, nach drei bis vier Jahren sollte eine Pause eingelegt werden. Während dieser Pause zeigt sich, ob eine weitere Behandlung notwendig ist. In der Regel genügt eine Therapie von drei bis acht Jahren.

Welche Frauen dürfen keine Hormone schlucken, und warum?

Alle, die eine Brustkrebserkrankung, einen Hirnschlag, Thrombosen oder Embolien durchgemacht haben – dies sofern die Blutgerinnung nicht abgeklärt wurde. Vorsicht geboten ist auch bei Frauen mit einem erhöhten genetischen Risiko. Dieses ist beim Auftreten von drei Brustkrebsfällen in nächster Verwandtschaft zu vermuten.

Beobachten Sie in Ihrer Praxis, dass zunehmend mehr Frauen der Komplementärmedizin den Vorzug geben?

Ja. Dies hat mit Panikmache und Fehlinformationen der Medien über Hormone zu tun. Wenn die Befindlichkeit einer Frau durch Wechseljahrbeschwerden massiv beeinträchtigt ist, kann sie von einer Hormontherapie profitieren.

Kontra: Dr. med. Barbara Wanner führt in Zürich eine frauenärztliche Praxis

Wie stehen Sie zu Hormonersatztherapien?
Dr. med. Barbara Wanner: Ich bin nicht grundsätzlich gegen Hormone. Es gibt Frauen mit starken Beschwerden, wie zum Beispiel lang anhaltenden Schlafstörungen, die an die Substanz gehen. Da hilft manchmal nichts anderes mehr. Die Hormoneinnahme ist aber mit Risiken verbunden. Zum Beispiel steigt das Brustkrebs- oder Hirnschlagrisiko mit jedem Jahr der Einnahme an.

Die Einnahme von Hormonen soll gegen Depressionen helfen.
Depressiv werden Frauen in den Wechseljahren nicht. Das ist eine Mär. Sie werden stimmungslabiler und dünnhäutiger. Oft befinden sich die Frauen auch in schwierigen Lebensphasen: Die Kinder fliegen aus, der Mann verlässt sie. Die äusseren Umstände sind entscheidender für die Psyche als der Rückgang der Hormone.

In welcher Situation empfehlen Sie eine komplementärmedizinische Behandlung?
Grundsätzlich entscheiden die Frauen selber. Ich informiere sie über Homöopathie, traditionelle chinesische Medizin und pflanzliche Mittel wie zum Beispiel Traubensilberkerze gegen Wallungen. Eine Wirkung zeigt sich nach zwei bis drei Wochen. Schlägt die Behandlung nach einem Monat nicht an, muss etwas anderes ausprobiert werden.

Umfrage

Würden Sie bei Wechseljahrbeschwerden eine Hormontherapie in Betracht ziehen?

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Autorin: Claudia Merki
Redaktion: Didier Buchmann
Quelle
  • «Drogistenstern»