Über Erektionsstörungen sprechen
Fast nichts verunsichert einen Mann so sehr, wie das Nachlassen seiner Manneskraft. Und dabei leiden viele ältere Männer an Erektionsstörungen. Sprechen Sie darüber!
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Für Dr. med. Petra Stute, Oberärztin und Leiterin des Zentrums für Wechseljahre am Inselspital Bern, steht fest: Nachfragen und darüber sprechen ist extrem wichtig, «bevor auf der emotionalen, partnerschaftlichen Ebene ein Teufelskreis mit gegenseitigen Rückweisungen losgetreten wird.» Kann der Mann nicht, dann haben Frauen oft Zweifel, ob sie noch attraktiv genug sind, und der Mann denkt, dass er seiner Partnerin nicht mehr genügt.
Hälfte der über 50-Jährigen betroffen
Dabei ist das Problem der abnehmenden Potenz verbreiteter, als man denkt: Bereits ab dem Alter von 40 Jahren haben 40 Prozent der Männer Erektionsstörungen, ab 50 Jahren sind es 50 Prozent. «Männer tun lange so, als ob alles wie früher wäre», sagt Elisabeth Schütz, diplomierte Sexualtherapeutin ISI (Instituts für Sexualpädagogik und Sexualtherapie). Klar, seien Männer verunsichert, wenn es mit der Erregung nicht mehr richtig klappe.
Der Grund dafür liegt für Schütz darin, dass die Potenz eines Mannes zu seiner Identität gehört. Diese funktioniert lange Zeit «automatisch, weil die sexuelle Lust des Mannes regelmässig über Hormone aktiviert wird», so Schütz. Mit dem Alter kann der Härtegrad der Erektion aber abnehmen. Das Eindringen in die Partnerin wird damit schwieriger. Oft fällt es Männern auch schwer, die Erektion bis zum Ende des Geschlechtsverkehrs aufrechtzuerhalten.
Da Männer in jungen Jahren weniger mit ihrem Körper konfrontiert werden, sind sie bei Erektionsstörungen oft ratlos und suchen nach schnellen Lösungen wie beispielsweise Viagra, sagt Sexualtherapeutin Elisabeth Schütz. «Mit fortschreitendem Alter sind Männer aber aufgefordert, vom Autopiloten in eine aktive und bewusste Erregungssteigerung zu kommen.» Weil dies leichter gesagt als getan sei, könne eine Beratung sinnvoll sein. Sich Hilfe holen, beim Hausarzt, in einer Therapie oder im Freundeskreis, das sei wichtig. Reden, sich beraten lassen, das habe nichts mit Versagen zu tun – im Gegenteil, so Schütz.
Umweg über die Frau
Da es vielen Männern schwer fällt, über ihre Erektionsprobleme offen zu sprechen, lohnt sich manchmal der «Umweg über die Frau». So hat es sich die Gynäkologin Petra Stute, Leiterin des Menopausezentrums am Inselspital Bern, zur Gewohnheit gemacht, bei allen Untersuchungen, die Frauen auch nach der Sexualität und möglichen Veränderungen zu fragen. Ist der Katalog von Libidostörungen bis hin zu Scheidentrockenheit durchgearbeitet, erkundigt sich die Frauenärztin schliesslich nach dem Partner und dessen Gesundheit.
Parallel zu den Wechseljahren bei der Frau, gibt es beim Mann mit zunehmendem Alter hormonelle Veränderungen. Erektionsstörungen können auch ein erstes Warnzeichen für eine Gefässveränderung sein, die in ein erhöhtes Herzinfarktrisiko münden kann. Aber auch Medikamente gegen hohen Blutdruck und Diabetes können Erektionsprobleme verursachen. Deshalb ist es wichtig, frühzeitig über Erektionsstörungen zu sprechen. «Ich hoffe mit dem Aufzeigen dieser Zusammenhänge, dass es den Frauen gelingt, ihre Männer zu einem Arztbesuch zu motivieren», erklärt Petra Stute.
Mehr Kribbeln beim Sex
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«Regisseure unseres Erotikdrehbuches»
Sexualität bleibt bis ins hohe Alter wichtig. Laut einer US-amerikanischen Studie haben 73 Prozent der amerikanischen Bevölkerung zwischen 57 und 64 Jahren Geschlechtsverkehr. In der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen liegt der Anteil der sexuell Aktiven noch bei 53 Prozent. Im Alter zwischen 75 und 85 sinkt deren Anteil dann auf 26 Prozent ab. Und allen Vorurteilen zu Trotz, gibt es zahlreiche betagte Paare, die ein sehr erfülltes Sexualleben haben.
Sexuellen Einschränkungen kann man mit einfachen Hilfsmitteln wie Gels, Medikamenten, Beckenbodentraining oder einer Beratung begegnen. Die Sexualtherapeutin Elisabeth Schütz plädiert dafür, mit den körperlichen Veränderungen immer wieder Neues zu entdecken – auch in der Sexualität: «Wir sind selber die Regisseure unseres Erotikdrehbuches», so die Therapeutin. Und: Wer regelmässig Sex hat, lebt gesünder.
Umfrage
Redaktion: Franziska Linder
- Quelle
«Drogistenstern»