Innere Uhr im Alter neu geeicht

Die innere Uhr bestimmt von Geburt an, wer Frühaufsteher oder Morgenmuffel ist. Das bleibt das ganze Leben über gleich. Und doch: Im Alter werden wir alle zu «Lerchen». Wieso?

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Wir tragen nicht nur eine Uhr an unserem Handgelenk, wir tragen auch Uhren in unserem Innern. Die sogenannten Biologischen Uhren, die rhythmische Prozesse wie Schlaf, Körpertemperatur, Blutdruck, Hormonausschüttung und Verdauung kontrollieren. In diesem System gibt es eine Chef-Uhr, die ihren Sitz im Gehirn (im Nucleus suprachiasmaticus) hat. Sie wird durch das Licht synchronisiert und kommuniziert mit anderen untergeordneten Uhren, den sogenannten Sklaven-Uhren, auch Uhren-Gene oder wissenschaftlich «Bmal-1» genannt. Diese Helfer-Uhren kommen in den meisten Zellen des Körpers vor. Alle damit ausgestatteten Zellen sind für die innere Uhr, die zirkadiane Rhythmik, verantwortlich. Der zirkadiane Rhythmus, der verschiedene organische Prozesse taktet, folgt beim Menschen einem Zyklus von rund 24 Stunden. Wie die einzelnen Abschnitte (z.B. der Schlaf-Wach-Rhythmus) der inneren Uhr getimt sind, ist bis zu einem gewissen Grad von Mensch zu Mensch verschieden und hängt von der genetischen Ausstattung ab. Ob man Frühaufsteher («Lerche») oder Morgenmuffel («Eule») ist, ist erblich festgelegt. Auch, wann und in welcher Intensität entlang der biologischen Uhr die Hormone, das Leistungsvermögen, die Körpertemperatur usw. hoch oder tief sind, ist unterschiedlich: man spricht von verschiedenen Chronotypen (gr. chrónos heisst Zeit).

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Wir mutieren immer mehr zu Lerchen

Interessanterweise verändert sich mit zunehmendem Alter der Chronotypus, obschon das Grundmuster der «Lerchen» und «Eulen» unverändert bleibt. Dieser Wechsel setzt mit dem Ende der Pubertät ein. Spontanes Aufwachen am Morgen verschiebt sich Stück um Stück in Richtung frühere Morgenstunden. Der Ausdruck «seniler Bettflucht» ist nicht nur unschön, sondern schlichtweg falsch. Auch wer alles andere als senil ist, wird zur Lerche.

Doch warum tritt dieses Phänomen im Alter auf und was sind die Ursachen dafür? Diesen Fragen sind Forschende der Universität Basel um Prof. Dr. Anne Eckert, Prof. Dr. Christian Cajochen und Prof. Dr. Anna Wirz-Justice in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Steven Brown von der Universität Zürich in einer Studie nachgegangen.

Sie fanden heraus, dass isolierte Uhren-Gene (in vitro) von jungen wie von alten Menschen immer gleich ticken. Der Unterschied liegt in vivo, kokret im Blutserum, das Einfluss auf die Uhren-Gene nimmt. Das Blutserum älterer Personen führt zu einer Verkürzung der Periodenlängen im zirkadianen Rhythmus, also der vom Tag-Nacht-Wechsel beeinflusste Steuerung des Stoffwechsels. Das heisst, die Schlafperioden werden kürzer. Weiter vermuten die Forscher, dass es hormonabhängige thermolabile Faktoren sind, die für Veränderung im Blutserum verantwortlich sind. Dies lässt wiederum die Vermutung zu, dass die neue «Eichung» der inneren Zelluhren künstlich, sprich hormonell, beeinflusst werden kann. Beispielsweise durch Medikamente, die in extremen Fällen von frühem Erwachen in den Morgenstunden Abhilfe schaffen könnte.

Lebensnotwendig

Dieses Medikament gibt es noch nicht, deshalb müssen Betroffene momentan noch auf Verhaltensänderung setzten. Denn eines ist klar: Wir verbringen einen Drittel des Lebens im Schlaf. Wer 90 Jahre alt wird, hat also 30 Jahre seines Lebens verschlafen. Schlafen ist so überlebensnotwendig wie Essen und Trinken, es ist eine unabdingbare Voraussetzung für Gesundheit und Lebensqualität. Schlechter Schlaf kann, wenn er länger andauert, zu chronischer Müdigkeit, Leistungsabfall und Konzentrationsstörungen, oder zu Depressionen sowie körperlichen Beschwerden führen. Das alles gilt es auch im Alter zu beachten.

Autorin und Redaktion: Katharina Rederer