Rheuma in jungen Jahren

Rheuma trifft nicht nur ältere Menschen. In der Schweiz leiden 4000 Kinder und Jugendliche an dieser Erkrankung, die sich bereits im Alter von einem Jahr zeigen kann.

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In der Schweiz ist eines von tausend Kindern von verschiedenen Rheumaformen betroffen. Insgesamt leiden fast 4000 Kinder und Jugendliche an dieser Erkrankung. Wie äussert sich Rheuma bei jungen Menschen und was bewirken alternative Heilmethoden? Dr. Michaël Hofer, Pädiatrischer Rheumatologe in Lausanne gibt Antworten.

Wenn man von Rheuma spricht, denkt man sofort an alte Menschen. Aber auch Kinder sind von dieser Erkrankung betroffen. In welchem Alter kann man an Rheuma erkranken?

Dr. Michaël Hofer: Es ist so, dass eine Person während des ganzen Lebens von Rheuma betroffen sein kann. Bei jungen Patienten kann sich die Erkrankung bereits im ersten Lebensjahr zeigen. Die häufigste Form der juvenilen Arthritis tritt meistens im Alter von zwei bis vier Jahren auf.

Welche Arten von Rheuma gibt es bei jungen Menschen und welches sind die Symptome?

Dr. Michaël Hofer: Es gibt zwei Arten von Rheuma bei Jungen. Die erste sind die entzündlichen Erkrankungen. Ihre Folgen sind die juvenile Arthritis (oder idiopathische Arthritis), deren Ursache nicht bekannt ist. Sie macht 40 bis 50 Prozent der Fälle aus. Die zweite Art umfasst alle nichtentzündlichen Erkrankungen. Es handelt sich dabei um mechanische Probleme. Die Kinder und Jugendlichen haben Knochen- und Gelenkschmerzen. Diese sind bedingt durch übermässigen Gebrauch der Gelenke, fehlendes Training oder genetische Krankheiten. Es gibt auch Fälle, in denen die Ursachen nicht bekannt sind. Diese zweite Gruppe macht 50 bis 60 Prozent der Fälle aus. Die Symptome zeigen sich in Form von Gelenkschmerzen, geschwollenen Gelenken, morgendlicher Steifigkeit oder Bewegungsschwierigkeiten. Das Hinken eines Kindes kann ein verräterisches Symptom für Rheuma sein.

Sie sprechen von zwei- oder dreijährigen Patienten. Wie kann man die Krankheit erkennen, wenn das Kind nicht sagen kann, wo es ihm wehtut?

Dr. Michaël Hofer: Sie sprechen etwas Wichtiges an. Das Erkennen der Krankheit ist schwierig, wenn das Kind noch klein ist. Nicht nur, weil der Patient sein Leiden nicht genau erklären kann, sondern weil er sich daran gewöhnt. Nehmen wir beispielsweise ein Kind, das mit 12 bis 18 Monaten zu gehen beginnt. Mit 24 Monaten ist es von einer Polyarthritis betroffen, die es beim Gehen behindert. Es gewöhnt sich rasch an diese Beschwerden, bis es sie normal findet. Man kann auch einen positiven Effekt darin sehen: Dem Kind gelingt es, gewisse Behinderungen in sein Leben zu integrieren, aber dies macht das Erkennen der Krankheit schwieriger. Ein anderes Beispiel: Ein von Polyarthritis betroffenes Kind weint oft in der Nacht, weil es ihm wehtut. Viele Kinder weinen in der Nacht; deshalb denken die Eltern vielleicht nicht an Rheumaprobleme. Hat dieses Kind neben seinem nächtlichen Weinen jedoch ein sehr ruhiges Verhalten, geht es wenig oder hinkt es, sollten die Eltern möglichst bald einen Arzt aufsuchen.

Dr. Michaël Hofer, Pädiatrischer Rheumatologe in Lausanne: «Weil Rheuma eine unsichtbare Krankheit ist, haben viele Personen Mühe, sie zu verstehen.»

Welche schulmedizinischen Therapien empfehlen Sie Ihren Patienten?

Dr. Michaël Hofer: Wir setzen nichtsteroidale Entzündungshemmer und Kortison als Injektion ein. Wir empfehlen auch neue Therapien, wie die biologischen Wirkstoffe, die sich direkt gegen das für die Krankheit verantwortliche Molekül richten. Diese Medikamente werden als Infusion alle zwei bis sechs Wochen gegeben oder als Spritze unter die Haut alle zwei Wochen. In seltenen Fällen müssen sich die Patienten täglich eine Spritze verabreichen.

Und auf der Seite der Alternativtherapien?

Dr. Michaël Hofer: Diese sind eine ausgezeichnete Unterstützung der schulmedizinischen Behandlung. Ich möchte aber betonen, dass nur diese die Entzündung beheben kann. Von den Alternativtherapien werden besonders Bewegungstherapien für den Bewegungsapparat empfohlen. Wir empfehlen Physiotherapie und Ergotherapie. Wichtig ist auch, dass der Patient Sport treiben kann.
Es gibt aber auch all die Probleme, die mit den Schmerzen, Ängsten und der Belastung verbunden sind. Hier sind viele Alternativtherapien möglich. Sie ermöglichen dem Patienten, den
Schmerz und die Belastung besser zu ertragen. Wir ermutigen unsere Patienten, unter den verschiedenen Methoden auszuwählen, damit sie möglichst gut mit ihrer chronischen Erkrankung zurechtkommen, wobei wir darauf hinweisen, dass es nicht gut ist, eine Therapie nach der andern zu machen und ständig zu wechseln. Zudem ist es gefährlich, wenn ein Patient die schulmedizinische Therapie aufgibt und nur noch eine Alternativtherapie durchführt.

Wird man von Rheuma geheilt?

Dr. Michaël Hofer: Von einer Rheumaerkrankung wird man nicht wirklich geheilt, aber der Patient kann in eine Remissionsphase eintreten, die bleibend sein kann. Das heisst, dass die Symptome teilweise oder vollständig nachlassen. Es kommt auch vor, dass ein Patient im Alter von zwölf Jahren in eine Remissionsphase kommt, sich das Rheuma mit 24 oder 30 Jahren aber wieder zurückmeldet. Auch mit einer langen Remissionsphase kann man nie sagen, dass der Patient vollständig geheilt ist.

Braucht es für das Zusammenleben mit einem Kind, das von Rheuma betroffen ist, Anpassungen?

Dr. Michaël Hofer: Es gibt krankheitsbedingte Probleme wie regelmässige Schmerzen, Müdigkeit, Einschränkung bei der körperlichen Betätigung usw. Die Familie muss sich bewusst sein, dass der Patient viel weniger Anstrengung verträgt als die anderen Kinder. Und dann gibt es die ganze psychologische Seite. Die Last einer chronischen Krankheit hat eine grosse Unsicherheit zur Folge. Man weiss nie, wie lange der Rheumaschub dauert und wie stark er sein wird. Dies ist eine belastende Situation.

Ratschläge für die Eltern

Gemäss Dr. Michaël Hofer ist es wichtig, dass die Eltern bei ihren Kleinkindern auf anhaltende, örtliche Schmerzen achten (an Händen, Knien, Knöcheln, Hüftgelenken). Das Hinken eines Kindes oder morgendliche Steifigkeit in den Fingern können Rheumasymptome sein. Möglichst bald einen Arzt aufzusuchen, ist der beste Ratschlag. Je schneller nämlich die Krankheit diagnostiziert wird, umso grösser sind die Chancen im Kampf dagegen.

Zum Thema Zusammenleben mit einem kranken Kind ergänzt Dr. Hofer: «Man soll versuchen, möglichst normal zu leben. Es ist wichtig, ein Kind nicht übermässig zu behüten und es daran zu hindern, auszugehen oder gewisse Dinge zu tun, weil ihm dies nicht guttun könnte. Sozial soll das Kind möglichst gut integriert werden. Wenn man jahrelang krank ist, muss man möglichst normal leben können. Die kleinen Patienten möchten als normale Kinder gelten. In der Jugendzeit ist dies noch stärker spürbar.»

Autor und Redaktion: Pierre Jenny
Quellen
  • «Drogistenstern»

  • Dr. Michaël Hofer Pädiatrischer Rheumatologe in Lausanne