Gesunde Fette in gesundem Mass

Lange galten ungesättigte Fettsäuren als Patentlösung gegen diverse Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Übergewicht. Ganz so euphorisch sieht die Fachwelt das unterdessen nicht mehr.

Menschen, die regelmässig Fisch und Meeresfrüchte essen, erleiden seltener einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall als solche, die das nicht tun. Dies galt lange Zeit als gesichert. Inzwischen zweifeln Wissenschaftler diese These immer häufiger an. Diverse Studien zeigen, dass kein direkter Zusammenhang zwischen dem Verzehr von essenziellen Fettsäuren, wie Omega 3 und Omega 6, und Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht. Völker wie die Inuit in Grönland, Alaska und Kanada ernähren sich beispielsweise viel fischreicher als die Europäer, erleiden jedoch häufiger einen Schlaganfall und sterben insgesamt rund zehn Jahre früher.

Mehr als genug Fett

Dr. rer. nat. Susanne Cichon vom Dr. Jacobs Institut für komplementärmedizinische Forschung im deutschen Heidesheim rät vom zusätzlichen oder exzessiven Fettsäurenkonsum ab: «Wir nehmen bereits mehr als genug Fett zu uns, es droht eher ein Überfluss als ein Mangel.» In Deutschland beispielsweise erfolgt die Energieaufnahme mit der Nahrung zu durchschnittlich 36 Prozent über Fette. Für eine gesunde Ernährung wären allerdings 10 bis maximal 30 Prozent ideal.

Cichon widerlegt ebenfalls die Theorie vom viel gelobten fetten Fisch. Als Beleg dafür, dass die hohe Menge an mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren nicht per se gesundheitsfördernd ist, nennt sie die Bewohner Okinawas, die wenig Fisch essen und trotzdem eine hohe Lebenserwartung haben. Die japanische Insel wird sogar «Insel der Hundertjährigen» genannt. Die hohe Lebenserwartung erklärt Cichon so: «Sie nehmen weniger Schadstoffe auf, da Fisch meist sehr belastet ist. Durch die Pflanzennahrung erhalten sie neben vielen anderen wichtigen Nährstoffen Antioxidantien, die unter anderem in Zusammenhang mit essenziellen Fettsäuren für den Organismus wichtig sind.»

Ungesättigte Fettsäuren können auch schaden

Die meisten Menschen in unseren Breitengraden nehmen zu viele Omega-6-Fettsäuren auf. Experten gehen davon aus, dass die westliche Ernährung aus rund 15-mal mehr Omega-6-Fettsäuren als Omega-3-Fettsäuren besteht. Naturwissenschaftlerin Cichon empfiehlt für eine gesunde, ausgewogene Ernährung ein Verhältnis von maximal 5:1, noch besser wäre 2:1. Früher empfahl die Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE) ebenfalls ein Verhältnis von 5:1, heute schreibt sie, dass «ein wünschenswertes Verhältnis nicht wissenschaftlich begründet» ist.

Auf die Menge kommt es an

Insgesamt ist das Risiko, einen Mangel an essenziellen Fettsäuren zu erleiden, eher gering, sagt Cichon. Selbst Vegetarier und Veganer, die keine Supplemente zu sich nehmen, haben keinen Mangel, so das Ergebnis einer Studie. Der Körper scheint die mehrfach ungesättigten Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) problemlos aus der in Pflanzen vorhandenen alpha-Linolensäure (ALA) bilden zu können.

Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung empfiehlt täglich (in Prozent der Energie):

Omega-3-Fettsäuren

  • Schwangere, Stillende: 0,5

  • Erwachsene: 0,5

  • Jugendliche: 0,5

  • Kinder ab 4 Jahren: 0,5

  • Kinder von 1 bis 4 Jahren: 0,5

  • Säuglinge von 4 bis 12 Monaten: 0,5

  • Säuglinge bis 4 Monate: 0,5

Omega-6-Fettsäuren

  • Schwangere, Stillende: 2,5

  • Erwachsene: 2,5

  • Jugendliche: 2,5

  • Kinder ab 4 Jahren: 2,5

  • Kinder von 1 bis 4 Jahren: 3

  • Säuglinge von 4 bis 12 Monaten: 3,5

  • Säuglinge bis 4 Monate: 4

Autorin: Anania Hostettler / Bettina Epper
Redaktion: Bettina Epper
Quellen
  • «d-inside»

  • Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE

  • Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV