Träume helfen im Alltag

Träume sind Schäume, sagt der Volksmund. Das stimmt nicht. Träume schaffen Ordnung im Gehirn, bauen Stress ab und vertiefen Lernprozesse.

Sie kuscheln sich in die dicke Daunendecke, schlafen tief und fest. Gleichzeitig fliegen Sie wie Superman hoch in den Lüften. Oder Sie stecken in einem dunklen Keller fest und können sich nicht bewegen. Oder sie wandern durch einen Märchenwald und fühlen sich frei und glücklich. Oder, oder, oder... Träume kennen keine Grenzen. Doch wozu träumt der Mensch überhaupt?

Stress abbauen

Für Dr. med. h. c. Günther W. Amann-Jennson, Schlafpsychologe, Schlaf-Gesund-Unternehmer, Buchautor und Leiter des Instituts für Schlafpsychologie & Schlafcoaching im österreichischen Frastanz, ist klar: «Träume sind zum Abbau von psychischem, emotionalem und sozialem Stress sehr wichtig. Es gibt mehrere wissenschaftliche Hypothesen über die tatsächliche Funktion der Träume. Vieles in der Forschung ist aber leider noch immer ungeklärt.» Das Grundproblem ist, dass die Wissenschaftler die Träume nicht messen können. Sie müssen sie erfragen. «Dennoch deuten aktuelle Forschungen auch in eine weitere Richtung: Träume sind für uns eine Art Lektionen, die uns helfen, auf schlimme reale Ereignisse vorbereitet zu sein.»

Träume sind also eine Art Sicherheitstraining für Notfallsituationen. Die These: Geht der Mensch in seinen Träumen immer wieder mit beängstigenden Augenblicken um, kann das Gehirn in der Realität schneller auf Bedrohungen reagieren. «Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass Träume uns helfen, Erlerntes zu vertiefen, indem wir es im Schlaf gewissermassen erneut durchleben», sagt der Schlafexperte. «Meine persönliche Ansicht ist, dass Träume überwiegend eine Form von Lebens- und Seelentherapie sind, die uns dabei helfen, möglichst gut mit den Anforderungen des wachen Lebens fertigzuwerden und uns persönlich auf allen Ebenen zu entwickeln, vor allem auch spirituell.»

Träume besser nutzen

Nicht alle können sich jeden Morgen daran erinnern, was sie geträumt haben. «Die Traumerinnerung ist von mehreren Faktoren wie Persönlichkeit, Gedächtnis, kognitiven Faktoren, Kreativität und Fantasietätigkeit, Schlafverhalten und Schlafphysiologie, den Lebensereignissen und dem Tagesstress und nicht zuletzt von der eigenen Einstellung zu den Träumen abhängig», sagt Amann-Jennson. «Wer sich gut an seine Träume erinnert, kann dies gut für sein Leben nutzen.» Er rät jenen, die sich erinnern wollen: «Die Traumerinnerung lässt sich durch verschiedene Methoden wie autogenes Training, Meditation, Suggestion und Affirmationen beim Einschlafen steigern. Zum Beispiel, indem man sich wiederholt sagt: ‹Ich erinnere mich beim Aufwachen an meine Träume›, ‹meine Träume sind mir wichtig›. Allerdings ist es dann auch wichtig, nach dem Aufwachen noch einige Minuten mit geschlossenen Augen ruhig liegen zu bleiben und den Traum in Erinnerung zu rufen.»

Jeder Mensch träumt

Es gibt aber auch Menschen, die sagen, nie zu träumen. Häufig erinnern sich diese Menschen einfach nicht an ihre Träume. Die Gehirn- und Bewusstseinsforschung vermutet darin eine Art Schutzmechanismus des Gehirns: Die Psyche nimmt bizarre Träume genauso real wahr wie die wach erlebte Wirklichkeit. Beides zusammen bildet, vereinfacht ausgedrückt, das Bewusstsein des Menschen. Genau an dieser Stelle könnte die Psyche einen «Schutzmechanismus des Traumvergessens» eingerichtet haben, denn wäre die Traumwelt ebenfalls ein Teil des Gedächtnisses, würde sich der Mensch in einem ständigen Hin und Her zwischen Realität und Traum bewegen. Es bestünde die Gefahr, dass das ganze menschliche Sein im Chaos versinkt.

Darum sollten Sie sich erinnern

Und warum ist es trotzdem sinnvoll, sich an Träume zu erinnern? «Durch das ‹Klarträumen› kann man in seine eigenen Träume eindringen. Man versteht während des eigenen Traumes, dass man träumt», sagt Amann-Jennson. Das sogenannte luzide Träumen gewinnt zunehmend an Bedeutung: Immer mehr Psychologen, Sportärzte und Mediziner nutzen diese erlernbare Technik. Zum Stressabbau, bei Beziehungsproblemen, zur Sexualtherapie und vor allem zur Leistungssteigerung im Sport. Die bewusste Traumsteuerung kann zudem Schlafqualität und Erholung erheblich verbessern.

Autorin: Ann Schärer
Redaktion: Bettina Epper
Quelle
  • «Drogistenstern»