Tinnitus: ständiger Lärm im Ohr

Ein Tinnitus kann sich als Pfeifen, Klingeln oder Rauschen in den Ohren manifestieren. Das Ohrgeräusch ist unheilbar. Betroffene müssen also lernen, damit umzugehen.

15 Prozent der Schweizer Bevölkerung haben einen Tinnitus. Sie hören ständig einen Ton oder ein Geräusch, das es gar nicht gibt. Bei manchen hört sich der Tinnitus wie kreischende Zugbremsen an. Oder wie Kreide, die auf der Wandtafel kratzt. Andere hören ein Pfeifen, Summen oder Klingeln. Experten schätzen die Lautstärke eines Tinnitus zwischen 5 und 15 Dezibel. Das ist so laut, dass Betroffene oft kaum schlafen können und ihre Nerven arg strapaziert werden. Ein Satz, der in den Internetforen häufig fällt: «Ich halte das nicht mehr aus.» Der Maler Vincent van Gogh soll sich wegen seines Tinnitus sogar ein Ohr abgeschnitten haben.

Zu viel Lärm als Ursache

Wiederholte Lärmtraumata schädigen die rund 20'000 feinen Härchen des Innenohrs. Die Haarzellen, die normalerweise bei Geräuschen fein schwingen, verbiegen sich oder brechen und sterben schlimmstenfalls ab. Professor Martin Meyer vom Psychologischen Institut der Universität Zürich: «Beim akuten Tinnitus, den fast jeder Mensch kennt, der schon mal an einem Konzert oder in einer Disco gewesen ist, erholen sich die Sinneszellen innerhalb weniger Stunden.» Bei zehn Prozent der Betroffenen ist der Schaden nach wiederholter Lärmexposition aber irreversibel.

Beim chronischen Tinnitus kommt es zu einer Fehlanpassung im Gehirn. Die geschädigten Nervenzellen in den Ohren übertragen keine Signale mehr ans Gehirn. Meyer: «Sie sind sozusagen arbeitslos.» Das Gehirn, genau genommen eine zentrale Struktur, der Thalamus, versucht die Hörstörung auszugleichen, was die Aktivität in der Hörbahn verstärkt und in einem Dauerton endet. Betroffene nehmen das als Tinnitus wahr.

Einschlaftipps der Schweizerischen Tinnitus-Liga

  • Treiben Sie regelmässig Sport. Aktive Menschen schlafen generell besser.

  • Gehen Sie ins Bett, sobald Sie müde sind, egal ob es früh oder spät ist.

  • Können Sie nach 30 Minuten nicht einschlafen, sollten Sie etwas Entspannendes tun. Probieren Sie es danach noch einmal.

  • Koffein und Nikotin wirken stimulierend. Also Hände weg!

  • Viel Fernsehen und Computer machen unruhig. Vor dem Schlafengehen sollten Sie besser relaxen.

  • Schlafen Sie mit aufgerichtetem Kopf ein. Diese Haltung gelingt, indem Sie mehrere Kissen übereinanderstapeln. Das verhindert, dass sich das Blut im Gehirn anstaut. So ist der Tinnitus weniger zu «hören».

  • Manchen Menschen hilft ein Hörgerät, weil es die Geräusche in der Umgebung verstärkt und damit der Tinnitus in den Hintergrund rückt.

  • Alternative Therapiemethoden haben sich bei einigen Tinnitus-Geplagten bewährt. Zum Beispiel Akupunktur, Chiropraktik oder Hypnose. Tatsächliche Erfolge sind wissenschaftlich aber nicht dokumentiert.

Ein Teufelskreis

Nicht nur Lärm kann einen Tinnitus verursachen, auch ein stressinduzierter Hörsturz oder eine Infektion. Häufig verstärken auch psychische Probleme, Stress und Ängste ein chronisches Ohrgeräusch. Meyer: «Man hat beobachtet einen Zusammenhang zwischen Depressionen und Tinnitus. Psychische Probleme und Tinnitus treten oft gepaart auf. Doch was war zuerst da? Wir wissen es noch nicht.»

Worin sich Meyer dagegen sicher ist: «Nicht jeder, der einen Tinnitus hat, ist auch depressiv.» Sehr viele könnten gut mit dem Ton im Ohr leben. Deren Erfolgsrezept: «Sie fixieren sich nicht ängstlich auf das Geräusch. Personen, die sich auf den Ton konzentrieren, nehmen ihn lauter war, was das bereits vorhandene Angstgefühl noch verstärkt.» Besonders ältere Menschen, die im Alltag weniger ausgelastet und nicht abgelenkt seien, könnten häufig schlechter mit einem Tinnitus umgehen.

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Entspannung hilft

Tinnitus ist unheilbar. Manchen Menschen helfen kognitive Verhaltenstherapien oder eine Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT). Die verschiedenen Varianten stützen sich auf psychotherapeutische Ansätze, sodass die Betroffenen ihre Angst vor dem Geräusch verlieren. Bestenfalls lernen sie, es zu ignorieren. Laut Meyer haben oftmals Entspannungsübungen und autogenes Training einen positiven Einfluss auf das Gehirn.

Wer einen Tinnitus hat kann oft schlecht schlafen. Drogist Urs Hüttinger hat hilfreiche Tipps:

Spagyrik
  • Ein spagyrischer Spray mit Johanniskraut (Hypericum), Zitronenmelisse (Melissa), Hopfen (Humulus), Alraune (Mandragora), Rauschpfeffer (Piper methysticum) harmonisiert und hilft bei Konzentrationsproblemen. Diese Mischung unterstützt vor allem die Nerven und die Psyche, ist stimmungsaufhellend und schmerzlindernd.

  • Eine Mischung mit Ginkgo (Ginkgo biloba), Kleinem Immergrün (Vinca minor), Haselwurz (Asarum europaeum), Bärlapp (Lycopodium), Johanniskraut (Hypericum) und Kockelskörnern (Cocculus) kann Tinnitus lindern.

  • Ein spagyrischer Spray mit Kaffeestrauch (Coffea), Hopfen (Humulus), Zitronenmelisse (Melissa), Johanniskraut (Hypericum), Damaszenerrose (Rosa damascena) wirkt beruhigend auf Körper und Geist, regeneriert die Nerven und hilft bei Einschlafschwierigkeiten und Schlafstörungen.

Tee

Optimal bei Einschlaf- und Durchschlafproblemen sind Lavendel (Lavandula officinalis), Hopfen (Humulus), Zitronenmelisse (Melissa) und Baldrian (Valeriana officinalis). Sie wirken alle beruhigend, ausgleichend und harmonisierend.

Phytopharmaka

Präparate mit Ginseng (Panax ginseng) und Ginkgo (Ginkgo biloba) unterstützen die Konzentration und können Ohrgeräusche abschwächen. Sie helfen gegen Müdigkeit, Stress und verbessern die Durchblutung im Innenohr. Denn eine Ursache von Tinnitus kann eine schlechte Innenohrdurchblutung sein.

Vorbeugen

Grundsätzlich gilt: Je näher Ohr und Lärmquelle sind, desto lauter. Daher hält Professor Meyer zum Beispiel Kopfhörer, die im Ohr sitzen, für gefährlicher als solche, die aufliegen. Schliesslich befinden sie sich deutlich näher am empfindlichen Trommelfell.

«Wer seine Ohren schonen möchte, benutzt am besten einen Schweizer MP3-Player oder ein Smartphone.» Sie werden kaum lauter als 85 Dezibel. Bei Abspielgeräten aus den USA ist dagegen oft erst bei 110 Dezibel Schluss. Ab wie viel Dezibel die Ohren grundsätzlich Schaden nehmen, kann Meyer nicht sagen: «Das ist von Mensch zu Mensch verschieden. Wer wegen eines Geräusches in Panik gerät oder sich unwohl fühlt, empfindet es viel lauter, als es in Realität ist.» Die subjektive Wahrnehmung spielt bei Hörschäden eine grosse Rolle. Schon ein einziges negatives Ereignis kann einen Tinnitus verursachen.

Lautstärke und Schallpegel

Die Lautstärke eines Geräusches wird in Dezibel (dB) gemessen. Jede Erhöhung um 10 dB empfinden unsere Ohren als doppelt so laut.

  • Sturmgewehr: 160

  • Pistolenschuss: 150

  • Flugzeug: 120

  • Laute Disco/Konzert:110

  • Presslufthammer:100

  • Verkehrslärm: 80

  • Lauter Fernseher: 70

  • Gespräch: 60

  • Kühlschrank: 40

  • Flüstern: 30

  • Uhrticken: 20

  • Blätterrascheln: 10

Wer in einer Disco oder an einem Konzert auf Nummer sicher gehen will, trägt Ohrenstöpsel.

Tinnituspatienten müssen sich nicht von Geräuschen und Musik fernhalten. «Musikhören in normaler Lautstärke (50 dB) hat sogar positive Effekte, weil es den Tinnitus maskiert und er so in den Hintergrund rückt», sagt Meyer.

Autorin: Vanessa Naef
Redaktion: Bettina Epper
Quelle
  • «Drogistenstern»