Deshalb weinen Babys ohne Tränen

Seltsam: Manche Babys weinen – und vergiessen dabei keine einzige Träne. Eltern brauchen sich deshalb jedoch keine Sorgen zu machen.

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Eine Träne ist eine salzhaltige Körperflüssigkeit, die die Tränendrüsen von Menschen und Säugetieren absondern. Sie dient der Reinigung des Bindehautsacks und der Befeuchtung und Ernährung der Hornhaut. Das sind, nüchtern erklärt, die Aufgaben der Tränen. Mit deutlich mehr Gefühl drückt sich der russische Schriftsteller Fjodor Michailowitsch Dostojewskij aus: «Tränen», so besagt eines seiner Sprichwörter, «reinigen das Herz». Babys weinen oft herzerweichend und ausdauernd, doch die Augen bleiben dabei trocken. Wie kommt das, fragen sich viele Eltern. Liegt es an den Tränenkanälen, die bei manchen Neugeborenen noch nicht fertig ausgebildet sind? Ist das Gefühlsleben der Babys noch nicht so weit entwickelt, dass sie aus Angst oder Zorn weinen können? Oder kann das sogar krankhaft sein?

Tränen ab der dritten Lebenswoche

Die Antwort ist eine Mischung aus allem. «Babys haben sehr wohl Tränen», sagt Roger Lauener, Chefarzt der Pädiatrie am Ostschweizer Kinderspital in St. Gallen. Die brauche es, um das Auge feucht und gesund zu halten. Die Produktion in den Tränendrüsen finde schon beim Embryo im Mutterleib statt. Diese Drüse befindet sich seitlich unter dem Oberlid. Von dort fliesst die Tränenflüssigkeit zum inneren Lidwinkel an der Nasenseite weiter in den Tränenkanal, in den Tränensack und schliesslich in die Nase. Selten sind laut Lauener die Tränenwege, die die Tränenflüssigkeit aus dem Auge ableiten, beim Neugeborenen nicht ganz durchgängig. Weshalb dann aber noch keine Tränchen sichtbar sind, weiss Vera Bernet, Leitende Ärztin für Intensivmedizin und Neonatologie am Universitätskinderspital Zürich: «Zum Weinen braucht das Baby eine Extraportion Tränen, und dafür reicht die Tränenmenge noch nicht aus.» Wann die Tränen kommen, kann Bernet nicht genau voraussagen: «Bei den meisten aber zwischen der dritten und zwölften Lebenswoche.»

Gefühlsleben erwacht im dritten Monat

Menschen weinen, wenn etwas das Auge reizt. Wie etwa ein Staubkorn oder der beissende Geruch einer Zwiebel. Doch über die Gründe des sogenannt emotionalen Weinens aus Freude, Wut und Trauer sind die Wissenschaftler uneins. «Welchem biologischen Zweck solche Tränen dienen, ist bis heute nicht vollständig geklärt und wird kontrovers diskutiert», sagt Christian Ohrloff, ehemaliger Direktor der Universitäts-Augenklinik in Frankfurt am Main und Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Augenheilkunde, in der Onlineausgabe der «Apotheken-Umschau». Ab wann beim Baby die Gefühle zu Tränen führen, sei individuell sehr verschieden, erklären die Kinderärzte Bernet und Lauener. Vera Bernet sagt über die emotionale Entwicklung: «Sie beginnt schon im Mutterleib.» Ab rund drei Monaten empfinden Babys laut Bernet zum Beispiel Stress und Zufriedenheit, die als sogenannte Basisemotionen gelten. Bernet: «Sie können dann Ärger, Traurigkeit, Freude, Angst und Interesse zeigen und empfinden.»

Eltern müssen sich also keine Sorgen machen, wenn sie bei ihrem Baby keine Tränen sehen. Nur bei einer Entzündung sollen sie ihr Kind laut Vera Bernet und Roger Lauener zum Arzt bringen. Wenn die Tränenwege verstopft sind, könnten sich möglicherweise Bakterien darin vermehren. Die Symptome sind gerötete, geschwollene, manchmal mit einem Sekret verklebte Augen und vielleicht sogar Fieber.

Tipp aus der Drogerie: Zur Behandlung von leichten Augenreizungen eignen sich Augentropfen aus der Heilpflanze Euphrasia (Augentrost).

Autorin und Redaktion: Brigitte Jeckelmann